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Eine kleine Geschichte des Olivenanbaus in Deutschland

von Hartmut Schönherr - 12. Juni 2010


Olivenanbau in Deutschland? Nun, die Klimaerwärmung hat dazu beigetragen, dass dieses Thema heute nicht mehr ganz so absurd klingt. Und Suchmaschinen liefern auf die Anfrage "Olivenhain Deutschland" bereits einige entsprechende Projekte - darunter mein auf den folgenden Webseiten mit vorgestelltes.

Wer sich mit dem Klimawandel beschäftigt, der kommt zwangsläufig auch mit der Klimageschichte in Berührung. Und erfährt zum Beispiel, dass zur Römerzeit die Alpen bis in Höhen von 2800 Meter gletscherfrei waren - was Hannibals Zug überhaupt erst ermöglichte. In Mitteleuropa dürften daher die Winter insgesamt milder gewesen sein noch als heute. Das römerzeitliche Klimaoptimum dauerte von der Augustuszeit bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert.
Da liegt der Verdacht nahe, dass in der Antike der eine oder andere heimwehkranke römische Gutshofbesitzer in den Provinzen Germania Superior und Germania Inferior einen Olivenbaum von "zuhause" in seinen Ländereien oder beim Wohnhaus gepflanzt hat. Auch wenn das römische Reich sein Olivenöl vor allem aus Spanien und Nordafrika (Tunesien) bezog, war die in engerem Sinne "heimische" Produktion nicht unbedeutend - immerhin empfiehlt M.P. Cato in "De agri cultura" 150 v. Chr. (Datum umstritten) seinen Landsleuten den Olivenanbau auch in Italien als hoch profitabel. Olivenhaine in nennenswertem Umfang dürften in den germanischen Provinzen jedoch nicht existiert haben, dazu gab es wahrlich geeignetere Provinzen. Der häufige Regen in Germanien wird Oliven nicht gefallen haben. Während zu den Moselweinbergen der Römerzeit zahlreiche verwaltungstechnische, literarische und archäologische Belege existieren, sind bislang keine Dokumente zu einem Olivenanbau bekannt. Allerdings waren Olivenhaine im römischen Reich nicht genehmigungspflichtig wie Weinberge - und völlig ausgeschlossen ist eine bescheidene Olivenölproduktion z.B. an der Mosel nicht.

Dass der Römerzeit eine lange Kälteperiode folgte, ist bekannt. Häufig wird sie gar für den Beginn vom Ende des römischen Weltreiches gehalten - als Auslöser einer Völkerwanderung und Ursache von Ernährungsproblemen im Reich. Gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrtausends begann dann wieder ein Klimaoptimum, das des Mittelalters. Es ist durchaus denkbar, dass dann im Bereich des ehemaligen Germaniens einige Olivenbäume der Römer, die das Pessimum der Völkerwanderungszeit überstanden hatten, in besonders geschützten Lagen weiter kultiviert wurden. Die guten Beziehungen der Frankenkönige zu Rom sind bekannt - zumindest sie und ihr Hofstaat dürften Olivenbäume nicht für Unholz gehalten haben. Andererseits ist einzubeziehen, dass auch in Italien der Olivenanbau mit dem Niedergang des römischen Reiches (und den damit zeitgleichen klimatischen Veränderungen) erheblich zurückging. Es waren vor allem Klöster, zumal benediktinische, die im nördlichen Mittelmeerraum das Wissen um den Olivenanbau bis zu seiner breiten Wiederbelebung im 11. Jahrhundert bewahrten.

Es gibt gute Argumente dafür, dass im Hochmittelalter dann einzelne Klöster in unserer Region auf der Basis ihrer sozialen und kulturellen Beziehungen zum Mittelmeerraum auch auf den Gedanken kamen, junge Olivenbäume für Neupflanzungen über die Alpen zu bringen. So empfiehlt Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert Tee/Sud aus Olivenrinde und Olivenblättern als Heilmittel bei Gicht und Verdauungsproblemen (Physica 3.16). Dies legt die Vermutung nahe, dass sie diesen Baum auch unmittelbar in ihrem Kloster zur Verfügung hatte - wenngleich sie, zurückhaltender, auch die Dattelpalme aufführt, die selbst während des Klimaoptimums sicherlich nicht im Mittelrheingebiet gedieh. Interessanterweise wird Hildegard in einem Brief des Zisterziensermönches Heinrich aus Maulbronn als "prächtiger Olivenbaum" angesprochen. Dieses keineswegs häufige Bild für Christus oder herausragende Persönlichkeiten im Christentum (mit Bezug auf Römer 11,16-26) ist ein weiterer Hinweis auf eine besondere und möglicherweise auch konkrete Beziehung der Äbtissin zu diesem Baum. Hildegardis gehörte zudem dem Orden der Benediktiner an, die sich der Wiederbelebung des Olivenanbaus in Norditalien und im Burgund (das damalige Burgund reichte bis zum Mittelmeer) besonders verschrieben hatten. Ihre Klostergründung auf dem Rupertsberg bei Bingen lag zudem in einer klimatisch begünstigten Region Deutschlands - und die Zeit der Klostergründung, 1152, fiel in den Kernbereich des mittelalterlichen Klimaoptimums, das bald nach 800 begann und in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts n. Chr. ausklang.

