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Kulturgeschichte des Olivenanbaus: Kupferzeit in der Levante - Ägyptische Pharaonenzeit - Phönizier - Kelten, Etrusker und Illyrer - Griechische Antike - Römische Antike - Mittelalter - Conquista

Olivenkulturen einzelner Länder und Regionen: Albanien - Argentinien - China - Frankreich - Griechenland - Iran - Italien - Spanien - Südafrika - Syrien - Toskana - USA. Weitere Länder und Regionen (neue Seite).

Geschichten und Anekdoten zur Olive: Athens Gründungsmythos -  Derwischtum - Benediktinertum - Hildegard von Bingen -  Französische Revolution - Kolonie "Olivenhain" Kalifornien - DDR - Die weißen Oliven von Malta - Die kriechenden Oliven von Pantelleria - Die sprechende Olive von Seggiano - Oliven als invasive Neophyten

Oliven in der Bildenden Kunst und in der Literatur: Homers "Odyssee" - Renaissancemalerei - Du Bellays "L'Olive" - Van Gogh

Skandale und Politika: Giftölskandal - Schmutziges Gold - EU-Misswirtschaft - Olivenöl-Mafia - Sensorik-Hype und Bio-Skepsis - Konkurrenz Spanien-Italien - Palästina-Konflikt - Kurden-Konflikt

Inspirierende Olivenprojekte: Olivenöl-Kampagne - Himalaya Regionalentwicklung - Namibia "Steps for Children" - Mecklenburg-Vorpommern - Schülerprojekt

Olivenpflanzungen in Deutschland/nördlich der Alpen/Österreich: Antike - Mittelalter - Pfalz - Pulheim-Stommeln - Köln-Widdersdorf - Gangelt-Kreutzrath - Mosel - Kaiserstuhl - Ahrweiler - Stone in Oxney - Österreich

Meine Explorationsreisen: Naxos 2008 - Azienda Sperimentale di Santa Paolina und Arezzo 2009 - Pistoia 2010 - Provence 2012 - Nyons 2017 - Seggiano 2018 - Albanien 2018


KULTURGESCHICHTE DES OLIVENANBAUS
Kupferzeit in der Levante

Eines der frühesten literarischen Zeugnisse zum Olivenbaum und seiner kulturprägenden Bedeutung im Mittelmeerraum findet sich im Buch der Richter, in der Geschichte von Abimelech, der die Herrschaft in der Stadt Sichem durch mehrfachen Verwandtenmord an sich gerissen hat. In einem Gleichnis zu dieser Geschichte lehnt der Olivenbaum die Königskrone im Baumreich ab mit den Worten "Soll ich meinen Ölreichtum lassen, den Gott und die Menschen an mir preisen, und mich stattdessen über die anderen Bäume aufschwingen?" Im Buch Genesis wird berichtet, die Taube habe Noah einen Olivenzweig gebracht als Zeichen einer rettenden Küste. Es ist kaum anzunehmen, dass damit Wildolive gemeint sein konnte.

Die Region gilt als eine der ältesten Olivenanbauregionen der Welt, die älteste im Mittelmeerraum. Archäologische Funde im heutigen Jordanien, el-Khawarij, datieren aus dem 5. vorchristlichen Jahrtausend. In Israel wurde bei einer Notgrabung vor Straßenbau in En Zippori 2012 (unter zahlreichen anderen Artefakten) ein Tonkrug aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. mit Olivenölspuren gefunden. Mit der Kultur von Ebla im heutigen Nordwestsyrien ist der Olivenanbau in der zweiten Hälfte des dritten vorchristlichen Jahrtausends in der Region fest etabliert. Die Phönizier brachten von der Levante aus den Olivenbaum ins nördliche Afrika, nach Griechenland, nach Sizilien und Spanien. Wobei dies wohl in verschiedenen Bewegungen, zunächst über Handel, dann über Koloniengründungen, verlief.

Im Kulturraum der Levante führt Olivenöl ein in die Welt des Numinosen, als Salbung. Diese Bedeutung ist bis in die Gegenwart im Christentum erhalten geblieben (Krankensalbung, "Letzte Ölung"). Von großer Bedeutung ist auch Olivenöl als Lichtbringer in Öllampen und Leuchtern. Im jüdischen Kultus darf nur geweihtes Olivenöl für die Flammen der Menorah, des siebenarmigen Leuchters, verwendet werden.
Ägypten der Pharaonenzeit

Die Anfänge des Olivenanbaus in Ägypten sind noch unklar. Zwei Begründungsgeschichten bieten sich an. Zum einen könnte die Zuchtolive als Olea europaea aus dem Raum Syrien/Jordanien/Palästina nach Ägypten gekommen sein. Zum anderen ist aber auch eine afrikanische Olivenzucht denkbar, an der Olea africana (zumeist als "Olea europaea subsp. africana" bezeichnet) beteiligt war - etwa durch die Kerma-Kultur, die lange vor den Ägyptern eine Bewässerungskultur entwickelte - folgt man den Geomorphologen der Universitäten Aberystwyth, Manchester und Adelaide, die 2013 ihre Untersuchung vorlegten.

Das erste - nicht eindeutige - Zeugnis zu einem ägyptischen Olivenanbau stammt aus der Spätzeit der 12. Dynastie, aus dem 19. Jahrhundert v. Chr.,  belegt im "Thesaurus Linguae Aegyptiae". In einem Brief aus Illahun wird zur Abrechnung aufgelistet, was zum Fleischopfer des Stieres im Totentempel von Sesostris II. notwendig war, u.a. Oliven. Ein bedeutsames Bilddokument zur besonderen Wertschätzung der Olive stammt aus der Regierungszeit Echnatons, der auf einem Relief seinem bevorzugten Gott Re-Aton einen Olivenzweig reicht (oder diesen von Aton bekommt?). Im Grab seines Sohnes Tutanchamun findet sich dann ein mit Olivenblattornament verzierter Silberbecher. Olivenzweige und/oder Olivenblätter fanden sich nach Lucas/Harris ("Ancient Egyptian Materials and Industries", 1934) in verschiedenen Gräbern seit der 18. Dynastie.

Die von Erik Hornung ("Der Eine und die Vielen", 1971) herausgearbeitete "Verkürzung auf den solaren Aspekt" (S. 242) in der Götterwelt Echnatons lässt sich verbinden mit dem 200 Jahre jüngeren Olivenpreis in der Widmung an den Sonnengott Ra/Re von Ramses III. (Großer Papyrus Harris/Harris I, Tafel 27 - Übersetzung August Eisenlohr 1873):

Ich machte dir Lanstrecken von Olivenbäumen in deiner Stadt An. Ich versah sie mit Gärtnern, zahlreichen Leuten um reines, bestes Öl von Ägypten zu bereiten, um anzuzünden die Lampe in deinem prächtigen Tempel.

Ramses III. hatte für den Ra-Tempel in An/Heliopolis 2.750 Hektar Olivenhain anlegen lassen. Was er in seiner Widmung dabei ausdrücklich nennt, ist die Bedeutung von Olivenöl als Leuchtmittel. Die Verbindung Sonne-Olivenbaum ist hier augenscheinlich. Auch wenn Echnatons religiös-weltanschauliche Reform nach seinem Tod von der Amun-Priesterschaft wieder weitgehend aufgehoben wurde, hat sich seine bereits von den Vorgängern eingeleitete Licht-/Sonnenverehrung halten können, bis die Theokratie der Amunpriester in Theben die 3. Zwischenzeit einläutete. Dies lässt sich auch aus der symbolisch aufgeladenen Wertschätzung des Olivenbaums ableiten.
Phönizier

Der Beitrag der Phönizier zur Olivenkultur des Mittelmeerraumes ist unübersehbar, etwa in der tunesischen Olivenkultur, die auf der Karthagos und dann der Römer aufbaut. Es waren die Phönizier (von den Römern Punier genannt), die Karthago begründeten und das karthagische Reich wesentlich mit aufbauten.

Hauptsiedlungsgebiet der semitischen Phönizier war ursprünglich die Levante, waren das heutige Küstengebiet Syriens, des Libanon und des nördlichen Israel. Hier gründeten sie in der Zeit um 1000 v. Chr. mehrere Stadtstaaten, die lose miteinander verbunden waren und insbesondere zum gemeinsamen Handel im Mittelmeer organisatorische Bündnisse schlossen. (Quelle Abbildung: Wikipedia, gemeinfrei)

Wie eine im Februar 2019 veröffentlichte Untersuchung von Tzilla Eshel u.a. aus Israel nahe legt, galt ein zentrales Phönizische HandelsroutenHandelsinteresse der Phönizier dem Silber. Sie haben zunächst den Silberhandel mit Anatolien gepflegt und dann ab etwa 900 v. Chr. in Südspanien und auf Sardinien (v.a. Iglesiente im Südwesten) die Silbergewinnung entwickelt und handelsmäßig erschlossen. Zur Stützung ihrer Handelswege und der Silbergewinnung gründeten sie im nördlichen Afrika, im Süden der iberischen Halbinsel und auf Sardinien mehrere Siedlungen, von denen die bekannteste Karthago wurde.

Die Phönizier führten auf ihren Schiffen auch zahlreich Olivenpflanzen mit sich, nicht nur als Handelsware, sondern - zunächst vermutlich vorrangig - zur Pflanzung in ihren Siedlungen. Sie begründeten so die Olivenkulturen in Libyen (ausgehend von Leptis u.a.) und Tunesien (ausgehen von Utica - laut Velleius Paterculus bereits um 1100 v. Chr. gegündet - und Karthago). Darüber hinaus trugen sie zur Verbreitung des levantinischen Olivengenoms im gesamten Mittelmeerraum bei. Was die Begründung der Olivenkultur in Griechenland, Sizilien, Sardinien, Spanien und Marokko betrifft, lassen sich bislang noch keine verbindlichen Aussagen über von der Levante unabhängige Olivendomestikationen im Mittelmeerraum und ggf. deren Ausbreitung machen.
Kelten, Etrusker und Illyrer

Die Kelten haben in den südlichen Bereichen ihres Einflußgebietes den Olivenanbau übernommen. Inzwischen wird nicht mehr davon ausgegangen, dass sie aus Zentralasien oder Persien eingewandert sind und so den Olivenbaum mitgebracht haben könnten. Dass es im keltischen Baumhoroskop den Olivenbaum gibt, sollte nicht als Hinweis auf einen originären Bezug der Olive zur keltischen Kultur missverstanden werden. Dieses Horoskop ist lediglich eine Erfindung von Robert Graves ("Die weiße Göttin", 1948).

Zu den Etruskern kam der Olivenanbau vermutlich durch die Phönizier. Allerdings dürften später auch Pflanzen über die griechischen Kolonien in Süditalien den Weg in das etruskische Einflussgebiet gefunden haben. Im etruskischen Kernland Italiens findet sich eine der ältesten und stabilsten Olivensorten Italiens, Olivastra Seggianese bei Seggiano. Der Archäobotaniker Claudio Milanesi, der Historiker Andrea Ciacci und andere haben in einem interdisziplinären Projekt (ELEIA) die Entwicklung des Olivenanbaus bei den Etruskern untersucht - wobei sie sich auf die Region um den Monte Amiata und das Val d'Orcia konzentrierten. Über Jahrhunderte waren die Etrusker offensichtlich abhängig von griechischen Olivenöl-Importen. Im 7. vorchristlichen Jahrhundert kam es jedoch zur breiten Etablierung eines etruskischen Olivenanbaus. Die Varietät Olivastra Seggianese könnte davon noch ein botanisch-agronomisches Zeugnis sein. Von Interesse zum etruskischen Olivenanbau ist auch die Region um Canino in der Maremma, mit der gleichnamigen robusten Varietät.

Lange galt im allgemeinen Bewußtsein Griechenland, insbesondere Kreta, als Heimat der Olivenbaum-Domestikation - obgleich der Kulturwissenschaftler Victor Hehn bereits 1870 daran seine Zweifel anmeldete. Dann geriet die Levante mit spektakulären archäologischen Funden in den Fokus. Inzwischen geht man, insbesondere in der französischen Forschung, von mehreren voneinander unabhängigen Domestikationszentren aus. Dabei werden in der albanischen Forschung auch die Illyrer genannt als Kandidaten für die erste Domestikation der Olive. Als Hinweise darauf gelten insbesondere Ölbäume in der Umgebung von Tirana, deren Alter auf weit über 3000 Jahre geschätzt wird. Die albanische Volkskultur ist voller Bezüge zur Olive - allerdings fehlt es an einer überzeugenden Herleitung dieser Bezüge aus illyrischer Zeit.
Griechische Antike

Erhellendes über die Ursprünge des Olivenanbaus im Mittelmeerraum hat schon Victor Hehn 1870 geschrieben in seinem kulturgeschichtlichen Standardwerk "Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Übergang aus Asien nach Griechenland und Italien sowie das übrige Europa". Danach kam der kultivierte Olivenbaum aus "dem südlichen Vorderasien" in den Mittelmeerraum. Schon in prähistorischen Zeiten wuchsen im Mittelmeerraum und benachbart wilde Olivenbäume, wobei der Raum um Gibraltar, die Ägäis, Zypern und der Nahe Osten die Schwerpunkte bildeten. Bei Homer finden sich zahlreiche Hinweise auf den wilden Olivenbaum. Doch, so Hehn, "dass er auf griechischem Boden, in einem immerhin rauheren Klima, unter einer im Vergleich mit der semitischen noch jungen und unentwickelten Gesellschaft allmählich zur ölreicheren Olive erzogen worden, hat keine Wahrscheinlichkeit".

Der Weg aus dem vermuteten ersten Domestikationszentrum in Kleinasien nach Griechenland verlief über phönizische Handelsketten - wobei vermutlich die kretisch-minoische Kultur (die Hehn noch nicht kannte, Evans reiste erst 1894 nach Kreta) wichtiges Bindeglied war. Einige der ältesten bekannten Olivenbäume weltweit stehen auf Kreta. Berühmt ist vor allem die noch auffallend holzreiche Olive von Ano/Pano Vouves, deren Alter auf 3.500 bis 5.000 Jahre geschätzt wird. Die Problematiken der Dendrochronologie wie der Radiokarbonmethode für die Altersbestimmung von Oliven sind bekannt. Aus dem ersten Lebensjahrtausend einer auch "nur" 2.000 Jahre alten Olive sind keine Holzstruktur, geschweige Jahresringe erhalten. Aus dem Umfang einer Olive (mit im Alter zunehmend hohlem Innenraum) kann jedoch das Alter des Wurzelstocks grob abgeschätzt werden. Präzisere Auskünfte gibt unter günstigen Umständen eine aufwendige Radiocarbonanalyse (AMS) des Sediments im Innenraum.

In der griechischen Antike umfasste das Bedeutungs- und Verwendungsspektrum der Olive die Ernährung (als Frucht und Öl), die Heilkunde (Öl und Blätter), das Hauswesen (als Lichtspender in Öllampen), die Körperpflege (als Hautöl), den Sport (Öleinreibungen etwa beim Ringen, Olivenzweig als Auszeichnung) und im Kultus (Öl als Lichtspender, als Altaropfer, zur Weihe, zur Balsamierung von Toten; Zweige als Symbole für Ewigkeit, Fruchtbarkeit u.a.). Das Harz des Olivenbaums wurde als Weihrauch verwendet. Auch in der Möbel- und Bodenpflege wurde offensichtlich Olivenöl eingesetzt.
Römische Antike

Im etruskischen Siedlungsgebiet war der Olivenanbau bereits weit verbreitet, als die Römer das Gebiet eroberten und sich die Kultur der Etrusker einverleibten. Dabei waren die Römer klug genug, den Olivenanbau auch mit zu übernehmen. So konnten sie sich von den Importen aus Attika unabhängig machen. Auch von den griechischen Kolonien Süditaliens konnte das neue Reich Olivenhaine übernehmen. Allerdings lagen die Schwerpunkte des römischen Olivenanbaus bald in den mit Karthago eroberten afrikanischen und spanischen Provinzen, die bessere Erträge brachten.

Im etablierten römischen Reich wurde der Olivenbaum verbreitet, wo immer er gedeihen konnte. Allerdings sorgte das ausgeklügelte Transport- und Handelssystem dafür, dass tunesisches und spanisches Olivenöl reicher Großgrundbesitzer keine ernsthafte Konkurrenz durch lokalen Anbau bekam. Die Olivenölabfüller in Italien knüpfen aktuell an diese Tradition des römischen Reiches an: Bei einer Untersuchung 2011 stammten 80% des "italienischen" Olivenöls der Kategorie "Extra Vergine" aus Tunesien, Spanien und Griechenland.

Es ist anzunehmen, dass selbst in den Rheinprovinzen zumindest einige solitäre Olivenbäume gepflanzt wurden, vielleicht auch ganze Haine. Allerdings war die Anlage von Olivenhainen im Römischen Reich nicht meldepflichtig wie die Anlage von Weinbergen, weshalb die Quellenlage wenig aussagekräftig ist.

Genutzt wurde das Olivenöl im römischen Reich zu Speisezwecken, für Lampen, als Heilmittel, im Kultus und in der Körperpflege (Massage). Die symbolische Wertigkeit des Olivenbaumes wird etwa daran deutlich, dass die Göttin Minerva, Schutzgöttin Roms und vermutlich etruskischen Ursprungs, ab dem 3. vorchristlichen Jahrhundert Schutzgöttin des Olivenbaums wurde - schriftlich belegt ist dies allerdings erstmals durch Marcus Terentius Varro im 1. vorchristlichen Jahrhundert.
Mittelalter

Die Kälteperiode des frühen Mittelalters bedeutete für den Olivenanbau im nördlichen Mittelmeerraum eine deutliche Zäsur. In Frankreich sowie in weiten Teilen Italiens und Griechenlands erlosch der Anbau - was sicherlich auch unterstützt wurde durch die Auflösung des römischen Reiches. Offensichtlich haben die Benediktiner ab dem 6. Jahrhundert wesentlich dazu beigetragen, das Wissen um den Olivenanbau und residuale Olivenbestände über diese Periode hinweg im nördlichen Italien und in Südfrankreich zu erhalten.

Genaue Daten über den Olivenanbau im Mittelalter liegen kaum vor, da die Erforschung der materiellen Kultur des Mittelalters stark zersplittert ist und sich weniger auf Landwirtschaft und Kulturpflanzengebrauch, mehr auf Essen und Marktangebote richtet. Zum Gartenbau gibt es aus dem klösterlichen Kontext Angaben, die auf die Verbreitung wärmeliebender Pflanzen auch nördlich der Alpen verweisen - etwa bei Wandalbert von Prüm und Walahfrid Strabo. Allerdings stehen diese Autoren in innerliterarischen Traditionslinien, die es oft unmöglich machen, zu entscheiden, wo sie auf eigene Erfahrungen vor Ort, wo auf Literaturvorbilder zurückgreifen.

Im 10. und 11. Jahrhundert kam es mit der Klimaerwärmung zu einer Renaissance des Olivenanbaus in nördlichen Mittelmeerregionen, die wesentlich von Benediktinern vorangetrieben wurde, etwa ab 1050 in Ligurien durch die Mönche von Sestri Ponente/Genua, im Piemont durch die Mönche von San Dalmazzo da Pedona bei Cuneo. Im Gefolge dieser Renaissance ist vermutlich auch Hildegard von Bingen auf den Olivenbaum als Heilpflanze aufmerksam geworden. Vorläufig kann über eine Präsenz des Olivenbaums auch in ihren Klöstern am Rhein allerdings nur spekuliert werden. Der Bereich des Hildegardschen Klosters Rupertsberg steht durch die Anlage einer Bahntrasse für die Nahetal-Eisenbahn nicht mehr für Bodenuntersuchungen zur Verfügung. Kloster Eibingen (jetzt Pfarrkirche St. Hildegard) dürfte im Laufe seiner komplexen Baugeschichte gleichfalls relevante botanische Bodenzeugnisse - so es sie gab - verloren haben.

In Südfrankreich, Norditalien, an der dalmatinischen Küste und im nördlichen Griechenland konnte sich der Olivenanbau wieder langfristig etablieren, bis es mit der Kleinen Eiszeit ab 1300 erneut kühler wurde in der nördlichen Hemisphäre, was allerdings nicht zu einem vergleichbar dramatischen Einbruch führte wie in der frühmittelalterlichen Kälteperiode. Noch um 1540 schickte Martin Luther Maulbeer- und Feigenpflanzen von Wittenberg nach Münden, zu seiner Anhängerin Elisabeth von Calenberg.
Conquista

Die spanischen Conquistatoren waren begleitet von Franziskaner, Dominikanern und Jesuiten, die Olivenpflanzen nach Süd- und Mittelamerika brachten. Die erste Pflanzung in Mexiko wird auf den Franziskaner Martin de Valencia (1474 - 1534) zurückgeführt, der mit seinen Gefährten 1524 die Mission "Zwölf Apostel" in Mexiko begründete (1553 folgten die "Doce apostoles" in Peru). Von seinen Bäumen stehen heute noch welche in der Nähe von Mexico City. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts ließ der Jesuit Eusebio Francisco Kino (vulgo Eusebius Franz Kühn aus Südtirol, 1645-1711, Missionar, Astronom, Kartograph, Agronom) Olivenhaine im Nordwesten Mexikos anlegen, aus denen vermutlich die heute in Kalifornien noch verbreitete Varietät "Mission" hervorging, die sowohl als Tafel- wie als Ölolive geeignet ist. Die Olivenproduktion in Mexiko entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten so massiv, dass der spanische König Carlos III. 1774 weitere Pflanzungen untersagte - um den spanischen Export in seine Kolonien nicht zu schädigen. Das Konkurrenzverhältnis blieb jedoch bestehen und 1777 ordnete Carlos III. die Zerstörung aller mexikanischen Olivenhaine an. Bei den Klöstern und Kirchen konnten die Mönche und Kleriker einige erhalten mit dem Argument, ihr Öl werde für kirchliche Zwecke benötigt. Einen davon, den berühmten Baum des Erzbischofs von Tacubaya, bewunderte Humboldt bei seinem Besuch in Mexiko 1804.

1530 kamen einige Dominikaner und Franziskaner nach Peru, mit dem Conquistador Belalcázar. Darunter der Franziskaner Marcos de Niza (1495-1558), Augenzeuge der Zerstörung des Inka-Reiches. Olivenbäume brachten er und seine Gefährten offenkundig nicht mit. Erst der Konquistador Don Antonio de Ribera, verwandtschaftlich verbunden mit Pizzaro, Prokurator Perus, reich geworden durch Inka-Gold, machte sich 1560 mit etwa 100 Olivensetzlinge an Bord auf den Weg nach Peru. Allerdings überlebten nur drei die lange Reise. Eine der Pflanzen wurde dann auch noch gestohlen und einer Legende zufolge nach Chile verbracht, wo sie die Olivenhaine von Valparaiso hervorgebracht habe. Zu Tisch bei Don Ribera wurden die eigenen Oliven den Gästen vorgezählt, je nach Ernte 1-3 Exemplare. Nach Argentinien und Chile kamen Olivenpflanzen in dieser Zeit nur sekundär, ausgehend von Peru. 1637 pflanzte der in Peru geborene Dominikaner San Martín de Porres einer Überlieferung zufolge Oliven bei Lima, im heutigen Distrikt San Isidro.

Der Vizekönig von Peru 1667-1672, Pedro Fernández de Castro, ließ Olivenhaine in Peru, Chile und Argentinien zerstören, um den Olivenbauern Andalusiens keine Konkurrenz zu ziehen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen vor allem durch Franziskaner Oliven (erneut) nach Peru. Und möglicherweise liegt hier schon der Ursprung der Varietät "Mission", falls es richtig ist, dass die mexikanischen Oliven des Eusebio Francisco Kino von Peru kamen - woran es begründete Zweifel gibt, da die Pflanzungen mit geringem zeitlichen Abstand stattfanden.

Aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Olivenhain im Distrikt San Isidro, etwa sechs Kilometer vom historischen Zentrum Limas entfernt, überliefert mit 2000 Olivenbäumen. Und im Jahr 1821, dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung Perus, ist dieser Bestand auf 3.000 Olivenbäume angewachsen. 1959, inzwischen schon umwuchert von den Neubaugebieten Limas, wurde der Hain, als "Parque El Olivar", zum Nationaldenkmal erklärt. Dieser Bestand wird auf San Martín de Porres zurückgeführt. Andere sehen in ihm die Folge von Pflanzungen de Riberas. Eine wissenschaftliche Altersuntersuchung erbrachte für einen der Bäume ein Alter von ca. 374 Jahren. Ein Baum auf der Hacienda Glorieta Grande (Familie Tokunaga) im Süden Perus, Provinz Moquega, wird auf 368 Jahre geschätzt.

Der Olivenbaum wurde offensichtlich als ein wesentliches Symbol der spanisch-christlichen Kultur gezielt sowohl von den Missionaren als auch von den Grundherren und Siedlern auf den "Encomiendas", "Reducciónes" und "Haciendas" angebaut. Olivenöl diente im religiösen Ritus der Mission als Lichtquelle und zur Salbung - und es wurde von den Indios wegen seiner rußarmen Leuchtkraft in den spanischen Öllampen besonders verehrt.

Lektüreempfehlungen:

Johannes Meier (Hrsg.), Sendung- Eroberung - Begegnung. Franz Xaver, die Gesellschaft Jesu und die katholische Weltkirche im Zeitalter des Barock, Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2005

Robert Ricard, La conquête spirituelle du Mexique, Paris 1933


OLIVENKULTUREN EINZELNER LÄNDER UND REGIONEN
Albanien

Die Isolation Albaniens während der landwirtschaftlichen Modernisierung in Europa nach dem zweiten Weltkrieg führte zu einem bemerkenswerten Ergebnis für die Olivenkultur: Nirgendwo sonst in Europa gibt es eine vergleichbare Dichte tausendjähriger Olivenbäume und mit diesen verwandter jüngerer Bäume - auch wenn es in der Zeit des 2. Weltkrieges und in den 1990er Umbruchjahren zu massiven Olivenzerstörungen kam. Interessant ist diesbezüglich auch der wesentlich kleinere Nachbar Montenegro, der seinen überschaubaren Bestand gut dokumentiert hat und pflegt.

Diese glückliche Situation bietet vorzügliche Grundlagen für Untersuchungen zu den genetischen Abstammungslinien europäischer Olivensorten. Eine bemerkenswerte Arbeit von Biljana Lazovic an der Universität Bar (Montenegro) hat bereits zwei stark differierende Abstammungslinien von Olivenbäumen der Region festgestellt, die bis in die Antike zurückreichen, vertreten durch die Sorten "Stara Maslina" und "Zutica". Vergleichbare Untersuchungen werden von Hairi Ismaili an der Landwirtschaftlichen Universität Tirana durchgeführt. Er forscht unter anderem zur Frage, welchen Beitrag der illyrische Kulturraum zur Olivendomestikation geleistet habe. Das Gebiet des heutigen Albanien war für die phönizischen Handelsflotten ein wichtiges Absprungbrett von der griechischen Küste nach Süditalien. Hier könnten sich schon früh Oliven levantinischen Ursprungs mit solchen, die aus der vermuteten Herkunftsregion der Illyrer aus dem Raum zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer stammten, überkreuzt haben. Die albanische Hauptsorte Kaninjot wird auch in Mazedonien angebaut, genetische Untersuchungen dort könnten künftig auch weitere Aufschlüsse zu den Ursprüngen der albanischen Olivenkultur geben.

Belul Gixhari, Hairi Ismaili und andere Mitarbeiter der Landwirtschaftsuniversität Tirana führen in ihrem Konferenzpapier "Olive in the story and art in Albania" von 2014 den Olivenanbau in Albanien auf phönizische Pflanzeneinfuhren zurück. Die ältesten albanischen Olivenbäume schätzen sie auf ca. 3.000 Jahre, der Anteil an über tausendjährigen Bäumen wird auf 10% (Stand 2013) veranschlagt. In "The origin of the olive in Albania" referieren Gixhari und Ismaili auch die These, dass die Illyrer es waren, die erstmals Oliven kultivierten. Ismaili veröffentlicht Anfang 2018 auf Researchgate ein Papier, das 28 Olivenbäume im Umland von Tirana identifiziert, deren Alter zwischen 1.250 und 3.800 Jahren angesetzt wird.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,099 Mio Tonnen.
Argentinien

Argentinien ist in vielerlei Hinsichten interessant für die Olivenkultur. Hier vermischten sich schon in spanischer Kolonialzeit Pflanzen unterschiedlicher Herkünfte, solche, die unmittelbar aus Spanien kam mit solchen, die bereits in Peru und Chile Adaptionsprozesse durchlaufen hatten. Dabei entstand eine Tafelolivensorte, die als autochthon argentinisch gilt, der Arauco. In der Olea Database wird zu "Genetic origin" vermerkt: "Unknown". In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermischten sich die alten aus Spanien eingeführten Olivensorten und ihre Abkömmlinge mit neuen "Einwanderern" aus Italien und Spanien.

Die ersten Olivenpflanzungen in Argentinien fanden den Überlieferungen zufolge 1553 mit Material aus Peru statt, bei der Gründung der Stadt Santiago del Estero durch Francisco de Aguirre de Meneses (1508-1581), der zunächst mit ein paar Reitern und Fußvolk an der Eroberung Perus, dann Boliviens, dann Chiles teilgenommen hatte und als besonders brutal im Umgang mit der Indiobevölkerung galt. Er war zunächst Vizegouverneur, dann ab 1563 Gouverneur der heutigen Provinz Tucumán in Argentinien. Heute steht in einer südlichen Nachbarprovinz von Tucumán, La Rioja, der berühmteste Olivenbaum Argentiniens, in Aimogasta/Arauco, "El olivo viejo". Der Legende nach überlebte er durch die List einer alten Frau die Olivenhainzerstörung unter dem Vizekönig von Peru Pedro Fernández de Castro (Amtszeit 1667-1672).

De Castro war es nicht gelungen, den Olivenanbau in der Region völlig zu stoppen, in der Folge entwickelte sich in Argentinien die autochthone Sorte Arauco und aus dem 18. Jahrhundert sind die ersten Olivenmühlen überliefert. Im 19. Jahrhundert kam es durch Einwanderer aus Spanien und Italien zu einem Aufschwung im argentinischen Olivenanbau, mit Sorten aus diesen Ländern. Allerdings konnte Spanien den Olivenmarkt weiterhin dominieren. 1932 wurde ein Gesetz zur Förderung des argentinischen Olivenanbaus verabschiedet, verbunden mit hohen Zöllen für spanische Olivenprodukte. 1954 wurde dann regierungsamtlich die Parole ausgegeben "Haga patria, plante un olivo", "Schaffe Heimat, pflanze einen Olivenbaum".

In den 1960er Jahren wurden dann ca. 50% der argentinischen Olivenhaine gerodet, um dem Weinbau Platz zu machen. Doch während es im Weinhandel finanziell auf und ab ging, entwickelten sich die Preise für Olivenöle bald sehr vorteilhaft, so dass es in den 1990er Jahren wieder zu Neupflanzungen kam.

Argentinien steht heute an der Spitze unter den amerikanischen Ländern im Tafelolivenanbau, mit 95.000 Tonnen 2017, gefolgt von Peru mit 71.000 Tonnen. Auch in der Olivenölproduktion steht Argentinien in den Amerikas an der Spitze, weltweit 2014 an 10. Stelle mit 28.100 Tonnen, Chile weltweit an 16. Stelle mit 15.600 Tonnen, gefolgt von den USA mit 12.000 Tonnen. Große Anstrengungen zum Aufbau einer Olivenölindustrie unternimmt auch der kleine Nachbar Uruguay - wobei vor allem auf Qualität gesetzt wird. Die Produktionsmenge betrug 2012 allerdings nur bescheidene 500 Tonnen, bis 2017 wurde eine Verdoppelung erreicht. Peru möchte seine Olivenölproduktion auch steigern, wie Pressemitteilungen der "Asociación Pro Olivo" von 2017 nahelegen.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,175 Mio Tonnen.
China

Die erste im "Chinese Text Project" dokumentierte Nennung eines Olivenbaums ("Gan Lan Shu") stammt aus einem kurzen Textfragment von 554 n. Christus zum Verhältnis der chinesischen Dynastien untereinander. Wir dürfen allerdings nicht sicher sein, dass damit Olea europaea gemeint ist. Es könnte sich auch um Canarium album handeln, im Chinesischen mit den gleichen Schriftzeichen benannt. Die chinesischen Schriftzeichen "Gan3" und "Lan3" stehen im heutigen Chinesisch für die Form der Frucht, so heißt Rugby auf Chinesisch "Gan3 Lan3 Qiu2" - "Olivenball(spiel)". Etymologisch haben beide Zeichen einen Bezug zum Zeichen für Baum. Dass die Textstelle von "Südwärts" (Nán Xiàng) spricht, deutet stark auf Canarium album hin, da im ehemaligen Herrschaftsgebiet der südlichen Liang-Dynastie (502-557) noch heute ein Hauptanbaugebiet dieser Frucht liegt.

Im Roman "Die Reise in den Westen", vor 1592 (Datierung der ältesten erhaltenen Ausgabe) erstmals erschienen, wird in der vom "Chinese Text Project" verwendeten Ausgabe (die nicht der Ausgabe Xiyou Zhengdaoshu entspricht, die der neuesten deutschen Übersetzung 2016 zugrunde liegt) die Olive gemeinsam mit Apfel, Lotus und Trauben genannt, im 82. Kapitel, 11. Abschnitt, in der Beschreibung eines Mahls im Pavillon einer Dämonin, sowie im 100. Kapitel, 9. Abschnitt,  zwischen Melone, Apfel und Lotus in der Beschreibung eines kaiserlichen Banketts in Chang'an (damalige Provinz Shanxi, heute Hebei). Auch hier bleibt unklar, welche Frucht gemeint ist, die von Olea europaea oder die von Canarium album.

Das jüngste Dokument der chinesischen Kulturgeschichte zu "Gan Lan Shu" (Olivenbaum) ist das äußerst beliebte gleichnamige Lied der Chinesisch-Taiwanesischen Autorin Chen Ping (1943-1991), die auch bekannt ist unter den Künsternamen San Mao/Drei Haare und Echo. Cheng Ping studierte in Spanien und in Deutschland Philosophie, Sprachen und Literatur, lebte insgesamt etwa 12 Jahre in Europa (u.a. auf den Kanarischen Inseln) und den USA, war verheiratet mit einem Spanier, der 1979 beim Tauchen ertrank. Der Olivenbaum, zweifellos Olea europaea, ist ein Sehnsuchtssymbol in ihrem Lied, das von unterschiedlichen Interpretinnen in China vorgetragen wird, besonders spektakulär 2013 beim "Super Girl"-Wettbewerb (der etwa dem britischen Format "Pop Idol" bzw. dem deutschen Format DSDS entspricht).

Für China sind im 20. Jahrhundert die Olivensorten "Nikitskaja", in den Provinzen Hubei, Jiangsu, Shaanxi, Sichuan und Yunnan, sowie "Krimskaja" in Jiangsu, Shaanxi und Sichuan belegt. Sie dürften in der Sowjetzeit von der Krim nach China gelangt sein. Dazu die Sorte "Kalinjot" ("Kalin", "Kanine"), die 1964 und/oder 1970 aus Albanien nach China kam, dokumentiert in Hubei, Shaanxi, Sichuan und Yunnan, ferner aus Albanien "Kallmet" (Sichuan) und "Pulazeqin" (Hubei, Sichuan). Auffallend ist auch der Anbau der froststabilen französischen "double use" Sorte "Grossane". Daneben finden sich weitere europäische Varietäten in China, so Leccino in Yunnan. In chinesischen Kollektionen werden jedoch auch im Westen unbekannte Varietäten geführt, teilweise mit der Herkunftsangabe "China", so "Baohai"/"Hanzhong", "Chengdu" (Ascolana Tenera Klon), "Gioufong" (sowjetischen Ursprungs), "Haiko".