Die "kleine Eiszeit" vom 15. bis zum 19. Jahrhundert konnten dann eventuell vorhandene Olivenbäume nördlich der Alpen nicht überleben. Erst im 19. Jahrhundert stiegen die Durchschnittstemperaturen in Mitteleuropa wieder signifikant und kontinuierlich an, mit einem Vorlauf ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Eine Serie warmer Winter in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts (spekuliert werden kann auch über einen Einfluß der Hitler-Mussolini-Beziehung) brachte dann einen bislang von mir nicht identifizierten Weinbauern bei Neustadt an der Weinstraße dazu, einen Olivenhain in Deutschland anzupflanzen. Der erfror jedoch in den harten Wintern ab 1939.

Die Klimaerwärmungsdebatte verführte Anfang des 21. Jahrhunderts einige Olivenenthusiasten dazu, erneut Olivenhaine in Deutschland anzulegen. Den ersten (und vorläufig nördlichsten) davon haben 2005 die Baumschulinhaber Heinz und Michael Becker sowie der Olivenölhändler Stephan Marzak auf dem Gelände der Baumschule Becker in Pulheim-Stommeln bei Köln begründet. Die Bäume stammten teilweise aus der Olivenbaumsammlung Marzaks, der bereits Anfang der 90er Jahre über sein Unternehmen sortenechte Olivenbäume in Deutschland verkaufte - also nicht die üblichen Oliven aus dem Gartencenter mit der unspezifischen Bezeichnung "Olea europea".

2006 und 2007 fanden auf dem Gelände der Baumschule "Olivenblütenfeste" statt und Anfang 2008 konnte schon die erste Ernte von 25 Kilogramm vermarktet werden. Der Bestand umfasste 2007/08 ca. 110 Bäume auf 1000 qm - wobei 45 Bäume neu gepflanzt waren, also noch nicht nennenswert fruchten konnten. Im Frühjahr 2008 verabschiedete sich Stephan Marzak aus dem Projekt und die Brüder Becker betrieben mit einem Teil des Bestandes und Neupflanzungen den Hain alleine weiter. Der nachfolgende Winter 2008/2009 hat dann dem Hain sehr zugesetzt. Obgleich etwa dreißig Bäume der Toskana-Sorten Leccino und Olivastra Seggianese noch Vitalität zeigten, haben die Beckers beschlossen, am 8. Mai 2009 einen radikalen Neuanfang zu starten - ausschließlich mit Jungbäumen dieser Sorten. Dafür gibt es gute Gründe. Nach dem Extremwinter 1984/85 zeigte sich in der Toskana, dass Neupflanzungen innerhalb weniger Jahre frostgeschädigte Altanlagen im Ertrag überholen können. Der frostige Winter 2009/10 machte dann in Köln nochmals einen Neuanfang notwendig, wobei auch ältere Bäume nachgepflanzt wurden.

Aus diesem ersten Olivenhain nördlich der Alpen hatte sich wie gesagt Anfang 2008 der nun in gewissem Sinne älteste Olivenhain Deutschlands abgespalten, nachdem es zwischen den Brüdern Becker und Stephan Marzak zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war. Stephan Marzak von "Olive e Più" übersiedelte einen Teil des von ihm eingebrachten Bestandes auf das Gelände der Baumschule "La Cava" in Köln-Widdersdorf - darunter die ältesten in Deutschland aus eingeführtem Pflanzgut groß gewordenen Olivenbäume. Der Hain steht auf einem Gelände von etwa 2000 qm und zählte 2008 etwa 180 Bäume. Auch in Köln-Widdersdorf hat der Winter 2008/09 keine Schonung walten lassen. Die erfrorenen Jungbäume wurden ersetzt durch Leccino und Canino/Canina (eine als robust geltende Sorte aus dem nördlichen Latium in Mittelitalien), ältere Bäume wurden zurückgeschnitten in der Hoffnung, dass sie neu austreiben. Neuaustriebe sind im folgenden Winter 2009/10 zusammen mit den nachgepflanzten Jungbäumen wiederum weitgehend erfroren.