Besonders interessant an Chinas Olivenanbau ist der Anbau in sehr unterschiedlichen Regionen, zumeist fernab aller Meere, unter unterschiedlichen klimatischen Gegebenheiten. Offenkundig unternimmt das Landwirtschaftsministerium gegenwärtig (Stand 2017) massive Anstrengungen, den Olivenanbau zu fördern - als Maßnahme zur Entwicklung des ländlichen Raums, zur Bekämpfung der Versteppung sowie zur Befriedigung des wachsenden einheimischen Bedarfs an Olivenöl. In zehn bis zwanzig Jahren könnte China durchaus zu einem ernsthaften Konkurrenten für europäische Produzenten werden, insbesondere für seinen bisherigen Hauptlieferanten Spanien.

Mit einer Produktionsmenge von 5.000 Tonnen Olivenöl aus 25 Mühlen liegt China 2015 allerdings bislang lediglich etwa gleichauf mit Frankreich - bei einer siebzehneinhalbfach größeren Landfläche (bezogen auf Frankreich ohne Überseegebiete), geeigneteren Klimazonen und einem breiteren Sortenspektrum. Das Aufholpotential ist enorm.
Frankreich

Die jüngere Geschichte des Olivenanbaus in Südfrankreich beginnt mit der Klimaerwärmung im Mittelalter und dem Engagement benediktinischer Klöster im 11. Jahrhundert, im südlichen Burgund. Wie weit westlich davon auch ein Olivenanbau in dieser Zeit einsetzte, ist mir nicht bekannt.

In der kleinen Eiszeit, die mit dem 15. Jahrhundert beginnt, verschwindet dieser Olivenanbau wieder. Einen Neustart gibt es im 18. Jahrhundert. Doch regelmäßige Frostereignisse verhindern die Entwicklung von Olivenhainen mit alten Beständen. Der Olivenanbau in Frankreich ist geprägt durch eine niedrigstämmige Vasenerziehung, wie sie etwa die Olivenbilder van Goghs zeigen. Van GoghGekennzeichnet auch durch die sogenannte "Plantation en butte", eine leicht erhöhte Pflanzung, häufig unterstützt noch durch Anschüttungen. Diese Pflanzungsform wird heute begründet damit, dass die Wurzeln so in niederschlagsreichem Klima vor Fäulnis bewahrt werden.

Der Extremfrost im Februar 1956 brachte dann erneut eine Zäsur für den französischen Olivenanbau. Dazu beigetragen haben allerdings neben dem Frost auch wirtschaftliche und agrarpolitische Gründe. Innerhalb Europas machte ein französischer Olivenanbau ökonomisch keinen Sinn, die EU-Agrarpolitik förderte daher die Umstellung von Oliven auf Kirschen. Da zudem die Kunden überwiegend nicht bereit waren, für französisches Olivenöl einen Preis zu bezahlen, der weit über den Angeboten aus Spanien und selbst Italien lag, konnte sich der Olivenanbau nur in kleinen Nischen halten, etwa bei Nyons, mit einem hohen Anteil an Tafeloliven.

Mit Veränderungen im Kundenverhalten, etwa einem neuen Interesse an lokalen Produkten, und der klimatischen Entwicklung, die in Südfrankreich zu besonders starken Erwärmungen (im europäischen Vergleich) führt, wird der Olivenanbau in Frankreich seit der Jahrtausendwende erneut zu einem breiter aufgestellten Thema. Allerdings häufen sich auch schon wieder (Stand Ende 2017) Krisenberichte zu Nachwuchsproblemen bei den Olivenanbauern, Olivenfliegen und erfrorenen Blüten.

Frankreich trägt zur Olivenkultur wichtige Erfahrungen mit dem Olivenanbau unter frostigen und feuchten Grenzbedingungen bei. Die Sorte Aglandaou verweist auf die Züchtung froststabiler Sorten auf der Krim im 19. Jahrhundert (Sorte "Nikitskaja"), die "Plantation en butte" ist ein eigenständiger französischer Beitrag zur Adaption des Olivenanbaus an klimatisch schwierige Rahmenbedingungen.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,023 Mio Tonnen.
Griechenland

Auf Santorin wurden versteinerte Olivenblätter (Wildoliven) gefunden, die 50.-60.000 Jahre alt sind. Sie sind im Olivenmuseum Sparta zu sehen. Allerdings ist Holzkohle von Wildoliven bereits in menschlichen Feuerplätzen mit einem Alter von ca. 790.000 Jahren dokumentiert, in Israel, durch Forscher der Bar-Ilan Universität (nebenbei zugleich die erste Evidenz für menschlichen Feuergebrauch).

Nach Griechenland kam der Kulturolivenanbau vermutlich aus dem Nahen Osten, über die Vermittlung phönizischer Händler und Siedler. Genaue Daten lassen sich bislang nicht nennen, aber auf Kreta gab es Olivenanbau bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend, im Kontext der kretisch-minoischen Kultur. Es gibt auch Spekulationen, dass auf Kreta autochthon die KultiAmphore aus Vulici,
              ca. 520 vor Christusvierung der Wildolive bereits im 4. vorchristlichen Jahrtausend stattfand. Einer der ältesten bekannten Olivenbäume der Welt steht auf Kreta, in der Nähe von Kolymvari, und soll etwa 5000 Jahre alt sein. Mit Carbonanalyse nachgewiesene 3500 Jahre hat der Olivenbaum von Vouves auf dem Buckel. Beide befinden sich im äußersten Nordwesten der Insel. Im Palast von Knossos wurden schriftliche Aufzeichnungen zum Olivenanbau aus dem 14. vorchristlichen Jahrhundert gefunden.

Eventuell schon mit der mykenischen Kultur, spätestens aber im Kontext der phönizischen Blütezeit zwischen 1.200 und 900 v.Chr. etablierte sich der Olivenanbau auf dem griechischen Festland. Wie Herodot überliefert, gab es bei einem Tempel auf der Akropolis einen Brunnen mit Meerwasser und einen Ölbaum. Einer Legende zufolge seien dies Gaben der Göttin Athene und des Gottes Poseidon, die sich um die Herrschaft über Attika stritten.

Für die griechische Olivenkultur charakteristisch ist die Verbindung mit Ziegen. Olivenhaine wurden in der Regel mit Ziegen beweidet, was zur Folge hatte, dass es zwangsläufig zu einer Stamm"erziehung" kam, da die Ziegen regelmäßig die unteren Zweige abweideten. Noch heute sind in alten Olivenhaine gelegentlich verrostete Eisengitter in den Bäumen zu finden, die in jüngerer Zeit verhindern sollten, dass Ziegen in den Baum zum Weiden steigen. Der damit "typische" griechische (und auch etruskische?) Hochstamm ist sehr schön auf einer Amphore aus Vulci, ca. 520 v. Chr., British Museum London, zu sehen, wo mit langen Stangen gerade Oliven herabgeschlagen werden zur Ernte. Es gibt allerdings gelegentlich auch die Auffassung, Oliven hätten als Abwehr gegen Pflanzenfresser die Buschform entwickelt.

Griechische Olivenhaine hatten immer wieder unter Frostereignissen zu leiden, davon berichtet Giovanni Presta 1794 in "Degli ulivi", wo er über Griechenland als Olivenanbauland schreibt: "ha l'inverno siccome l'ha la Germania". Aus jüngerer Zeit sind die für viele griechische Olivenhaine fatalen Frostereignisse von 1956 und 2001 überliefert. Allerdings sind die griechischen Olivenhaine in der Regel weniger anfällig gegen Krankheiten und leiden seltener unter Trockenheit als etwa italienische oder spanische.

Griechenland hat lange versäumt, sein Olivenöl selbst international zu vermarkten und stattdessen den größten Teil nach Italien ausgeführt, auf dass es dort "italianisiert" und zu "extra vergine" werde. Erst in jüngerer Zeit zeichnet sich eine Wende ab. Vor dem Hintergrund, dass Griechenland der drittgrößte Olivenproduzent in Europa ist nach Spanien und Italien, könnte dies zu spürbaren Verschiebungen auf dem Olivenölmarkt führen.

Olivenernte laut FAO 2016: 2,34 Mio Tonnen.
Iran

Persien dürfte in der Antike ein wichtiges Olivenanbauland gewesen sein, darauf deuten religiöse Hymnen aus der Zeit um Christi Geburt und andere kulturelle Zeugnisse hin. Seit dem 2. nachchristlichen Jahrhundert ist Olivenanbau in der Region Gilan (Rudbar, Tal des Sefid Rud) dokumentiert. Aus der Sassanidenzeit ist eine Legende überliefert, wonach König Schapur I. den römischen Kaiser Valerian (253-260) nach dessen Gefangennahme dazu zwang, Oliven in den zuvor von den Römern zerstörten persischen Städten zu pflanzen.

Von iranischer Seite wird gar spekuliert, ob der allgemein erste Zuchtolivenanbau nicht im heutigen altaserbaidschanischen Grenzgebiet zur Türkei stattgefunden habe. Allerdings verweist das Lehnwort "Zaytun" für Olive auf die Levante als Herkunftsort des persischen Olivenanbaus. Eine spanisch-iranische Untersuchung (Sadeghi und Caballero 2004) zu den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen iranischen und mediterranen Olivenvarietäten erbrachte zum einen eine erhebliche Varianzbreite bei den iranischen Olivensorten, zum anderen den Hinweis, dass einige der iranischen Sorten auf eine gemeinsame Herkunft mit den Mittelmeersorten verweisen, andere auf Abhängigkeit von diesen. Zudem zeigte sich - wie schon in anderen Untersuchungen - die enorme Adaptabilität von Oliven. Gruppen unterschiedlicher Sorten entwickeln am gleichen Standort offenkundig ähnliche morphologische Eigenschaften.

Die Anbaufläche umfasst heute etwa 100.000 Hektar, wobei Trockenheit die Flächen zwischen 2010 und 2015 erheblich reduzierte. Die großflächige Umstellung auf Tropfbewässerung führte zu einer Erholung. Die Hauptanbaugebiete  liegen in den südlichen Provinzen Kotschestan, Fars, Kerman, Hormozgan, Sistan-Belutschistan und den nördlichen (am Kaspischen Meer gelegenen) Provinzen Zandschan, Qazvin, Gilan und Golestan. Spezifisch iranische Olivenvarietäten konzentrieren sich in der wichtigsten Oliven-Provinz Gilan im Nordwesten, vor allem im Tal des Sefid Rud, der ins Kaspische Meer fließt. Die Hauptvarietäten sind Dakal, Dezful, Fishomi, Gelooleh, Khara, Khormazeitoon, Mari, Rowghani, Shengeh und Zard. Die Fülle autochtoner Sorten verweist darauf, dass der Iran für die Olivenkultur des 21. Jahrhunderts mehr Aufmerksamkeit verdient, insbesondere unter den Bedingungen der Klimaerwärmung.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,085 Mio Tonnen.
Italien

Die dokumentierte Geschichte des Olivenanbaus auf dem Gebiet des heutigen Italiens beginnt mit den Etruskern im mittleren Italien und den griechischen Siedlungen in Süditalien im achten vorchristlichen Jahrhundert. Die ersten Pflanzen wurden vermutlich von den Phöniziern eingeführt.

Im Römischen Reich wurde der Olivenbaum rasch zu einer der wichtigsten Wirtschaftspflanzen, mit einer Verdienstspanne, wie sie sonst nur noch der Weinbau erbrachte. Allerdings befanden sich die Hauptanbaugebiete nicht in Italien selbst, sondern in Tunesien (auch Kornkammer des römischen Reiches) und Spanien. Was die enorme Bedeutung der Punischen Kriege für die weitere Entwicklung Roms unterstreicht.

Die mittelalterliche Frostperiode reduzierte den Olivenanbau in Italien erheblich, vor allem in den nördlichen, aber auch in den mittelitalienischen Lagen. Die politischen und sozialen Wirren und Umbrüche nach dem Niedergang des Römischen Reiches trugen das ihre zum Niedergang bei. Ab dem 11. Jahrhundert kam es zu einer Renaissance des Olivenanbaus, im Norden auch mit kältebeständigeren Sorten, verbreitet durch Benediktinerklöster. Die kleine Eiszeit brachte dann einen weniger drastischen Rückgang. Offensichtlich wurden in Mittelitalien die Olivenhaine nach Kalamitäten immer wieder neu aufgebaut. Im Norden erlosch der Olivenanbau allerdings wieder. Der Winter 1984/85 brachte dann auch für den (wegen der Qualität des Öls und der landschaftsprägenden Gestalt der Haine) gerühmten Olivenanbau in der Toskana fast das Ende. Mit neuen Erziehungstechniken und Pflanzen wurde ein erfolgreicher Neubeginn gestartet. Seit Ende des 20. Jahrhunderts wird auch in Norditalien der Olivenanbau wieder intensiver betrieben.

Die Angaben zur Olivenölproduktion in Italien sind widersprüchlich. Zum einen steht Italien an zweiter Stelle unter den Olivenölproduzenten weltweit, hinter Spanien, vor Griechenland. Zum anderen wurde 2011 festgestellt, dass 80% des in Italien als italienisch vermarkteten Olivenöls der Qualität "Extra Vergine" aus Spanien, Tunesien und Griechenland stammte. Was daran liegt, dass Italien der wichtigste Olivenölvermarkter weltweit ist.

Olivenernte laut FAO 2016: 2,09 Mio Tonnen.
Spanien

Es ist noch strittig, ob es in Spanien eine autochthone Kulturolivenzüchtung aus den frühgeschichtlich präsenten Wildbeständen im Raum Gibraltar gab. Wesentlich beteiligt an der frühen Entwicklung des Olivenanbaus waren sicherlich die Phönizier, später die Römer, die großräumig Haine mit Pflanzen nicht-spanischer Herkunft anlegten zur Ölversorgung ihres Reiches.

Spanien ist heute der weltgrößte Olivenproduzent mit ca. 7,8 Millionen Tonnen im Jahr 2013 (Italien folgt auf Platz 2 mit ca. 3 Millionen Tonnen, Griechenland auf Platz 3 mit ca. 2 Mio Tonnen). Diese Zahlen nennen wohlgemerkt die Olivenernte, nicht die Ölausbeute. Für 1 Liter Olivenöl benötigt man 5-10 Kilogramm Oliven, je nach Sorte, Reifegrad der Oliven und Ölgewinnungsverfahren rsp. Qualität des erzielten Öls.

Das heutige spanische Sortenangebot mit ca. 200 Varietäten entspricht noch weitgehend dem im 15. Jahrhundert. Spanische Sorten/Selektionen zeichnen sich durch besondere Trockenheitsresistenz aus. Dennoch ist der Anbau in Spanien in den vergangenen Jahren erheblich durch Trockenstress gefährdet. So gab es 2014 eine massiv reduzierte Ernte, nachdem bereits das Jahr 2013 erhebliche Rückgänge gebracht hatte.

Die Gründe für die Ernteeinbrüche 2013 und 2014 liegen u.a. in der Ausweitung des Olivenanbaus auch in weniger geeignete Gebiete, im Anbau von ertragreichen Sorten mit hohem Wässerungsbedarf sowie in der massiven Umleitung von Wasserströmen in die Obst- und Gemüseanbaugebiete etwa in Almeria. Dazu kamen, so heißt es, ungünstige Wetterlagen mit mal zu wenigen, mal zu vielen Niederschlägen, was auch die Olivenfliege begünstigte. Wie es scheint, bedeutet die aktuelle Klimaerwärmung für Spanien tendenziell geringere Niederschläge - allerdings sind die Daten je nach Region extrem unterschiedlich.

Für die Zukunft ist in Spanien mit weiteren Ernteeinbrüchen zu rechnen. Außerdem wird die Marktsituation ungünstiger durch den Aufbau eigener Olivenölproduktionen in Ländern, die bislang in großem Umfang von Spanien beliefert wurden.

Olivenernte laut FAO 2016: 6,56 Mio Tonnen.
Südafrika

Es gibt eine Oliven-Subspezies, die Afrika im Namen trägt, Olea europaea subsp. africana - meist allerdings als Olea europaea subsp. cuspidata tituliert. In älterer Literatur begegnet sie auch als eigene Spezies Olea africana, in angelsächsischer Literatur gelegentlich auch als "African olive". Sie ist großblättrig, hat kleine Früchte, aus denen sich Öl gewinnen lässt, wächst buschförmig und kommt autochthon in Afrika, Südwestasien und Teilen Chinas (Yunnan und Sichuan) vor.

Eine Domestikation dieser Subspezies wurde bislang noch nicht nachgewiesen. Bislang wird in der Forschung nur Olea europaea subsp. europaea als Domestikationsgrundlage angenommen - was allerdings eher auf Konventionen als auf wissenschaftlichen Daten beruht. Im angelsächsischen Raum begegnet subsp. europaea auch gelegentlich als Domestikationsfolge von subsp. africana.

Der Olivenanbau in Nordafrika ist bis in die Zeit der Phönizier gut belegt. Aus anderen Teilen Afrikas gibt es (bislang) keine Daten zu einem Olivenanbau vor Beginn der Neuzeit oder gar zu einer autochthonen Olivendomestikation. Nach Südafrika kamen die ersten dokumentierten Oliven durch den Arzt und Kaufmann Jan van Riebeeck, den Begründer Kapstadts und ersten Gouverneur der niederländischen Kapkolonie. In seinem Tagebuch notiert er am 6. August 1659: "The season is also approaching for planting and grafting the olive".