Zeitgleich zur Teilung des Kölner Olivenhains habe ich selbst Anfang 2008 meinen kleinen "experimentellen" Olivenhain in Obergrombach/Kraichgau angelegt. Auf 1600 Quadratmeter ehemaliger Weinbergsfläche pflanzte ich zunächst 26 Heister der Sorten "Leccino", "Maurino" und "Olivastra Seggianese" - alle drei vor allem in der Toskana heimisch. Weitere Bäume unterschiedlicher Sorten und Herkünfte kamen 2009 und 2010 dazu. In den strengen Wintern 2008/09 und 2009/10 habe ich umfangreiche Schutzmaßnahmen mit Einhüllungen durchgeführt. Dennoch wurden zahlreiche Individuen stark geschädigt. Von den Pflanzungen der "ersten Generation" waren im Mai 2010 nur noch zwei Olivastra Seggianese (von acht) und vier Leccino (von vierzehn) in akzeptablem bis gutem Zustand erhalten. Dazu hat in ausgezeichnetem Zustand ein 2009 gepflanztes Exemplar "Ascolana" (von zweien) den Winter überstanden - eine Öl- und Speiseolive aus der mittelitalienischen Region Marche. Gänzlich abgestorben sind lediglich sechs von 34 Heistern/Jungbäumen.

An der Mosel hat ein deutsch-türkisches Ehepaar aus Köln unter großer Medienbegleitung im Frühjahr 2009 einen Olivenhain mit 200 Bäumen türkischer Herkunft (Sorte Memecik) auf 4000 Quadratmetern angelegt, bei Pünderich. Der Hain liegt in einem Weinberggelände direkt am Fluss, mit einem Boden, der "reich ist an Schiefergebröckel", wie ein römischer Autor im 6. Jahrhundert schrieb. Die Betreiber der Anlage sind nebenberuflich im Olivenölhandel tätig und besitzen bereits seit einigen Jahren einen Olivenhain mit 400 Bäumen in der Türkei/Sirinçe. Als Winterschutz wurden an der Mosel Stroheinhüllungen eingesetzt. Nach dem Winter 2009/10 sind oberirdisch allerdings keine vitalen Pflanzenteile verblieben. Die Prognosen für einen Mosel-Olivenhain sind angesichts der temperaturausgleichenden Wirkung des Flusses und der wärmespeichernden Eigenschaften des "Schiefergebröckels" grundsätzlich sehr günstig.  Gleichfalls Anfang 2009 wurde in Gangelt bei Aachen, einem Ort mit zahlreichen Hitzerekorden, eine Anlage aus 140 importierten alten Bäumen aus Portugal gestaltet. Auch diese Anlage litt im Winter 2009/10.

Da verschiedene Klimamodelle auch für die kommenden Jahre (Stand 2010) eher strenge Winter in Mitteleuropa prognostizieren, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis realistische Chancen auf die Etablierung eines bescheidenen Olivenanbaus in Deutschland bestehen. Die mit dem aktuellen Klimawandel verbundenen ansteigenden Niederschläge im Winterhalbjahr könnten zu bislang noch vernachlässigten zusätzlichen Problemen für hiesige Olivenbestände führen, etwa durch Schadpilze.


*

Wie es weiterging mit dem Olivenanbau in Deutschland nach 2010 und Ergebnisse weiterer historischer Recherchen

von Hartmut Schönherr - 28. Juni 2025


Das Projekt mit alten Bäumen in Gangelt-Kreuzrath bei Aachen wurde nach zwei harten Wintern beendet und die Bäume im Rahmen einer "Skulpurenwoche" 2011 von 10 europäischen Bildhauern in Kunstwerke transformiert. Der Hain des deutsch-türkischen Ehepaares Aktül-Schäfer an der Mosel und der Hain des Olivenölhändlers Stephan Marzak in Köln-Widdersdorf wurden nach wiederholten Frostschäden 2012 aufgegeben. Mein eigener Olivenhain hat im extremen Frostfebruar 2012 mit zwölf aufeinander folgenden Frostnächte mit zweistelligen Minustemperaturen zwischen 01.02.12 und 13.02.12 die letzten noch erhalten gebliebenen Stämme weitgehend verloren. Es blieben nur zwei Olivastra Seggianese und zwei Leccinos als Veredelung erhalten, der Rest starb ab oder trieb aus der Unterlage als Wildform aus. In der Folge pflanzte ich weitere Heister. Stand 2025 habe ich 40 Pflanzen von 13 Sorten aus 4 verschiedenen Ländern, dazu eine Wildolive. Von den weiteren Pionieren blieb noch der Hain der Gebrüder Becker, Gartenbaubetrieb, in Pulheim-Stommeln erhalten, mit wiederholten Neupflanzungen.