1903 kam der italienische Olivenzüchter Ferdinando Costa nach Südafrika und erkannte am Gedeihen der Wildoliven an den Hängen des Tafelberges das Potenzial der Region für einen kommerziell erfolgreichen Olivenanbau. Er brachte Oliven aus Italien ins Land und vermehrte diese über Propfung auf Wildoliven als Unterlage. In der Folge baute er auch eine Olivenmühle und verbreitete den Olivenanbau auch unter anderen Farmern der Region.

In den 1990er Jahren wurde nach dem politischen Umbruch in Südafrika der Olivenanbau forciert und modernisiert. 2018 konnte Südafrika ein Drittel seines Olivenverbrauchs aus heimischer Produktion decken.
Syrien

Für viele gilt Syrien als Ursprungsort der ersten Olivenzüchtungen. Andere gehen von Anatolien (Ostanatolien/Westiran) aus, Syrien sei nur einer der ersten Nachfolger gewesen. Auch das südliche Kaukasusgebiet ist immer wieder im Gespräch als Urheimat der Zuchtolive. Und schließlich Kreta, das sich rühmt, heute die beiden ältesten Olivenbäume weltweit zu beheimaten, im Nordwesten der Insel. Die Datenlage ist jedoch höchst dürftig, bis auf weiteres darf die Frage als unentschieden gelten. Catherin Marie Breton u.a. konstatieren in ihrem Forschungsüberblick "Origin and History of the Olive" von 2012 angesichts der überwältigenden Fülle genetisch differenter Zuchformen der Olive: "About ten domestication centers may be at the origin of this diversity". In der Ausbreitung der Olivenkultur im Mittelmeerraum während der Bronzezeit spielt Syrien jedoch zweifellos eine zentrale Rolle.

Aus dem heutigen Israel, einer straßenbaubedingten Notgrabung in der Nähe von En Zippori, stammt das bislang älteste Dokument der Olivenkultur, ein Tongefäß aus dem 6. Jahrtausend v. Chr., das Spuren von Olivenöl enthielt. Es kann sich dabei allerdings auch um Öl der Wildolive handeln. Unklar ist zudem, ob das Öl am Fundplatz produziert wurde oder ob es als Handelsware nach En Zippori kam. Als Handelsware dürfte es aus dem Raum Syrien/Jordanien gekommen sein. In der kupferzeitlichen Ausgrabungsstätte el-Khawarij im jordanischen Hochland wurden bei archäologischen Erkundungen größere Mengen karbonisierter Olivenkerne aus dem 5. vorchristlichen Jahrtausend gefunden.

Am 60 Kilometer südwestlich von Aleppo gelegenen Tell Mardikh wurden dann im 3. vorchristlichen Jahrtausend gesichert in großem Stil Zuchtoliven angepflanzt. Den 1975 entdeckten Lehmtafeln von Tell Mardikh zufolge (die auf 2500-2250 v. Chr. datiert werden), besaß einer der Könige von Ebla einen Olivenhain von 1.430 Hektar. Der Olivenanbau in der Kultur von Ebla, die zwischen 2500 und 1600 - mit einer langen Unterbrechung - florierte, trug wesentlich dazu bei, Ebla die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit von Mesopotamien zu sichern. Bekannte syrische Olivensorten sind Dan, Doebli, Hemplasi, Insassy, Jlett/Jlott, Kaissy, Karamani, Khodairi/Khodeiri, Nibali/Nabaly, Qaisi, Safrawi, Sorani, Souri, Zayti/Zaity und Zor. Die syrische Olivenölindustrie hat sich lange Zeit vorrangig nach Quantität, nicht nach Qualität orientiert. Erst in den 2010er Jahren fand eine Umorientierung statt. Nachdem 2012-2015 der syrische Olivenölexport durch Umstellungsprozesse und Kriegshandlungen eingebrochen war, wurden 2016 über 20.000 Tonnen Öl exportiert, die höchste Menge seit 2006.

Im 7. Jahrhundert wurde in Syrien die Seifensiederei aus Olivenöl entwickelt, ein Industriezweig, der sich rasch entwickelte und schon im frühen Mittelalter überregional bedeutsam wurde. Noch heute genießen die Olivenseifen aus Aleppo einen legendären Ruf, wenngleich kriegsbedingt die Produktion stark zurückgegangen ist.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,899 Mio Tonnen.
Toskana

Der Name "Toskana" geht zurück auf die römische Bezeichnung für die Etrusker, "Tusci". Die heutige Toskana sowie Teile Umbriens und des Latium machten zwischen 1000 und 400 v. Chr. das Kernland der etruskischen Herrschaft aus.

Wir können davon ausgehen, dass es bereits in der mittleren Bronzezeit Olivenanbau in der Toskana gab, mit Einflüssen möglicherweise aus der mykenischen Kultur. Ob die Etrusker dann diesen Olivenanbau weitergeführt haben und/oder eigene Domestikationen entwickelten bzw. mitbrachten, darüber können wir bislang nur spekulieren. Dass die Griechen von Euboia dann einen Einfluss auf die etruskische Olivenkultur hatten, dürfen wir annehmen. Ob die Griechen den an Artefakten-Funden nachgewiesenen Handelskontakt mit der Levante vermittelten oder die Phönizier selbst auch präsent waren, wissen wir nicht. Allerdings interessierten die Etrusker sich beim Handel mit den Euboiern vor allem für Keramik und Gold, während sie die Griechen u.a. mit Eisen versorgten.

Oliven dürften in der Ernährung der Etrusker eine wichtige Rolle gespielt haben. Funde von Öllampen verweisen darauf, dass Olivenöl auch als Leuchtmittel und im religiösen Kultus verwendet wurde. Der etruskische Olivenanbau und die damit verbundene Kultur wurde dann von den Römern übernommen, als sie Etrurien ab 400 v. Chr. sukzessive eroberten oder integrierten. Der angenommen älteste Olivenbaum der Toskana steht südlich von Grosseto, am Rand der Ortschaft Magliano in einem Olivenhain. Sein Name ist "Strega di Magliano", sein Alter wird geschätzt auf 3000-3500 Jahre. Eine genetische Untersuchung seiner Verwandtschaftsbeziehungen könnte Aufschluss über die Frühgeschichte des Olivenanbaus in der Toskana geben.

In der frühmittelalterlichen Kältezeit, verbunden mit dem Niedergang des römischen Reiches, ging der Olivenanbau massiv zurück, um im Hochmittelalter unter günstigeren klimatischen Bedingungen und vorangetrieben durch benediktinische Klöster wieder einen Aufschwung zu erleben. In der kleinen Eiszeit (Höhepunkt in Italien zwischen 1645 und 1715 - "Maundner-Minimum" der Sonnenfleckenaktivität) kam es vor allem in nördlichen oder hochgelegenen Anbaugebieten zu einem erneuten Rückgang durch Frostereignisse, mit einer deutlichen Zäsur durch den extremen Frost von 1709. Die Aufklärung brachte dann die Landwirtschaft der Region auch im Bereich des Olivenanbaus erheblich voran. Maßgeblich wurde dabei das Werk des Pistoieser Agronomen Cosimo Trinci, "L'agricoltore sperimentato", erstmals erschienen 1726. Er verzeichnet auch die fatalen Frostereignisse in der Toskana bis 1709 und gibt Hinweise darauf, wie der Olivenanbau darauf angemessen reagieren könne.

Der Jahrhundertfrost vom Februar 1956 hat die Toskana nur am Rand erreicht, während er für Südfrankreich das Ende des volkswirtschaftlich relevanten Olivenanbaus bedeutete. Doch der Frost von Januar/Februar 1985 hatte dann auch für die Olivenhaine der Toskana katastrophale Folgen. 18 Millionen der 20 Millionen Olivenbäume wurden zerstört oder zumindest nachhaltig geschädigt. Unter Federführung der 1966 bei Follonica gegründeten Azienda Sperimentale "Santa Paolina" wurde ein Neuaufbau der toskanischen Olivenhaine initiiert - der allerdings nur vorwegnahm, was die EU-Landwirtschaftspolitik ohnedies in weiten Teilen Italiens, Spaniens und Griechenlands auch ohne Frostfatalitäten bewirkte: Den Ersatz von streuobstwiesenähnlichen Olivenhainen mit alten Bäumen und ausladenden Kronenbildungen durch ertragsorientierte Anlagen mit niedrigwüchsigen Jungoliven.

Stand 2020 stehen in der Toskana  wieder etwa 14 Millionen Olivenbäume auf 93.000 Hektar Anbaufläche.
USA

Die Geschichte des Olivenanbaus in den USA beginnt mit der Conquista. Es waren spanische Jesuiten der Missionsstationen in Mexiko, insbesondere Eusebio Francisco Kino, die Oliven am Ende des 17. Jahrhunderts in die Region brachten. Der Franziskanerpater Junipero Serra gründete dann mit seinen Gefährten 1767-1782 insgesamt 21 Missionsstationen in ca. 50 Kilometer Entfernung zueinander entlang dem "Camino Real", von San Diego bis San Francisco und weiter nach Sonoma. Mit diesen Gründungen kamen die ersten Oliven ins Gebiet des heutigen Kalifornien, die Sorte "Mission" begann ihren Siegeszug.

Im 19. Jahrhundert war der Olivenanbau in Kalifornien dann etabliert und 1884 plante eine Gruppe von 67 deutschsprachigen Siedlern Olivenanbau in einer Siedlung, der sie gar den Namen "Olivenhain" gaben. Die Oliven für ihr Vorhaben hatten sie nicht mitgebracht, sie sollten diese vor Ort von dem Betrüger erhalten, der ihnen auch das unfruchtbare und sehr trockene Land verkauft hatte. Aus dem Olivenanbau wurde nichts, aber der Name der Siedlung existiert bis heute und dokumentiert die Anstrengungen zwischen dem Olivenanbau im Ausgang von mexikanischen Missionen und dem modernen Olivenanbau in Kalifornien.

Im nordamerikanischen Südosten wurde der Olivenanbau verschlafen. Am 12. Januar 1813 schrieb der Olivenenthusiast und Ex-Präsident Thomas Jefferson (Zitat: "The olive tree is surely the richest gift of heaven") von seinem Landgut Monticello im Bundesstaat Virginia - wo Oliven zu seinem Bedauern nicht fruchteten - an seinen langjährigen Briefpartner in landwirtschaftlichen Dingen, den Geschäftsmann, Letterngießer und Farmer James Ronaldson in Philadelphia: "It is now 25 years since I sent them ("our Southern fellow citizens" - H.Sch.) two shipments (about 500 plants) of the olive tree of Aix, the finest olive in the world." Die "Non-chalance" der Südstaatler, deren Klima Jefferson für solche Versuche geeignet schien, habe jedoch dazu geführt, dass bestenfalls einige Oliven in Vorgärten gelandet seien, kein einziger Hain sei angelegt worden. Leider wissen wir nicht, um welche Sorte es sich handelte.

Auch heute setzt man selbst in Florida eher auf Zitrusfrüchte denn Oliven. In jüngerer Zeit gibt es allerdings breiter angelegte Versuche, den Olivenanbau dort zu etablieren. Motiviert unter anderem durch grassierende Erkrankungen in den Zitronenplantagen.

Olivenernte laut FAO 2016: 0,159 Mio Tonnen.


GESCHICHTEN ZUR OLIVE
Gründungsmythos Athens

Die kulturelle und ökonomische Bedeutung des Olivenbaums in der Geschichte des antiken Griechenlandes dokumentiert die Legende zur Namensgebung für Athen. Wie Herodot knapp berichtet, bemühten sich die Göttin Athene und der Gott Poseidon gemeinsam um die Gunst der Athener und die Herrschaft über Attika. Poseidon schenkte der Bürgerschaft einen Brunnen, aus dem Meerwasser floss. Athene stieß ihre Lanze in den Boden, aus ihr wuchs ein Olivenbaum. Beide, Brunnen und Olivenbaum, standen nach Herodot auf der Akropolis. Die Entscheidung fiel nach einer Überlieferung durch den mythischen Stadtgründer Kekrops, nach einer anderen durch einen Götterrat. Nach einer Version der Legende, die Poseidon etwas wohlwollender bedenkt, bot dieser zunächst einen Süßwasserbrunnen. Als die Athener sich jedoch gegen ihn entschieden, lieferte dieser Brunnen nur noch Salzwasser. Und nach einer ganz anderen Variante bot Poseidon das Pferd. Der Olivenbaum ist aber auch in dieser Variante die Gabe Athenas.
Derwischtum

Sieben Speisen standen Adam und Eva nach biblischer Tradition zur Verfügung, neben Oliven waren dies noch Granatäpfel, Datteln, Feigen, Weintrauben, Dinkel und Gerste. Darauf beziehen sich noch heute Ernährungsempfehlungen im Sufismus.

In der islamischen Mystik, bei den Derwischen, den "Armen" (pers. "darwisch" - der Arme) spielt die Olive eine besondere Rolle dank ihrer vielfältigen symbolischen Bezüge, etwa zum Licht über die Verwendung des Öls in Lampen. Häufig wird im Sufismus Vers 35 aus der 24. Sure zitiert. Da wird das Licht Allahs verglichen mit dem Licht einer Öllampe, deren Brennstoff "kommt von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, weder östlich noch westlich, dessen Öl beinahe schon Helligkeit verbreitet, auch wenn das Feuer es nicht berührt".

Der britische Sufi Reshad Feild (1934-2016) berichtet in der Autobiographie seiner religiösen Entwicklung, "Ich ging den Weg des Derwisch" (dt. 1977, zuvor engl. 1976), wie sein erster Lehrer, "Hamid", ihm erklärte, perfekte Oliven zuzubereiten (S. 59). Einige Seiten später wird erläutert, dass es nicht nur um ein Rezept zur Herstellung schmackhafter Speiseoliven ging, sondern um den Weg der eigenen Entwicklung, der in einer "zweiten Taufe" kulminiere, ähnlich wie der Olive zum Abschluss des "Rezeptes" ihre eigene Essenz, Olivenöl, hinzugefügt werde (S. 67).

Güneli Gün lässt ihre hungrige Heldin Hürü aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts in "Der Weg nach Bagdad" (1992) bei der Bestattung eines Derwischs zunächst zur Stärkung trockenes schimmliges Brot essen und dann den Kern einer Olive schlucken.
Benediktinertum und Olivenanbau

Benediktinische Klöster haben wesentlich dazu beigetragen, das Wissen über den Olivenanbau im südlichen Frankreich und im nördlichen Italien über die frühmittelalterliche Kältezeit hinweg zu bewahren. Die Bedeutung des Olivenöls dürfte einmal an seiner kultischen Verwendung (letzte Ölung, ewiges Licht u.a.), einmal an seiner Verwendung als Fastenspeise (tierische Fette waren verboten) gelegen haben. Ein Zweigorden der Benediktiner, die Benediktinerkongregation des Monte Oliveto (benannt mit Bezug auf Gethsemane) bei Ascona, bekannt auch als "Olivetaner", gegründet 1319, anerkannt 1344, tragen den Olivenzweig als Symbol.

Im 10. und 11. Jahrhundert erneuerten die Benediktinerklöster den Olivenanbau in den nördlichen Mittelmeerregionen. Die Quellenlage hierzu ist jedoch sehr widersprüchlich. Für die Herkunft der ligurischen Sorte Taggiasca etwa werden von der Gemeinde Taggia die Benediktiner der piemontesischen Abtei San Dalmazzo da Pedona genannt, zu deren Einflußbereich Taggia gehörte (1246 wurde ihnen der Besitz der Kirche Santa Maria del Canneto in Taggia bestätigt). Die Gemeinde Seborga spricht von Mönchen der im 5. Jahrhundert gegründeten Benediktinerabtei Lérins auf der Insel Saint-Honorat, die zuerst um die Jahrtausendwende Taggiasca-Setzlinge nach Seborga gebracht haben sollen. Eine wichtige Rolle scheinen auch die Benediktiner der Abtei Saint-André von Sestri Ponente, heute Stadtteil von Genua, gespielt zu haben. Eines ihrer Schwesterklöster war San Dalmazzo da Pedona. Das Wässern und anschließende Einlegen in Salzwasser als Zubereitungsmethode für Tafeloliven wird auch "benedictine style" genannt. Taggiasca ist in Südostfrankreich auch als Cailletier bekannt.

Das Papsttum von Benedikt XVI. (Joseph Kardinal Ratzinger) stand nach den Voraussagen des irischen Zisterzienser-Mönches und Heiligen Malachias (gestorben 1148 im Kloster Clairvaux), möglicherweise eine Fälschung vom Ende des 16. Jahrhunderts, im Zeichen der Olive, "De Gloria Olivae".

Heute ist in Frankreich vor allem das Benediktinerkloster "Abbaye Sainte-Madeleine du Barroux" nördlich der Gemeinde Le Barroux/Vaucluse am Fuß des Mont Ventoux bekannt für seine Olivenölproduktion. Es beherbergt auch eine der wenigen modernen, aktiven französischen Olivenmühlen. Gegründet wurde das Kloster erst 1970, als Reaktion auf die Einführung der neuen liturgischen Ordnungen 1968. Le Barroux war seit dem 18. Jahrhundert bekannt für den Olivenanbau, bis zum Februarfrost von 1956, der - unterstützt durch die Landwirtschaftspolitik der EU - den französischen Olivenanbau weitgehend zum Erlöschen gebracht hatte. Die Mönche von Sainte-Madeleine trugen wesentlich dazu bei, die Olivenkultur in ihrer Region neu zu beleben, mit den Sorten Tanche und Aglandaou.

Auch die Mönche vom Monte Oliveto produzieren ein anerkanntes Olivenöl eigener Produktion, aus den Sorten Frantoio, Moraiolo und Leccino.
Hildegard von Bingen

In einem enthusiastischen Brief spricht der Maulbronner Zisterziensermönch Heinrich die verehrte Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 - 1179) als "prächtigen Ölbaum" ("oliue speciose") und "kostbare() Perle" an. Der Ölbaum/Olivenbaum ist im theologischen Kontext (vor allem dann in der Bündnistheologie der Reformation) ein Sinnbild von Christus (unter Bezug auf Römer 11, 16-32). Ganz deutlich macht dies ein Mönch des Klosters Ebrach, der in einem Schreiben "(s)eine() Herrin und Mutter Hildegard" als "äußerst fruchtbaren Ölbaum Christi" anspricht. (Beide Briefe zitiert nach der Ausgabe/Übersetzung von Sr. Walburga Storch OSB.) Hildegard von Bingen war dem Olivenbaum auch konkret eng verbunden. In ihren naturkundlichen Schriften ("Physica" und "Causae et curae") behandelt sie auch die Heilkraft des Ölbaums.

In ihrer "Physica", im Buch 3, das den Bäumen und Sträuchern gewidmet ist, geht es um die äußerliche Verwendung von Olivenöl sowie Auszügen der Rinde und der Olivenblätter. Rinde und Blätter empfiehlt sie bei "Gicht" (nicht identisch mit dem heutigen Krankheitsbild) und Magenbeschwerden, Olivenöl bei Fieber, bei Kopfschmerzen, Geschwüren, Krämpfen und - wiederum - "Gicht". Zur Ernährung solle man Olivenöl nicht verwenden, da es Übelkeit bewirken könne und schwer verdaulich sei. Die Autorin dürfte vor allem ranziges Olivenöl gekannt haben.

In "Causae et curae" nennt Hildegard von Bingen Olivenöl zur äußerlichen Anwendung bei Kopfschmerzen, Maßlosigkeit, Geschwüren/Abszessen, Vergesslichkeit (Abschnitte 407 und 460), Krämpfen, Würmern, "Gicht".  Hier findet sich auch die einzige innere Anwendung von Olivenöl, im Abschnitt 421, bei Ansammlung von "schlechten und geronnenen und giftigen Säften" als Beifügung zu Salbei und leichtem Wein. Olivenöl (oder alternativ Butter) soll dabei innerlich heilen.

Wo die Autorin dabei lediglich antikes oder zeitgenössisches Schrifttum fortschreibt, wo sie auf eigene Erfahrungen mit importierten Produkten zurückgreift oder gar auf Erfahrungen mit Olivenbäumen in oder bei ihrem Kloster sich stützen kann, bleibt bislang unbestimmt. In der Hildegard-Forschung ist noch die Überzeugung anzutreffen, sie habe auch die Inhalte ihrer naturkundlichen Schriften in Visionen erhalten (vgl. Marie-Louise Portmann in der Einleitung zu ihrer Übertragung der "Physica"). Allerdings verzichtet die neuere Forschung weitgehend auf diese Annahme. So schreibt Ortrun Riha in der Einführung zu ihrer Neuübersetzung von "Causae et Curae" 2011, der "Wahrheitsgehalt" dieser Schrift liege "in der stupenden Menschenkenntnis Hildegards und in ihrer tiefen Religiosität, nicht etwa in einem wie immer gearteten Offenbarungscharakter dieser Heilkunde".

Der Olivenbaum steht in der "Physica" an 16. Position im dritten Buch. Er wird dem Mitleid zugeordnet. Vor ihm stehen Kastanienbaum, Mispel, Feigenbaum und Lorbeer, nach ihm Dattelpalme, Zitronenbaum, Zeder und Zypresse. Auch die "Exoten" unter diesen Bäumen könnten, mit Ausnahme der Dattelpalme, im mittelalterlichen Wärmeoptimum bis in den Kölner Raum verbreitet gewesen sein.
Die französische Revolution und der Olivenzweig

Bei Voltaire finden wir den Olivenzweig verschiedentlich in seiner traditionellen Bedeutung als Symbol des Friedens, so etwa in "La Henriade": "Il tenait d'une main cette olive sacrée,/Presage consolant d'une paix désirée."

Angeblich trugen die Kommissäre der französischen Revolutionsregierungen Olivenzweige in der Hand, die ihre naturrechtliche Legitimation anzeigen sollten, als Amtssymbol in Anlehnung an das Rutenbündel der römischen Verwaltung.

Die französische Revolution beseitigte alle Hoheitszeichen der Monarchie. Das 1905 neu eingeführte Hoheitszeichen Frankreichs zeigt ein Liktorenbündel, umgeben von Eichen- und Olivenzweigen mit Blättern.
Greetings from Olivenhain

Als ich nach einem Namen für meine Website suchte, fand ich im Internet eine "Colony Olivenhain" an derGrusskarte Colony Olivenhain Südwestküste der USA, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Mexiko, an der heißen und trockenen Pazifikküste. Dort hatten sich 1884 siebenundsechzig deutschsprachige Siedler niedergelassen - mit der Absicht, im südlichsten Kalifornien Oliven anzubauen. Aus dem Olivenprojekt wurde jedoch nichts, einer der Koloniegründer war ein Betrüger, Theodore Pinther, der mit schlechtem Boden, zu dessen Vorbesitzern auch ein Marcus Schiller gehört hatte, ein Vermögen machte. Es gab nicht genügend Wasser und die Kolonie löste sich nach Streitigkeiten teilweise wieder auf. Aber einige der Siedler waren ähnlich zäh wie der Olivenbaum, den sie sich zum Symbol gewählt hatten, und bald gab es sogar eine erste Schule.

Heute leben etwa 1500 Familien in Olivenhain, das nun zur Stadt Encinitas gehört, einmal jährlich wird Ende April das "Bratwurst and Beer Fest" gefeiert - zur Erinnerung an die Gründergeneration aus Deutschland. Dank moderner Bewässerung wächst inzwischen Wein in Olivenhain. Und einige Olivenbäume gibt es auch schon. Es hat damit nur ein bisschen länger gedauert, als geplant.

Ein Spezifikum der Gemeinde ist die mir sehr sympathische "Dark Sky Policy": Lichtverschmutzung wird massiv angegangen. Unlängst kämpften die Leute von Olivenhain um das Recht auf den nächtlichen Sternenhimmel gegen einen Supermarktneubau in der Nachbarschaft, der mit protzigen Illuminationen die Nacht für sich reklamieren wollte. Olivenhain gewann.
Oliven in der DDR

In seinem 2017 erschienen Roman "Silberblick" beschreibt Bernd Schirmer in weitem Rückblick die Träume junger Intellektueller in den 60er Jahren der DDR. Was Bananen und Orangen für die Mehrheit der Bevölkerung bedeuteten, waren Oliven für das Quartett Leipziger Studierender, das im Zentrum des Romans steht. Als Gründe dafür, warum sie ihrem Land "am liebsten den Rücken kehren" wollten, nennen seine Romanfiguren unter anderem "(w)eil es im Konsum keine Oliven zu kaufen gab". Auch in der materialreichen Dissertation von Margarete Meggle zur "Alltagskonstruktion in der Spätzeit der DDR" mit dem Titel "Zwischen Altbau und Platte" von 2004 erscheinen unter den Esswaren die Oliven als markantes Luxussymbol neben Lachs, Kaviar und Muscheln (S. 266).

Im zaristischen Russland gab es Importoliven aus Südfrankreich, genannt "provenzalische Oliven". In der Sowjetunion gab es dann durchaus Olivenanbau, das Produkt war grundsätzlich im eigenen Lebensmittelangebot - allerdings in sehr geringem Umfang und vorwiegend regional. Die Versorgung der Sowjetunion mit Speiseöl leistete in den 1960er Jahren die Sonnenblume - darüber gibt etwa die vom United States Department of Agriculture veröffentlichte "Midyear Review" des ERS/Economic Research Service-Foreign von 1966 Auskunft. Olivenanbau zur Ölproduktion war den sowjetischen Versorgungsplanern offenkundig zu ineffektiv. Georgien etwa, ein uraltes Olivenanbauland, war primär für die Weinproduktion vorgesehen. Einen bescheidenen Olivenanbau gab es in der Sowjetunion außer in Georgien noch auf der Krim, in der südrussischen Region Kuban, in Aserbeidschan, Tadschikistan und Turkmenistan.

Ansonsten gab es Olivenanbau im Horizont der DDR noch in den Balkanländern. Und von dort brachten einige DDR-Bürger auch mal Oliven und Olivenöl vom Urlaub mit in die Heimat. Ob diesen Produkten allerdings tatsächlich das Image eines begehrten Genussgutes anhaftete, wie Schirmers Erinnerung im "Silberblick" nahelegt, scheint mir zweifelhaft. Die Autorin Claudia Rusch weist in einem klugen Beitrag für "chrismon" vom 01.02.2008, "Essen im vereinten Deutschland", darauf hin, dass auch in der Bundesrepublik bis in die 80er Jahre hinein das Verlangen nach "Mittelmeerdiät" eher verhalten war. "Am Rhein wie auf Rügen hieß Rucola 1990 noch Rauke und war Unkraut. Hier wie dort trank man nicht literweise Wasser, verkochte kein Olivenöl und hätte bei Sambal Oelek nicht auf Anhieb sagen können, ob es sich dabei um kenianische Brustsalbe oder doch eher um eine Tröpfcheninfektion handelt."
Die weißen Oliven von Malta

Die ersten Olivenbäume auf Malta wurden von phönizischen Händlern gepflanzt. In der Römerzeit florierte dann der Olivenanbau auf Malta, im Mittelalter geriet er in den Hintergrund. Der die Insel ab 1530 dominierende Malteserorden bezog sein Olivenöl aus Sizilien und vom italienischen Festland. Dabei hatte Malta eine Olivensorte zu bieten, die sich durch einen extrem hellen, fast elfenbeinfarbenen Grünton auszeichnet und daher auch "Perlina Maltese", "Perla Maltese" oder "Bianca Oliva/Weiße Olive/White Olive" heißt, neben ihrem amtlichen Sortennamen "Bajda". Ihr Geschmack ist allerdings weniger ansprechend, extrem bitter. Die Sorte wurde von den Kreuzrittern gerne als Geschenk eingesetzt, europäische Potentaten waren entzückt von der "Perlina Maltese". Erwähnt wird sie auch in einem Kaninchenrezept der Kreuzritter aus dem 18. Jahrhundert. Vermutlich ist sie mit anderen Albino-Sorten des Mittelmeerraums, so mit der 2012 bei Rossano in Italien wieder aufgefundenen alten kalabresischen Sorte "Leucolea" verwandt. Sammelbegriff für die weißen Varianten ist "Leucocarpa" - "Weißfleisch. Vermutlich wurden sie zunächst durch die griechische Kolonisation der "Magna Graecia" verbreitet, später durch Basilianerklöster. Das Öl verbrennt mit geringerer Rauchentwicklung, weshalb es sich für kultische Zwecke besonders eignet.

Seit 1991 bemüht sich unter anderem ein Quereinsteiger der Olivenölproduktion, Salvatore (genannt Sam) Cremona, in Il-Wardija im Nordosten der Insel um eine Wiederbelebung des maltesischen Olivenanbaus. Vor allem am Herzen liegt ihm dabei, neben der gleichfalls nur auf Malta zu findenden Sorte "Bidni", die "Perla Maltese". Fast wäre diese Art ausgestorben, nur noch zwei alte Bäume gab es in den 1990er Jahren auf Malta (andere Quellen sprechen davon, Cremona habe sie auf Sizilien gefunden). Cremona vermehrte sie gezielt aus Früchten, die er drei Wochen bei -5 Grad lagerte, damit sie keimfähig werden. Bekannt wurde Salvatore Cremona durch Jamie Oliver, der ihn in einem Blogbeitrag von 2014 auf seiner Website "Godfather of Maltese olive oil" nennt. Jamie Oliver weiß - wie Salvatore Cremona - zu schätzen, was den beiden Malteser Olivenvarietäten fast zum Verhängnis wurde: die intensive Bitternis.

Seit 2016 wird die Sorte "Perla Maltese" auch in einer staatlichen Landwirtschaftsanstalt gezielt vermehrt und an interessierte Landwirte ausgegeben. 2017 hat die Regierung den Züchter Salvatore Cremona gebeten, seine in Gläsern eingelegte Perla-Ernte von 2016 als Geschenk für den maltesischen EU-Ratsvorsitz zur Verfügung zu stellen. Das maltesische Wort für Oliven ist "Zejt" und verweist auf das Semitische. Der Name der maltesischen Stadt "Zejtun" bedeutet "Olivenhain". Auf Sizilien gibt es eine Olivensorte "Zaituna". Ob sich hier die phönizische Geschichte der Region widerspiegelt oder - was plausibler ist - die arabische Herrschaft im Mittelalter, ist nicht definitiv geklärt.
Die kriechenden Oliven von Pantelleria

Auf meinen "Wuthering Heights" von Obergrombach, dem Burgberg, träume ich seit langem von einer Olivensorte, die von sich aus kriechend wächst. Viele meiner Pflanzen habe ich schon zu Büschen umgebaut - aus Gründen des Winterschutzes allerdings doch mit einer gewissen Bodenfreiheit. Im Winter 2020/21, der mich nach einer Serie milder Winter wieder einmal mit der Gefahr von anhaltendem zweistelligem Frost konfrontierte, habe ich beschlossen, doch auch Versuche mit ganz flachen Büschen zu unternehmen. Zum einen können die dem Wind besser standhalten, zum zweiten sind sie im Winter einfacher zu schützen - und sie vermehren sich mit wenig Nachhilfe von selbst über Absenker!Pantelleria
              Biancolilla Ernte 2020

Bei der Recherche nach entsprechenden Sorten bin ich auf die kriechenden Oliven von Pantelleria gestoßen. Pantelleria ist eine Insel südwestlich von Sizilien, nahe an der afrikanischen Küste. Olivenbäume kamen vermutlich im 6. Jahrhundert v. Chr. mit den Phöniziern erstmals auf die Insel. Die Phönizier gründeten im Nordwesten der Insel, die sie Cossyra nannten, eine Hafenstadt und handelten vermutlich mit dem Obsidian, der auf Pantelleria abgebaut wurde.

Auf Pantelleria wurde die auch auf Sizilien und in Kalabrien bekannte Sorte Biancolilla zu kriechendem Wuchs erzogen, um den stürmischen Winden auf der Insel besser standzuhalten. Der Anbau findet auf Terrassen statt. Wenn ich mir das Erntebild auf der Website von "Donnafugate" anschaue, ist das eigentlich genau das, was ich mir (nach dem Abschied von der Vorstellung, in meiner Lage sinnvoll Hochstämme zu entwickeln) auch als Ideal des Pflanzenaufbaus vorstelle - für die Pflege, nicht für die Ernte (die bei mir allerdings nicht zum Problem werden dürfte ...). Biancolilla gilt übrigens als feuchtigkeitstolerant und froststabil - was in den süditalienischen Hügellagen allerdings etwas anderes bedeutet als in Norditalien oder gar bei uns. Froststabiler ist die gleichfalls für die Buscherziehung sehr geeignete katalanische Sorte Arbequina.

Die Firma Donnafugate mit Sitz auf Sizilien, in Marsala, bewirtschaftet auf Pantelleria 5 Hektar mit 1.550 Pflanzen der Sorte in den Gebieten "Montagnole" und "Dietro Isola". "Donnafugate" hat sich auf qualitätsvollen Wein- und Olivenanbau in Süditalien und den Handel mit deren Produkten spezialisiert. Die Website ist auf Italienisch, Englisch und Deutsch zu lesen.
Die sprechende Olive von Seggiano
Olivastra
              Seggianese Zisterne Seggiano April 2018
Man mag es für eine Spinnerei halten oder für eine Verschwendung von europäischen Fördergelder. Aber die sprechende Olive von Seggiano passt zu diesem liebenswürdigen Städtchen am Fuß des Monte Amiata, abseits der touristischen Hauptrouten Italiens, im Grenzbereich der so unterschiedlichen italienischen Regionen Toskana und Umbrien, historisch in besonderer Weise geprägt durch Etrusker, Langobarden und den blutigen Streit der toskanischen Stadtstaaten um die Vorherrschaft. Diese Olive passt zu einem Städtchen, das den opulenten Kunstgarten von Daniel Spoerri beherbergt, der Anfang der 1990er Jahre nach Seggiano kam, sowie die sagenhafte Kapelle San Rocco mit ihren kostbaren Fresken. Und eben auch die teuerste Olive der Welt, eine sprechende zumal. Immerhin 240.000 Euro EU-Fördermittel ("Leader") sind geflossen, um die alte Zisterne von Seggiano 2013/14 zu restaurieren und mit viel Beton in eine Art Aztekentempel zu verwandeln - unvollendet wie das gleichfalls EU-geförderte Dokumentationszentrum zur Metallurgie der Region mit Stadtbibliothek im Rathaus (Stand 2018).

In dieser Zisterne hängt seit 2014 oben ihr Herzstück, eine Olive der Sorte Olivastra Seggianese, die, der Name verrät es schon, charakteristisch ist für diesen Teil der Landschaft am Monte Amiata. Ihre Wurzeln wachsen frei in den Raum der Zisterne, genährt durch eine Sprüheinrichtung, die Wasser und Nährstoffe bringt - zuständig dafür ist der Agronom Fabio Menchetti. An diese Wurzeln möchte der Pflanzenphysiologe Stefano Mancuso, Direktor des "Laboratorio internazionale di neurobiologia vegetale" (LINV), 2018 eine aufwendige Apparatur anschließen, die das bioelektrische Aktivitätsprofil der Wurzeln aufzeichnet. Damit solle ein Beitrag geleistet werden zur Aufschlüsselung einer "Sprache der Pflanzen", woran das LINV seit Jahren arbeitet. Stefano Mancuso ist gemeinsam mit der Wissenschaftsautorin Alessandra Viola Autor des Buches "Die Intelligenz der Pflanzen", erstmals 2013 auf Italienisch erschienen. Die Koordination des Projektes vor Ort liegt in den Händen von Diego Ceccarini, rühriger Kopf von "Le Radici di Seggiano".