In Deutschland war der Olivenenthusiasmus nach dem Frostfebruar 2012 zunächst einmal nachhaltig gedämpft. Ab 2016 kommt es in Österreich zu einer Welle an Olivenanlagen, überwiegend durch Winzer, im Burgenland und in Niederösterreich. Aus Deutschland ist 2020 ein Verpflanzungsprojekt analog dem Versuch in Gangelt von 2009 zu vermelden, mit 80 älteren Bäumen aus Südspanien. Gepflanzt wurde von einem ehemaligen Schönheitschirurgen und Hobbywinzer in den besonders privilegierten Weinbergen bei Ihringen am Kaiserstuhl. Vorläufig kann der Hain von relativ milden Wintern profitieren. Weitere kleine Anlagen mit Jungpflanzen wurden nach 2012 vor allem von Winzern im Kontext ihres Weinbaus realisiert. 2025 geisterte die Behauptung "Erste Winzer stellen um auf Olivenanbau" durch die Medien. Hinter der Behauptung steht eine Pflanzung von 30 Oliven auf einem Gelände von 2.400 Quadratmetern in Weinsberg bei Heilbronn durch einen Winzer im Ruhestand.

Bei weiteren historischen Recherchen zum Thema finde ich erneut interessante Dokumente, die auf die Möglichkeiten (oder Unmöglichkeiten) eines Olivenanbaus in Deutschland eingehen. "Weil bei der übermäßigen Kälte die Beschaffenheit der Luft so ungünstig ist, so wächst daselbst (in "Gallien" - H.Sch.) weder Wein noch Öl." - das schreibt Diodor  (1. Hälfte erstes vorchristliches Jahrhundert) in Buch V seiner Universalgeschichte, Kapitel 26 ("Über Klima und Trunksucht bei den Galliern", Übersetzung von Julius Friedrich Wurm 1831). Und bei Tacitus heißt es um das Jahr 100 nach Christus über "Britannien": "Solum praeter oleam vitemque et cetera calidioribus terris oriri sueta patiens frugum pecudumque fecundum: tarde mitescunt, cito proveniunt; eademque utriusque rei causa, multus umor terrarum caelique." ("Abgesehen von Oliven und Weintrauben und anderen Früchten wärmerer Regionen ist die Erde brauchbar für Landwirtschaft und Viehzucht: Die Ernten reifen langsam, aber ergiebig. Der Grund für beides ist reichlich Feuchtigkeit in der Erde und in der Luft.") - "De vita et moribus Iulii Agricolae", Kapitel 12,5. Frost sei indes in Britannien kein Problem, schrieb Tacitus auch. Im 3. nachristlichen Jahrhundert führten die Römer dann im Zuge des römerzeitlichen Klimaoptimums den Weinbau in Britannien ein. Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahrhunderten hatten sich offensichtlich die Klimabedingungen erheblich verändert!

"Une production d'huile en Belgique et en Germanie?", fragt der französische Archäologe Jean-Pierre Brun vorsichtig in seinem dem Wein- und Olivenanbau in "Gallien" gewidmeten Werk "Archéologie du vin et de l'huile en Gaule romaine" 2005. Er stützt sich dabei auf Funde von lokal produzierten Ölamphoren. Brun vertieft das Thema dann nicht in Richtung Olivenöl, sondern begnügt sich mit einem Hinweis auf Nussöl. Zu dünn sei die Faktenlage vorläufig noch, differenzierte chromatographische Untersuchungen der gefundenen Ölamphoren auf breiter Basis seien noch durchzuführen, so der Autor.