Stand Ende 2020 hat die Olive noch nicht zu sprechen begonnen. Mancuso sammle noch Geld für sein Projekt.
Oliven als invasive Neophyten

Es mag irritieren, aber Oliven können auch lästig werden. Sie tun dies in Australien, auf Neuseeland, auf Hawaii und anderen Pazifikinseln. Und zwar in ihrer Variante als Olea europaea subsp. cuspidata, vulgo Wildolive, gelegentlich auch als Olea europaea subsp. africana oder als "African Olive" angesprochen. In die drei genannten Länder kam die "African Olive" Mitte des 19. Jahrhunderts als Gartenpflanze. Besonders problematisch wurde sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Australien, wo sie bereits im 19. Jahrhundert westlich von Sidney auswilderte. In Teilen Australiens wurde etwa gleichzeitig auch die Zuchtolive invasiv, vor allem in der Region Adelaide, wo Olivenhaine aufgegeben wurden und die verwildernden Nachkommen der Zuchtoliven sich ausbreiteten.

Betroffen sind laut einem Forschungsbericht von Peter Cuneo und Michelle Leishman, veröffentlicht 2006 in "Cunninghamia" 9(4), vor allem "drier woodlands, riverine environments, coastal headlands and dune systems". "African Olive is a declared noxious weed in NSW and South Australia, and listed nationally as a potential environmental weed". Gefährlich werde die Wildolive einmal durch ihre Konkurrenzstärke in der Wasseraufnahme, zum anderen durch den Schattenwurf dank extrem dichter Belaubung. So stelle sie im südlichen Australien eine ernsthafte Bedrohung der etablierten Biodiversität dar. Laut Cuneo/Leishman ist die Afrikanische Olive gefährlicher als die ausgewilderte Europäische dank ihrer besonderen Anpassung an trocken-heiße Bedingungen, verbunden mit Schattenverträglichkeit. Auch für die Ausbreitung von Buschfeuern wird sie verantwortlich gemacht.

Die Afrikanische Olive unterscheidet sich von der Europäischen Olive durch größere, langgezogene Blätter und einen Haken an der Blattspitze ("cuspidata" = gezipfelt, zipfelig). Ihr Wuchs ist kompakter und stärker buschförmig. Die Früchte sind kleiner und rund. Ausbreitung erfolgt über die Früchte, die von Vögeln gefressen und deren harte Kerne unverdaut in teils großen Entfernungen wieder ausgeschieden werden. Im Unterschied zu Olea europaea subsp. sylvestris ist die Subspezies cuspidata/africana als Unterlage für Zuchtoliven wenig geeignet.


OLIVEN IN DER BILDENDEN KUNST UND IN DER LITERATUR


Homer

Als Odysseus auf der Phäaken-Insel Scheria strandet, reichen ihm die Mägde der Nausikaa, der Tochter des Königs Alkinoos, zum Bad frische Kleider und ein goldenes Fläschchen mit Olivenöl zur Hautpflege. Odysseus kommentiert dies wie folgt: "lang entbehrt meine Haut schon das Salböl" (6/220). Dies verweist darauf, dass Olivenöl in der Frühzeit eine wichtige Rolle in der Hautpflege spielte. Ansonsten werden kurz darauf noch Oliven genannt (7/116) - aber ohne Hinweis auf die Verwendung. Eindeutige Belege dafür, dass Olivenöl im vorklassischen Griechenland auch in der Küche eingesetzt wurde, finden sich bei Homer nicht. Sein Speisezettel ist dominiert von Fleisch (namentlich am Spieß gebraten), Brot und Wein. Allerdings legt etwa der Kontext der bereits angesprochenen Olivennennung nahe, dass Oliven zumindest in Fruchtform auch den Speisezettel bereicherten. "Grüne Oliven" (7/116: ?????? ??????????) werden gemeinsam aufgeführt mit verschiedenen Obstsorten. Wie wenig umfassend die Speisenauskünfte Homers sind, zeigt die Erwähnung von Gartenbeeten (7/127: ???? ?? ???????? ???????, deren Erzeugnisse weder detailliert aufgelistet, noch als Speisen andernorts genannt werden.

Die Insel Scheria wird von Homer ähnlich beschrieben wie Atlantis bei Platon, darauf wurde schon öfter hingewiesen, insbesondere von Atlantologen. Früchte reifen das ganze Jahr über, die Bedingungen sind gleichsam paradisisch, Analogien zum Goldenen Zeitalter drängen sich auf. Es ist durchaus bemerkenswert, dass der Reichtum dieses mythologischen Ortes zunächst greifbar wird für Odysseus in Olivenöl - wobei nicht ganz deutlich wird bei Homer, ob er die Ölflasche selbst als aus Gold gemacht bezeichnet oder das Olivenöl als "golden". Wahrscheinlicher ist eher die Flasche (6/215: ????? ?? ?????? ?? ?????? ????? ??????). Die gerne Homer unterstellte Bezeichnung "flüssiges Gold" für Olivenöl dürfte ein bereitwilliges Missverstehen vor dem Hintergrund heutiger Marketinginteressen sein. "Golden" ist im übrigen ein bei Homer in der "Odyssee" sehr häufig eingesetztes Adjektiv.
Schule von Siena: Oratorio di San Rocco in Seggiano

AKapelle San Rocco
              in Seggiano mit Olivenbäumenbseits der Hauptwege des Italientourismus liegt die kleine Ortschaft Seggiano, auf einem Hügel in der Nähe des Monte Amiata. Das dortige, als kunsthistorisches Kleinod geschätzte Oratorio di San Rocco wurde 1490-1493 von Girolamo di Domenico ausgemalt. Im Zentrum steht "La Madonna col Bambino", flankiert von den Heiligen Sebastian, Bartolomäus, Gervasius von Mailand und Bernhard von Siena. Jedem dieser Heiligen ist ein Olivenbaum zugeordnet. Die vier Olivenbäume sind zu identifizieren über die Baumbasis, wo wir jeweils einen abgestorbenen Strunk sehen und einen zugehörigen hoch aufragenden vitalen schlanken Stamm.

Das Bild des Olivenbaums stand im Mittelalter und noch in der Barockzeit für besonders herausragende Persönlichkeiten im Christentum, mit Bezug auf Römer 11, 16-32. Im Brief eines Zisterziensermönches aus Maulbronn an Hildegard von Bingen wird diese als "prächtiger Ölbaum" bezeichnet. Eine Heiligenvita zu Franz von Paola von 1741 trägt den Titel "Frucht-Bringender Oliven-Baum in dem Lust-Haus der Kirchen Gottes".

In der Bildenden Kunst ist dieser Bezug meines Wissens erstmals mit diesem Fresco in Seggiano vom Ende des 15. Jahrhunderts angedeutet. Ob dahinter die konkrete Prägung der Landschaft bei Seggiano durch Olivenbäume steht, ist schwer zu entscheiden. Die vier Bäume sind individuell gestaltet, unterscheiden sich aber auch deutlich von den im Landschaftshintergrund gemalten Bäumen, was auf einen symbolischen Gehalt verweist. Aus dem 15. Jahrhundert sind zahlreiche Kältewellen in Italien überliefert, die durchaus auch einen konkreten Hintergrund für die geschädigten Oliven von San Rocco liefern könnten.

Girolamo di Domenico ist ein wenig bekanntes Mitglied der Malerschule von Siena, mit unklarer Biographie und wenigen hinterlassenen Werken. Die ins 13. Jahrhundert zurückreichende Schule von Siena war wesentlich beteiligt an der Begründung der Renaissance-Malerei, allerdings konservativer ausgerichtet als die Schule von Florenz. Sie verlor im 15. Jahrhundert gegenüber letzterer massiv an Bedeutung. Die in den Olivenbaumfresken von San Rocco sichtbare Hinwendung zur realen Landschaft verweist, neben anderen Merkmalen, auf florentinischen Einfluss.

Seggiano ist Heimat einer Olivenvarietät, die sich durch besondere Frosthärte und allgemeine Vitalität auszeichnet, "Olivastra Seggianese". Vor Ort wird die Varietät von einigen Geschichtsenthusiasten auf die Etrusker zurückgeführt. Belege dazu gibt es keine, eine Altersbestimmung besonders ehrwürdiger Exemplare der Region hat noch nicht stattgefunden, ebensowenig eine genetische Analyse der Abstammungshintergründe von Olivastra Seggianese. Die bislang als ältester Olivenbaum der Toskana bekannte "Strega di Magliano", geschätzt auf ein Alter von über 3.000 Jahren, steht in ca. 40 Kilometer Luftlinie Entfernung.
Joachim du Bellays Sonettzyklus "L'Olive"
 
Ein namhafter französischer Petrarkist des 16. Jahrhunderts, Joachim du Bellay, verfasste einen Zyklus mit fünfzig Sonetten, veröffentlicht 1549, mit dem Titel "L'Olive", 1550 folgt eine Ausgabe mit fünfundsiebzig Sonetten. Der Nachwelt ist du Bellay bekannt als Exponent der Dichtergruppe "La Pléiade" und Kämpfer für die Emanzipation des Französischen als Literatursprache gegenüber dem Latein, dem Griechischen und dem Italienischen. Seine programmatische Schrift zu diesem Anliegen trägt den Titel "La Deffence et Illustration de la Langue Francoyse" (1549 publiziert, Vorbild für Opitz). Sein petrarkistischer Zyklus gilt als wenig gelungen, im allgemeinen wird die Lyrik seines Pléiade-Kollegen Ronsard höher geschätzt.

Was bei Petrarka der Lorbeer ist bei du Bellay die Olive. Und wie bei Petrarca der Lorbeer (it. "lauro") auf die geliebte Laura verweist, steht bei du Bellay die Olive für eine verehrte Frau, die er "Olive" nennt. In der Forschung streitet man sich darüber, ob damit seine Cousine Olive de Sévigné oder eine anonym gebliebene Mademoiselle Viole gemeint sei. In der antik schon begründeten Symbolik gleichen sich die beiden Pflanzen, sie stehen für Auszeichnung, für besondere Leistungen, als immergrün auch für Erneuerung, für Ewigkeit, Fortdauer. 
Van Gogh

Im Frühjahr 1888 zog Vincent van Gogh von Paris nach Arles. Es begann für ihn - nach ersten Enttäuschungen über die kühlen Temperaturen (er hatte mehr Wärme vom Süden erwartet) - eine äußerst schöpferische Phase. Ende Oktober kam Gauguin als Besucher, den van Gogh 1887 in Paris kennen gelernt hatte. Das brachte eine intensive, aber auch sehr problematische Zusammenarbeit der beiden, mit erheblichen psychischen und physischen Störungen bei van Gogh. Am 23. Dezember 1888 schnitt er sich, möglicherweise während eines Streites mit Gauguin (es gibt auch Spekulationen, Gauguin habe das getan), das linke (seine Selbstportraits sind spiegelverkehrt orientiert) Ohrläppchen ab und brachte es zu seiner bevorzugten Prostituierten "Rachel" in ein Bordell. Nach PhaVincent van
              Gogh: Spaziergang im Mondlicht - Wikipediasen der Erholung, in denen van Gogh einige seiner bekanntesten Werke malte ("Ein Wiegenlied", "Zwölf Sonnenblumen"), durchbrochen von neuen Anfällen, die auch die Bürgerschaft von Arles intervenieren ließen, übersiedelte er auf Veranlassung seines Bruders Theo am 8. Mai 1889 in die Heilanstalt Saint-Paul-de-Mausole in St. Rémy de Provence. Diagnostiziert wurde eine Form von Epilepsie. Was zumindest die Tatsache etikettierte, dass van Goghs Probleme nur anfallweise auftraten, mit langen Zwischenzeiten, die allerdings gezeichnet waren durch Alkoholmissbrauch, Überarbeitung und Fehlernährung.

In St. Remy malte van Gogh die "Sternennacht". In einem weiteren Anfall versuchte er, seine Farben zu verschlucken, weshalb ihm für einige Wochen von seinem Arzt, Dr. Peyron, das Malen verboten  wurde. In der Umgebung seiner Anstalt faszinierten van Gogh die Olivenhaine als malerisches Motiv. In einem Schreiben vom 29. April 1889 an den Bruder berichtet er davon: "Das Rauschen eines Olivenhains hat etwas Vertrautes, unglaublich Altes." Im gleichen Schreiben erklärt er allerdings noch "Es ist zu schön, als daß ich es malen oder auch nur daran denken könnte, es zu malen." Ab Juni entstehen dann die ersten Olivenbaumbilder van Goghs. Sie sind auch für die Forschung zum Olivenanbau von Bedeutung, insofern sie offenkundig die "plantation en/sur butte" zeigen.

Im November 1889 kritisiert er ein Ölberg-Bild Gauguins als unschön. Allgemein machten ihn "Christusse auf dem Ölberg" nach eigenem Bekenntnis wütend, da sie nicht auf Beobachtung basierten. Im Dezember 1889 malt er dann die ersten Olivenhain-Bilder mit Menschen, bei der Ernte. Auf einem seiner letzten Bilder aus St. Rémy, "Spaziergang im Mondlicht", vom Mai 1890, geht ein Paar durch einen Olivenhain - in den Farben von Goethes Werther, Blau und Gelb. Der Mann trägt deutlich Züge van Goghs, vor allem in der Gestaltung von Haupthaar und Bart und im Blick auf die Haltung. Die Frau scheint mit einem der Olivenbäume zu sprechen. Van Gogh malt die Bäume auffallend klein, fast erscheinen sie als Kinder, Kinder des Menschenpaares.

Am 16. Mai 1890 verließ van Gogh die Heilanstalt und fuhr nach Paris zu seinem Bruder Theo. Am 27. Juli schoß er sich eine Kugel in die Brust und verstarb zwei Tage später im Beisein seines Bruders. Ralph Dutli schreibt in "Liebe Olive": "Keiner konnte ihm mehr helfen, nicht einmal sein letzter Therapeut mit seinen vielen Blättern."


SKANDALE, STREITEREIEN, POLITIKA


Spanischer Giftölskandal

1981 kam der bislang folgenreichste Skandal um Ölpanschereien ans Licht. Am 1. Mai 1981 starb ein achtjähriger Junge an einer nicht identifizierbaren Krankheit, deren Symptomatik Ähnlichkeit mit Autoimmunerkrankungen hatte. Es folgten weitere rätselhafte Todesfälle und bis 1988 starben mindestens 700 Menschen, andere Quellen sprechen von 3.000, an der gleichen "Krankheit", die als Lebensmittelvergiftung identifiziert wurde und den Namen "TOS" erhielt, "Toxic Oil Syndrom". Es handelte sich, so die amtliche Entscheidung, um eine Vergiftung durch gepanschtes Speiseöl. Drei Millionen Liter des Produktes wurden aus dem Verkehr gezogen.

Beim fraglichen Öl handelte es sich um Rapsöl für technische Verwendungen, das mit Anilin denaturiert worden war und von Speiseölproduzenten, darunter die Madrider Firma Raelca, wieder für den Verkauf als Lebensmittel aufbereitet wurde. In Fünfliterflaschen boten Straßenhändlern das Öl in den ärmeren Vierteln Spaniens an. Zur fraglichen Epidemie kam es allerdings nur in einem Gebiet im Nordwesten Madrids.

Bis heute konnte kein überzeugender Nachweis zu einer Beziehung zwischen Krankheitssymptomen und gepanschtem Öl erbracht werden. Von verschiedenen spanischen Medizinern und einem epidemiologischen Experten der WHO wurden nicht das Olivenöl, sondern Phosphorsäureester, wie sie in Pestiziden für den Tomaten- und Paprikaanbau, etwa in Nemacur (Wirkstoff Fenamiphos), verwendet werden, verantwortlich gemacht.

Der Skandal führte in vielen Ländern zu Importverboten für spanisches Olivenöl - obgleich es sich bei dem umstrittenen Öl um Rapsöl handelte.

Schmutziges Gold

2005 titelte die Konsumentenzeitschrift "test"/Stiftung Warentest zu einer Untersuchung des Olivenömarktes "Schmutziges Gold". Von 26 getesteten Olivenölen der Kategorie "Nativ extra" ("Extra vergine") waren sechs nur "ausreichend", neun gar "mangelhaft". Sieben Öle waren wärmebehandelt - was bei vergine nicht sein sollte. Der sensorische Test ergab Urteile wie "moderig" und "ranzig".

Werden bereits gärende Oliven gepresst, entsteht ein leichter Essigstich. Modernoten entstehen bei zu langer feuchter Lagerung der Oliven, ranzige Noten, wenn die Oliven zu lange am Baum hingen oder vor der Pressung warm lagerten. Gefunden wurden auch Rückstände von Weichmachern, die beim Genuss von zwei bis drei Esslöffeln Olivenöl bei einem Erwachsenen von 60 kg Gewicht bereits die Höchstgrenze für die tägliche Aufnahme überschreiten.

Die Stiftung Warentest setzte Testverfahren ein, die auch Wärmebehandlungen nachweisen können, die mit den von der EU vorgeschriebenen Tests nicht erfasst werden. Auch andere Manipulationen und Ölfehler lassen sich mit den Analyseverfahren nach EU-Verordnung nicht nachweisen. Die Olivenöllobby hat bislang erfolgreich eine Anpassung der Analysevorschriften verhindert.

2010 wiederholte "test" seine Untersuchung, mit 28 Olivenölen der Qualitätsstufe "Nativ extra" - nur vier erreichten die Note "gut". Der Rest war Durchschnitt oder mangelhaft.