Bei einer Reise in die Eifel entdecke ich im August 2014 das "Kalendergedicht" des Wandalbert von Prüm (vermutete Lebenszeit 813-870). Er empfiehlt darin für eben den Monat August: "Setzt zu den schmackhaften Weinen die liebliche Feige und Pflaume". Der Kontext mit Erntebildern ("pflückt man vom Baum das reif gewordene Obst") legt es nahe, dass Feigen auch in seinem unmittelbaren Erfahrungsbereich im Kloster Prüm bzw. in den zugehörigen Weinbergen an Ahr, Mosel und Rhein gediehen. Natürlich ist einzubeziehen, dass sein Kalendergedicht auch antike Vorbilder hatte. Er publizierte in klösterlich-gelehrter Bildungstradition, was bedeutet, das literarische Quellen den gleichen Stellenwert hatten wie eigene Erfahrungen. Dies gilt auch für die bildlichen Darstellungen. Im Textteil finden sich jedoch deutliche Hinweise auf die eigene Lebenswelt Wandalberts. So schreibt er etwa von der "Jagdlust" der Franken und von der Schweinemast im herbstlich-frühwinterlichen Wald, von Frost und Schnee im Winter - was er gewiss nicht von lateinischen Vorlagen übernommen hatte. Eine weitere Bestätigung dafür, dass das anhebende mittelalterliche Klimaoptimum im Bodensee-Oberrhein-Mittelrhein-Bereich sich auch im Kulturpflanzenspektrum widerspiegelte, findet sich etwa zeitgleich bei Walahfrid Strabo (808/09-849), Abt auf der Reichenau, in dessen Schrift "De cultura hortorum". Er nennt in seiner musterbildenden Schrift Wermut, Fenchel und Melone.

Auch andere Zeugnisse lassen vermuten, dass im Mittelalter Olivenbäume an Rhein und Mosel gestanden haben könnten. In den "Annales Colonienses maximi" findet sich zum Winter 1232/33: "Eodem anno hyems solito asperior inhorruit et multas vineas, ficus et olivas per Italiam, Franciam et Teutoniam congelavit." Sind zu "Teutoniam" nur "vineas" gemeint oder auch "ficus et olivas"? Und in der Korrespondenz zwischen Martin Luther und seiner Anhängerin Elisabeth von Calenberg ist zu lesen, dass Luther in den Jahren um 1540 Maulbeer- und Feigenpflanzen von Wittenberg nach Münden schickte. In Münden gibt es noch einen "Maulbeerweg", der an die Bäume Luthers erinnern könnte. Allzu eng dürfen wir also die "kleine Eiszeit", deren Beginn auf die Jahre um 1250 angesetzt wird, nicht verstehen, es gab offensichtlich geographisch und zeitlich ein erhebliches Differenzspektrum. Der Sommer 1540 ("Jahrtausendsommer") wird als außergewöhnlich heiß und der nachfolgende Winter als äußerst mild (Badewetter an Weihnachten) in Deutschland geschildert. In Würzburg haben die Hofkellermeister einen Wein produziert, der über Jahrhunderte hinweg zum Mythos wurde.

Der Archäobotaniker Hans-Heinz Knörzer hat das "Auftreten thermophiler Pflanzen im Niederrheingebiet" untersucht und dabei einen extrem hohen Anteil an Thermophyten während der Römerzeit festgestellt (98,1% bei den Ruderalen, 100% bei den Ackerbegleitkräutern). In der Römerzeit sind 35 ausschließlich thermophyle Ackerbegleitkräuter aus dem Mittelmeergebiet in die Rheinebene eingewandert. Knörzers jüngerer Kollege Hansjörg Küster untersuchte Pflanzenspuren in Konstanz am Bodensee, die aus dem 13. bis 15. Jahrhundert stammten. Dabei stieß seine Arbeitsgruppe auf Spuren von Feigen (Ficus carica) und Granatapfel (Punica granatum). Küster führt diese Funde auf Importe zurück, da es keine Parallelbelege aus dörflichen Siedlungsbereichen gebe. Was allerdings auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass erst im 15. Jahrhundert die anspruchsvolle Gartenkultur den Bereich der Klöster verließ.


Literatur:

Brun, Jean-Pierre: Archéologie du vin et de l'huile en Gaule romaine, 2005
Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas, 2001
Hildegard von Bingen: Physica, Augsburg: Pattloch, 1997
Hildegard von Bingen: Im Feuer der Taube. Die Briefe, 1997
Knörzer, Karl-Heinz: Das Auftreten thermophiler Pflanzen im Niederrheingebiet während des Postglazials, 1989
Küster, Hansjörg: Mittelalterliche Pflanzenreste aus Konstanz am Bodensee, 1989
Walahfrid Strabo: De cultura hortorum/Über den Gartenbau, Reclam 2002
Wandalbert von Prüm: Das Kalendergedicht, Auxilium-Verlag 1992