Grund für die Panschereien ist zum einen der Preisdruck im Supermarkt. Ein akzeptables "Nativ extra" ist für vier Euro pro Liter eben nicht zu produzieren. Allerdings macht der Preis alleine gewiss nicht die Qualität. Auch Öle über zehn Euro für den Liter können gepanschte Fehlware sein - der Grund: besonders skrupellose Profitgier. Der dritte Grund für die Extra-Vergine-Malaisse ist die Nachfrage. Als die Deutschen (und bei anderen Nationen lief es ähnlich) lernten, das nur (mindestens) "Nativ extra" oder, italienisch, "Extra vergine" oder, deutsch, "Kalt gepresst" was Gutes für den gesundheits- und genussbewussten Kenner ist, verschwand die Kategorie "Nativ" aus den Regalen. Und kehrte unter den Fittichen von "Nativ extra", entsprechend aufbereitet, wieder.

Aber auch ohne ungesetzliche Panscherei darf das Olivenöl schlecht sein. Die EU-Verordnung 61/2011 gestattet einen Alkylesther-Anteil von 75 bzw. 150 mg/kg in "Extra Vergine". Damit kann auch durch Wärmebehandlung "verbessertes" Olivenöl getrost passieren.

EU-finanzierte Kultur- und Umweltzerstörung

Erst zum Ende des vergangenen Jahrtausends stellte die EU die Förderung des Olivenanbaus um auf die Förderung nach Baumzahl. Gefördert wurden zuvor vor allem Olivenhaine, die "effizient" arbeiteten, d.h. mit Neuanlagen und Umschlagszeiten von ca. 50 Jahren. Nicht also mit "ineffektiven" Uraltbäumen und mediterranen Streuobstwiesen. Oder anders: Die Förderung wurde nach dem Ertrag berechnet und bezahlt - oft mehrmals, an den Olivenbauern, die Olivenhändler und die Olivenmühlen. Allerdings brachte die Umstellung der Förderung nichts für die traditionellen Olivenhaine. Für die Bäume wurde auch bezahlt wenn sie nicht mehr da standen und dazu verdienten die Ölabfüller Geld mit industriell produziertem Olivenöl, das auch bei minderwertiger Qualität als "Extra vergine" passieren konnte. Und die Bauern stellten auf Neuanlagen um, da sie von den Großabnehmern weitgehend unabhängig von der Olivenqualität bezahlt wurden.

Der europäische Rechnungshof kritisierte 2000 die weiter anhaltende ungeheure Verschwendung von Geldern in der Förderung des Olivenanbaus. 4,3 Milliarden Euro flossen 1999 an die Olivenanbauer, 30% der Einnahmen von Olivenbauern stamme aus EU-Geldern. Ein "erschreckenden Szenario von Betrug und Unregelmäßigkeiten zu Lasten des EU-Haushaltes" wurde festgestellt. Immer häufiger seien organisierte Kriminelle für Subventionsbetrügereien verantwortlich. Dabei seien auch die Kleinbauern am Betrugssystem lukrativ beteiligt.

Ein "Spiegel"-Titel vom September 2001 prangert die Verschwendung unter dem Titel "Großer Batzen" an. Er geht dabei zunächst auf das lukrative Geschäft mit alten Olivenbäumen ein, die als Villendekoration ausgebuddelt und verscherbelt werden. Und dabei sind laut Spiegel nicht nur böse Geschäftsleute, sondern auch Landwirte/Bauern beteiligt. In den Vordergrund stellt der Spiegel-Beitrag jedoch den Schaden für die Umwelt durch Monokulturen, die mit der in den Anbauländern besonders wertvollen Ressource Wasser und der besonders empfindlichen Ressource Boden verheerend umgehen. Und er kritisiert dabei massiv die EU: "Die Agrarpolitik der Gemeinschaft belohnt den Intensiveinsatz von Wasser und Chemikalien mit üppigen Subventionen und bestraft den traditionellen, umweltfreundlichen Olivenanbau."

2013 und 2014 hatte Spanien wegen Trockenheit mit massiven Ertragseinbußen im Olivenanbau zu kämpfen. Schuld daran ist selbstredend der Klimawandel. Und nicht, wie es auf der Hand liegt, die Umstellung auf intensiv bewässerte Olivenanlagen mit jungen, nicht tief verwurzelten Bäumen wenig trockenheitsresistenter, ertragreicher Sorten. Dazu kommt die Ableitung von Wasser aus den hügeligen Olivenanbaugebieten in die Gemüsefarmen der Ebene. Die Steuerzahler der EU werden auch die Trockenheitsschäden bezahlen, wie sie schon den ökologisch katastrophalen Umbau der historisch gewachsenen Olivenhaine und den wiederkehrenden Subventionsbetrug bezahlt haben.

Olivenöl-Mafia

Vom 20. bis zum 23. Dezember 2011 berichtete die Zeitung "La Reppublica" unter dem Titel "La Mafia dell'Olio" mit Berufung auf eine gemeinsame Untersuchung von Zoll, Finanzbehörde, Forstverwaltung und Bauernverband, dass der größte Teil des "italienischen" Olivenöls aus dem Ausland stamme. Ferner wurde festgestellt, dass die Qualitätsangaben häufig falsch seien. Die zugehörige deutsche Schlagzeile lautete "Ölkrise im deutschen Supermarkt", geliefert wurde sie von der Süddeutschen Zeitung - denn auch in Deutschland steht dieses Olivenöl im Regal.

"La Reppublica" nannte auch den Grund für diese Manipulationen der "agromafia". Während die Produktion von einem Liter Olivenöl in Tunesien 10 Cent koste und in Spanien 50 Cent, verlangten die Ölmühlen in der Toskana 7 Euro für den Liter! Die Verdienstspanne durch Falschetikettierung kann sich jeder selbst ausrechnen. Fünf Milliarden Euro, so "La Reppublica", setze der italienische Olivenölhandel im Jahr um. Und dies nicht nur mit herkunftsbezogen falsch etikettiertem, sondern oft auch qualitativ minderwertigem Öl, das als extra vergine verkauft werde, aber nicht einmal vergine sei. Etwa 80% des Öls der Kategorie "Extra vergine" sei falsch oder irreführend deklariert. Sofern vorhanden, seien Herkunftsangaben wie "miscele di oli di oliva comunitari e non comunitari" oft so winzig angebracht, dass sie auf Anhieb nicht zu erkennen sind.

Im März 2012 legte der italienische Bauernverband "Coldiretti" genauere Zahlen vor. 2011 habe die Einfuhr von ausländischem Olivenöl nach Italien 584.000 Tonnen betragen, die Produktionsmenge in Italien 483.000 Tonnen. 74% des Imports kamen aus Spanien, 15% aus Griechenland und 7% aus Tunesien. Nebenbei alles Exportländer, die schon das römische Reich belieferten. Die italienische Ausfuhr betrug 364.000 Tonnen.

Auch hier spielt die explodierende Nachfrage eine bedeutende Rolle. Gilt doch italienisches Olivenöl (sofern es sich wirklich um solches handelt, auch zu Recht) als geschmacklich besonders interessant und qualitätsvoll. Die Binnennachfrage für "Extra vergine" liege alleine in Italien bei 600.000 Tonnen - schreibt die Süddeutsche am 21. Oktober 2012.

Trotz der erfolgreichen Aufdeckung zahlreicher Skandale antwortet Markus Fischer, Leiter der Hamburg School of Food Science, noch 2021 auf die Frage des Magazins "forschungsfelder" nach den am häufigsten gefälschten Lebensmitteln: "Olivenöl steht an erster Stelle. Auf den Flaschen steht eine falsche Güteklasse oder sie enthalten Olivenöl, gepanscht mit billigerem Öl."

Sensorik-Hype und Bio-Problematik

Beflügelt durch das breite Versagen der EU-Verordnungen zur Qualitätskontrolle bei Olivenölen und den Kenner-Kult im Umkreis von Slow Food und neuer Feinschmecker-Bewegung erlebte in den vergangenen Jahren die Sensorik ihre Renaissance als Diagnoseinstrument zur Bestimmung der Qualität von Olivenölen. So manche gerötete Nase senkt sich seither bei Olivenölverkostungen mit gleicher Inbrunst in Ölschälchen wie zuvor in Rotweinkelche. Und dafür gibt es durchaus auch gute Gründe!

2012 ließ das Magazin WISO des ZDF 2012 Olivenöle "in einem gängigen Testverfahren" untersuchen, das lediglich sensorische Parameter zugrunde legte - im Klartext: Aussehen, Konsistenz, Geschmack. Die WISO-Untersuchung wurde durchgeführt vom Deutschen Olivenöl Panel, hinter dem die "Informationsgemeinschaft Olivenöl" steht, die von einer Werbeagentur betrieben wird, die wiederum dem Vorsitzenden des Deutschen Olivenöl Panels, Dieter G. Oberg, gehört.

Sensorikprüfungen haben den Vorteil, billiger zu sein als die gängigen Analyseverfahren und mehr Arbeitskräfte zu erfordern, weniger Apparateeinsatz. Zudem können geübte Prüfer Mängel bzw. Qualitäten feststellen, die sich einer technischen Analyse entziehen. Allerdings wird dies nur im Hochpreissegment ernsthaft relevant. Und leider gilt anders herum auch, dass gut verborgene Mängel der Sensorik-Prüfung entgehen, dem Blick der chemischen Analyse nicht.

Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass die geschmacklichen Eigenschaften von Olivenölen sich durch verschiedene Verfahren, die den Qualitätskriterien nicht entsprechen, erheblich  verbessern lassen - etwa durch Erhitzen. Solche Manipulationen hinterlassen zwar auch Spuren im Aroma (in erster Linie durch Abwesenheit eines solchen), die aber durch Verschnitte z.B. zu kaschieren sind. Auch Schadstoffrückstände werden von Verkostern in der Regel nicht erkannt.

Die laborkritischen Anhänger der Sensorik weisen auch gerne darauf hin, dass Bio-Öl ein Schwindel sei, da auch in konventionellen Olivenhainen keine Pestizide eingesetzt würden und Schadstoffeinträge einer nahe gelegenen Autobahn auch einen Biohain träfen. Bei chemischen Analysen wurden immer wieder in einzelnen Bioölen Schadstoffe festgestellt. In der Regel konnten sie auf den Verarbeitungsprozess (wie z.B. Abfüllschläuche) zurückgeführt werden.

Konkurrenz Spanien-Italien

Spanien ist weltweit führend in der Olivenölproduktion und auch in der Produktion von Speiseoliven. Italien liegt mit etwa einem Drittel der spanischen Produktion weit zurückgeschlagen auf Platz zwei, kann aber durch seine günstigere Lage, den besonderen Ruf von italienischem Olivenöl und seine Vermarktungsstrategien mithalten. Für die Volkswirtschaften beider Länder sind Olivenproduktion, Olivenverarbeitung und Olivenhandel von existenzieller Bedeutung. Mit wechselseitigen Panschereivorwürfen haben die beiden Länder einander zu Beginn des 21. Jahrhunderts attackiert - zum Vorteil der Verbraucher. Ohne die Konkurrenz der beiden Länder wären einige Skandale wohl gar nicht ins breite öffentliche Bewußtsein geraten. Der Wirtschaftsteil der "Welt" ging 2014 so weit, von einem "Olivenöl-Krieg" zwischen Spanien und Italien zu sprechen.

2014 wurden 30% Unternehmensanteile von DeOleo, dem größten spanischen Abfüller mit zahlreichen inkorporierten italienischen Marken (u.a. Sasso und Bertolli), verkauft. Ein italienisches Konsortium bot mit staatlicher Unterstützung mit und wollte den DeOleo-Unternehmenssitz nach Italien verlegen, zum Unwille der spanischen Regierung. Den Zuschlag bekam dann eine amerikanisch-französische Beteiligungsgesellschaft, CVC Capital Partners, der Firmensitz blieb in Spanien. CEO ist ein Italiener, Präsidentin eine Spanierin (Stand 2018).

2016 verbanden sich die beiden Konkurrenten in der gemeinsamen Front gegen Tunesien, als die EU-Kommission zur Unterstützung der tunesischen Demokratie eine Erhöhung der zollfreien Einfuhr von tunesischem Olivenöl forderte - die dann auch gegen den Widerstand dieser beiden Länder und Griechenlands durchgesetzt wurde für zwei Jahre.

Palästina-Konflikt

Zu einem mehrschichtigen Politikum wurde der Olivenanbau im Palästina-Konflikt, insofern er einerseits zur Identitätskonstruktion der Konfliktparteien, insbesondere der Palästinenser, beiträgt, andererseits von israelischer Seite immer wieder Ziel feindlicher Handlungen wurde und von palästinenserfreundlicher Seite als Widerstandssymbol eingesetzt wird. Dieser Hintergrund ist mit zu bedenken bei der von Papst Franziskus initiierten Pflanzung eines Olivenbaumes in den Vatikangärten gemeinsam mit Shimon Peres und Abu Mazen 2014.

Im Westjordanland spielen Olivenhaine eine historisch verankerte essentielle Rolle im Bereich der Subsistenzwirtschaft, aber auch des Erwerbs. Diese Olivenhaine dokumentieren die kultivierende historische Präsenz der Palästinenser in diesem Gebiet, die von nationalistischen Israeli häufig abgestritten wird. Die Region gehört zu den ältesten Olivenanbaugebieten der Welt, manche vermuten hier gar den Beginn der Olivenzucht.

Im Konflikt wurden immer wieder palästinensische Olivenhaine zerstört bei militärisch unterstützten Aktionen der israelischen Politik (etwa beim Grenzanlagenbau) und bei Angriffen nationalistischer Siedler. Es wird auch berichtet, dass israelische Siedler und bisweilen Soldaten die palästinensischen Olivenbauern bei der Ernte in siedlungsnahen Gebieten oder Grenznähe behindern, weshalb verschiedene Friedensinitiativen internationale Ernteeinsätze organisieren. Für manche Haine wird die Bewirtschaftung durch Umlenkung der Wasserversorgung oder die Landschaftsnutzung durch Neusiedler erschwert oder unmöglich gemacht.

Kurden-Konflikt

Auch im Kurdenkonflikt wird die Zerstörung von Olivenhainen als strategisches Mittel eingesetzt. Mitte 2017 haben islamistische Milizen, die von der Türkei unterstützt wurden, Olivenhaine bei Afrin niedergebrannt. Die Region Afrin ist berühmt für ihren historisch bis in die Zeit vor Christi Geburt zurückreichenden Olivenanbau und die Seife aus Olivenöl. Auch werden von der türkischen Armee in Kurdengebieten Bewässerungssysteme zerstört, die Olivenhaine versorgen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es als zynisch, dass die Türkei ihre Offensive im Kanton Afrin Anfang 2018 "Operation Olivenzweig" nannte. Von kurdischen Demonstranten wurde dies umgewendet, indem bei Demonstrationen gegen die türkische Offensive Olivenzweige geschwenkt wurden - so auch in Kiel am 04. Februar 2018 und in anderen deutschen Städten. Die Operation der Türkei wurde von der syrischen FSA begleitet. Sie endete im März 2018, mit der Konsolidierung der türkischen Präsenz in Afrin. Bei der Operation starben nach Angaben der Türkei 897 Kämpfer der kurdischen YPG, der PYD und des IS.

Seither schwelt der Konflikt. Die Rückkehr kurdischer Zivilisten in die Region Afrin wird unter anderem behindert durch nationalistische syrisch-türkische FSA-Milizen, insbesondere in Afrin selbst. Die Olivenhaine der Umgebung werden teilweise von den Besitzern wieder bewirtschaftet.



INSPIRIERENDE OLIVENPROJEKTE



Dass ich zu einem vernünftigen Preis täglich in meiner Küche erfahren kann, was gutes Olivenöl bedeutet, verdanke ich "arteFakt. Das Olivenöl", einer von Conrad Bölicke gegründeten Firma aus Wilstedt bei Bremen, die in Anlehnung an die Potsdamer "Teekampagne" seit 1998 ihre "Olivenöl-Kampagne" durchführt. Wie schon die Teekampagne, bei der Bölicke lange Geschäftsführer war, verbindet "arteFakt" politisch-soziales Engagement, Umweltbewußtsein, Genussfreude und wirtschaftliches Interesse zu einem Projekt, das Verbrauchern, Produzenten und Händlern zu fairen und transparenten Bedingungen gleichermaßen artefakt
                Stifterfondsnutzt.

Die Wilstedter und einige weitere Oliven-Enthusiasten haben inzwischen auf Kreta und in Apulien historisch und ökologisch wertvolle Olivenhaine und eine Olivenmühle erworben, die über Patenschaften und Spenden unterstützt werden können. Darüber hinaus wird "arteFakt" zunehmen im sozial-politischen Bereich aktiv, etwa mit einer "Wirtschaftshilfe von unten" für Griechenland. 2011 hat Conrad Bölicke die "Zukunftswerkstatt" eröffnet, um den Fortbestand der Firma auch nach seinem Ausscheiden zu ermöglichen. Dies ist gelungen (Stand 2017), auch wenn die Preise, wie insgesamt beim Olivenöl, davongaloppieren - was an unter anderem an steigender Nachfrage und schlechten Ernten liegt.

Angetan hat es mir auch ein frühes Motto der Firma: "Landeplätze für Geistwesen schaffen". Dies spielt auf eine Sentenz Hermann Brochs an, nicht auf Ufos oder Geistererscheinungen. Ich sehe darin die Aufforderung an jeden von uns, in seinem Umfeld dafür zu sorgen, dass Engel, Elfen, Nymphen und ähnliche Wesen auf dieser Welt existieren könnten, wenn es sie denn gäbe. Was etwa gleichbedeutend ist mit: Eine Welt schaffen, in der Kinder gut gedeihen können. Nur dass die Sentenz von Broch weniger nach einer politischen Sonntagsrede klingt und zudem das Missverständnis ausschließt, damit sei Disneyland gemeint.

Auf der Website des renommierten Weinversenders "Pinard de Picard", der auch Olivenöl anbietet, fand ich einen interessanten Bericht über den Olivenanbau im Himalaya durch ein deutsch-nepalesisches Ehepaar, das mit seinem 1994 initiierten Projekt viele (nicht nur klimatische) Widerstände zu überwinden hatte. Hartmut Bauder und seine Frau Pramila wollten unter anderem dazu beitragen, eine neue Ernährungs- und Einkommensquelle für die dortige ländliche Bevölkerung zu erschließen.
Himalaya
              Olives
Die Inspiration für sein Projekt bekam Bauder zunächst in der Provence, wo er lange lebte. Nach seinem Rückzug von der Arbeit als Manager bei BASF India lernte er im Himachal Pradesh, einer Nepal benachbarten Region im Norden Indiens, ein italienisches Olivenprojekt kennen, das ihm als Vorbild für sein eigenes Projekt diente. Auch Bauder hatte mit einem Klima zu tun, das Oliven nicht von vornherein günstig ist. Doch er setzte darauf, dass gerade durch die Besonderheiten des Klimas, aber auch der geografischen Lage und der Bodenbeschaffenheit, ein interessantes Olivenöl entstehe.

Die Olivenhaine, insgesamt etwa 10 Hektar, liegen auf einer Höhe zwischen 1700 und 2000 Meter im Chitlang Valley, 100 Straßenkilometer von Kathmandu entfernt. 1994 wurde mit einer Investitionssumme von 240 000 US-Dollar begonnen. Die ersten Bäume aus provenzalischer und toskanischer Herkunft wurden 1996 gepflanzt. Allerdings machten Pilzerkrankungen vor allem im Monsunregen den nepalesischen Olivenbäumen zu schaffen. Mit der Unterstützung des israelischen Landwirtschaftsexperten Gideon Peleg, technischer Leiter eines Olivenprojektes in Rajasthan/Indien, ist es gelungen, diese Probleme in den Griff zu bekommen. Peleg hat das Schnittregime, die Bewässerungstechnik und die Düngung geändert. 2010 konnte das erste Öl von 2000 Olivenbäumen verkauft werden und für 2012 erwartete Bauder erstmals schwarze Zahlen in der Buchhaltung seines Projektes. Die letzten Nachrichten zum Bauder-Projekt, die das Internet kundtut, stammen von 2012. Die mir bekannte Website des Projektes ist nicht mehr zugänglich, ebenso die mir bekannte Mailadresse (Stand Anfang 2018). Wie es aussieht, sind die Bauders nun vorrangig in ihr zweites Projekt involviert, die 1998 gestartete Zucht von Alpacas in Godavari und die Produktion von Decken aus ihrer Wolle.

2006 startete der Unternehmer Michael Hoppe in Namibia sein Projekt "Steps for Children". Ziel war die Steps for
                Children Namibia Okakarara Michael HoppeEinrichtung von "Einkommen erzielenden Projekten", um Hilfe für Waisenkinder, in der Regel Aids-Waisen, langfristig und nachhaltig zu ermöglichen.

Startpunkt war die Gemeinde Okakarara mit 8.500 Einwohnern, von denen etwa die Hälfte unter 18 Jahre alt ist, mit einem extrem hohen Anteil an Waisen. Für Okakarara entwickelten Hoppe mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Konzept für ein Kinderdorf mit Schule und verschiedenen Einrichtungen wie Internetcafé, Fahrradwerkstatt und Gemüsegärtnerei. Das geschah in enger Abstimmung mit der offiziellen Gemeindeverwaltung und den informellen traditionellen Häuptern der Gemeinschaft. Beraten wurde Hoppe auch durch erfahrene Projektträger, die in der Region aktiv waren.

Von den traditionellen Chiefs wurde das Projekt von Hoppe und seinen Mitstreitern gebilligt mit dem Satz: „Wir heißen dich und dein Projekt in Okakarara willkommen. Der Abdruck, den dein Fuß hier im Sand hinterlässt, wird niemals vom Winde verweht." 2011 wurde "Steps for Children" im Rahmen der Initiative "Deutschland. Land der Ideen" ausgezeichnet.

Inzwischen umfasst das Projekt elf "steps", von denen einige Einkommen erzielen, von denen auch die übrigen, wie die Schule, die kein Einkommen erzielt, unterstützt werden. Das für die langfristige Finanzierung wichtigste Teilprojekt ist ein Olivenhain, der Anfang 2009 auf etwa 10 Hektar mit 1664 Jungpflanzen aufgebaut wurde. 2010/11 kam es bedauerlicherweise zu erheblichen Problemen mit Frost und Ameisen. Danach wurden 416 Bäume neu gepflanzt, die nun mit Tropfbewässerung gepflegt werden. Die Überlebenden der ersten Pflanzrunde werden in Töpfen weiter kultiviert. Für neue Pflanzungen gibt es ein Patenschaftsmodell "Virtueller Olivenhain".

2016 wurde in Hamburg, veranstaltet durch den Rotarier Club Hamburg-Haake, und in Okakara das zehnjährige Jubiläum gefeiert.

Der Bremer Rechtsanwalt Karsten Förster hat sich auf und um Schloss Rattey in Mecklenburg-Vorpommern den Schloss RatteyOlivenhain-Traum durch die Pflanzung von Ölweiden im Außenbereich und Oliven im Wintergarten erfüllt. Mit viel Enthusiasmus, Finanzkraft und kundiger Unterstützung ist es Förster seit dem Kauf von Schloss und Gelände 1996 gelungen, einen vielfältigen Paradiesgarten zu schaffen, unter den spezifischen Mecklenburger Klimaverhältnissen, die durch Ostseenähe geprägt sind.

Dass ihn nicht nur Oliven begeistern, sondern auch der Weinbau, macht Försters Projekt für mich doppelt interessant. Er war es, der ab 1999 den Mecklenburger Landwein gegen alle bürokratischen Hindernisse wiederbelebt und durchgesetzt hat, mit amtlichem Siegel von 2009. Damit hat er das nördlichste Weinbaugebiet in Deutschland neu begründet. Chapeau! Auf zunächst 3,7 Hektar gediehen die Rotweinsorte Regent und die Weißweinsorten Phönix, Ortega, Müller-Thurgau sowie Huxelrebe. Die Sortenwahl lässt erkennen, dass Förster und sein Winzer Stefan Schmidt auch ökologische Aspekte wie geringen Spritzmitteleinsatz im Blick hatten. 2019 gab es einen Besitzerwechsel auf Schloss Rattey, es gehört nun der "Inselmühle Usedom" GmbH. Stand 2021 ist die Anbaufläche für Wein auf 20 Hektar angewachsen.

Mecklenburg-Vorpommern genießt historisch einen guten Ruf als Region mit einem besonderen Faible für den Gartenbau. Berühmt sind etwa die Schloßgärten und Parks von Ludwigslust, Schwerin und Neustrelitz. Rattey setzt in dieser anregenden Umgebung einen zeitgemäßen neuen Akzent. Der Ruf des von Förster wiederbelebten Mecklenburger Landweins wurde bereits im Hochmittelalter begründet, durch die Zisterzienser (die sich in anderen Regionen auch für den Olivenanbau einsetzten). Die Nähe zur Ostsee schafft in Mecklenburg-Vorpommern ein maritim beeinflusstes, vergleichsweise mildes Klima, das solche Vorhaben begünstigt. Die Region beheimatet auch einige der ältesten Maulbeerbäume Deutschlands, so ein etwa 300 Jahre altes Exemplar in Grambow, das den alten Fritz noch persönlich kannte, den Förderer der Seidenraupenzucht in Preußen - eingeführt hatte diese sein Vater Friedrich Wilhelm I. bereits 1663.

Für das Jahr 1709 sind Maulbeerbäume (neben Weinstöcken, Nussbäumen und Pfirsichbäumen) dokumentiert als Opfer des großen Frostes, von welchem Bernhard Ludwig Bekmann als Herausgeber der "Historischen Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg" berichtet. Sie hätten danach aber wieder ausgetrieben.
Die SchSchülerfirma
                Oliventraum Weibertreuschule Weinsbergülerfirma "Oliventraum" nennt als eine ihrer zentralen Leistungen: "Verbindet Menschen". Und in der Tat leistet das Bildungsprojekt der Stauferwerkrealschule Weinsberg dies, indem sie Menschen in Deutschland und Italien in einem Arbeitsprojekt zusammenbringt. Und sie leistet noch weit mehr.

Das Projekt wurde 2006 auf der Basis persönlicher Kontakte durch eine engagierte Lehrerin initiiert, in Kooperation mit der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde Lucca Sicula auf Sizilien, in der Provinz Agrigent - 1.500 Kilometer von Weinsberg entfernt. Bald reisten jedes Jahr im Oktober zwölf Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klasse nach Lucca Sicula, um bei der Olivenernte mit Olivenrechen und bei der Ölpressung vor Ort selbst mit dabei zu sein und zuzupacken. Zuhause erarbeiten sie das Marketing für "ihr" Olivenöl und standen regelmäßig auf Märkten in Weinsberg und Umgebung mit diesem Olivenöl und anderen Produkten aus Lucca Sicula wie Orangenmarmelade und Honig. Dass sie dabei gerne von ihren Erfahrungen in Sizilien berichteten, versteht sich von selbst. Verbunden war mit dem Projekt, dass die jeweils neuen Teilnehmer aus der 8. Klasse von denen der schon erfahrenen 9. Klasse gleichsam "ausgebildet" wurden. So hat das Projekt auch innerhalb der Schule für neue Kontakte gesorgt.

Neben konkreten Erfahrungen mit einer kompletten Wertschöpfungskette vom Olivenbaum bis zum Endverbraucher stand auch der Erwerb von Kompetenzen wie Teamfähigkeit, kulturelle Offenheit, europäisches Bewußtsein, ökologisches und ökonomisches Denken sowie Leistungsbereitschaft auf dem Lehrplan der Schülerfirma. Mit den Erlösen aus dem Projekt unterstützte "Oliventraum" unter anderem die Arbeit des "Schüler-Cafés" der eigenen Schule. Man möchte dem Projekt viele Nachahmer wünschen - niemand sollte sich durch den Marketing-Spruch "Wir sind das Original" abschrecken lassen.

Seit Dezember 2017 ist das Schulprojekt eingestellt. Die nicht schulbezogenen Aspekte des Projektes werden von der Kooperation "Carretu Sicilianu" fortgeführt.


OLIVENPFLANZUNGEN IN DEUTSCHLAND/NÖRDLICH DER ALPEN/ÖSTERREICH


Wir können, ja müssen davon ausgehen, dass in der Antike der eine oder andere römische Gutshofbesitzer auch ohne amtliche Genehmigung (solche sind nur zu Weinbergen dokumentiert) in den Provinzen Germania Superior und Germania Inferior versucht hat, Olivenbäume heimisch zu machen. Obergrombach, wo mein eigener Olivenhain steht, mit den Resten einer südexponierten großen römischen Gutsanlage, einer "villa rustica", im Gewann "Steinhaufen" beim "Remmerich" (die Abbildung zeigt eine Rekonstruktion der Heizanlage im Küchenkomplex von Hans Rott) ist sicherlich ein Kandidat für einen solchen aller-allerersten Olivenhain in unserer Region. Ebenso der Kölner Raum. Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass zur Römerzeit die Alpen bis in Höhen von 2800 Meter eisfrei waren. In Mitteleuropa dürften die Winter daher erheblich milder gewesen sein als heute. Villa rusticaHannibals Zug über die Alpen im Oktober ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen.

"Une production d'huile en Belgique et en Germanie?", fragt Jean-Pierre Brun in seinem Werk "Archéologie du vin et de l'huile en Gaule romaine" 2005. Allerdings vertieft er das Thema dann nicht in Richtung Olivenöl, er begnügt sich mit einem Hinweis auf Nussöl. Es gibt in historischen Dokumenten keinerlei Hinweise auf Olivenhaine an der Mosel, während zu den Moselweinbergen der Römerzeit zahlreiche verwaltungstechnische, literarische und archäologische Belege existieren. Beachtet werden muss allerdings, dass es in Germanien im römerzeitlichen Klimaoptimum (Augustuszeit bis ins 4. nachchristliche Jahrhundert) zwar vermutlich noch wärmer war als heute unter den Zeichen der Klimaerwärmung - aber auch sehr regnerisch, was Olivenbäumen nicht gut bekommt.
Angesichts des Klimaoptimums im Mittelalter zwischen 900 und 1300 könnte es durchaus sein, dass im Bereich Germaniens einige Olivenbäume der Römer, die das Pessimum der Völkerwanderungszeit an günstigen Standorten überlebt hatten, weiter/erneut kultiviert wurden oder dass Klöster auf der Basis ihrer sozialen und kulturellen Beziehungen zum Mittelmeerraum Olivenpflanzen einführten.

Die Benediktinerin Hildegard von Bingen empfahl im 12. Jahrhundert Olivenöl und Tee aus Olivenblättern als Heilmittel - was die Vermutung nahelegt, dass sie diese Blätter auch unmittelbar in ihrem Kloster Rupertsberg zur Verfügung hatte. Ein Zisterziensermönch aus Maulbronn titulierte sie in einem Brief als "prächtiger Olivenbaum" - ein Bild, das gelegentlich für Christus verwendet wurde. Historische Olivenbäume im Bereich des Rupertsberg-Klosters dürften allerdings kaum mehr zu belegen sein, da der Klosterbereich für die Nahetalbahn 1857 tiefgründig umgestaltet wurde.

Gesichert ist, dass Benediktinermönche erheblich daran beteiligt waren, den Olivenanbau während des mittelalterlichen Klimaoptimums in Südfrankreich und Norditalien erneut einzuführen. Die zahlreichen Kontakte der Äbtissin vom Rupertsberg in diese Regionen sind bekannt.

Grundsätzlich ist es sehr schwierig, die Dokumente des Mittelalters im Blick auf genützte Kulturpflanzen zuverlässig zu deuten. Malerei und Schrifttum (etwa die Schriften zur Heilkunde von Hildegard oder die Schrift zum Gartenbau von Strabo) waren stark durch antike Vorbilder und symbolische Konventionen geprägt. Zudem war der Handel mit exotischen Gewürzen, Gemüsesorten und Obstsorten breit aufgestellt. So ist es bislang auch unklar, ob die im Stauferreich im Rheingebiet häufig als Speise aufgeführte Feige nur aus dem Import oder auch aus eigenem Anbau stammte.
Der allererste Olivenhain in Deutschland nach der "kleinen Eiszeit" vom 15. bis zum 19. Jahrhundert wurde angeblich Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts in einem Weinberg der Vorderpfalz, bei Neustadt an der Weinstraße, angelegt - er sei jedoch in den Folgejahren erfroren.

Angesichts der Klimadaten der Zeit könnte ein solcher Versuch eher Ende der 30er Jahre stattgefunden haben - nach einer Serie vergleichsweise milder Winter seit dem Winter von 1934/35 und unter den Rahmenbedingungen nationalsozialistischer Autarkievorstellungen. Eventuell aOlivenbaum bei der
              Kirche St. Martin/Pfalz 2018uch im unmittelbaren Gefolge des Hitler-Mussolini-Paktes vom Mai 1939. Mit dem Winter 1939/40 begann eine Folge sehr strenger Winter in der Region, die Olivenbäume, zumal unter Kriegsbedingungen, sicherlich nicht überstehen konnten.

In den 90er Jahren kam durch Mario Strähler, der lange Jahre in Rom gelebt hatte, die Palmen-Leidenschaft nach Deutschland. Nachdem in Deutschland schon in den Jahren des Wirtschaftswunders Palmen in die Wohnzimmer eingewandert waren, eroberten sie nun, gemeinsam mit Bananenstauden, den Außenbereich von Gärtnern mit Südwind-Sehnsucht.

In unmittelbarer Nähe zu Neustadt pflanzte der Winzer und Botaniker Peter Straub 1999 und in den Folgejahren Oliven in seinen Projekten "Mediterraner Garten" (Maikammer) und "Biblischer Garten" (St. Martin). Gut entwickelten sich die Bäume in St. Martin, im Schutz einer Sandsteinmauer unterhalb der Patronatskirche von St. Martin. Im Herbst 2018 konnte ich dort auch reife Früchte bewundern (s. Foto)! In Maikammer steht, gleichfalls im innerörtlichen Bereich, lediglich ein vitaler Busch, der 2018 keine Früchte trug.

Auch in den Folgejahren schaute ich immer wieder mal bei den Oliven von St. Martin vorbei. Dank Bewässerung können sich dort üppig Früchte entwickeln - aber kaum jemand nimmt die etwas versteckt platzierten Bäume wahr. Interessant sind im Biblischen Garten von St. Martin auch die Erdbeerbäume und andere Exoten.

Bitte melden Sie sich, wenn Sie zum historischen Neustädter Olivenhain oder anderen Olivenhainen in Deutschland vor 2005 Informationen haben!
Nach der Jahrtausendwende kam es zu einer Welle neuer Versuche mit Olivenbäumen im Außenbereich. Den ersten (und vorläufig nördlichsten) Olivenhain Deutschlands jüngerer Zeit haben 2005 die Baumschulinhaber Heinz und Michael Becker sowie der Olivenölhändler Stephan Marzak auf dem Gelände der Baumschule Becker in Pulheim-Stommeln bei Köln angelegt. Nach den "Prophezeihungen des Heiligen Malachias"  aus dem 12. Jahrhundert (vermutlich eine Fälschung aus dem 16. Jahrhundert) stand das Pontifikat von Benedikt XVI. (2005-2013) unter dem Zeichen des Olivenbaums ("De Gloria Olivae") - und es darf dabei erinnert werden daran, dass die Benediktiner in der Ausbreitung des Olivenanbaus im Mittelalter stark engagiert waren und im Olivenanbau engagiert blieben bis in die Gegenwart.

Die Bäume in Pulheim-Stommeln stammten teilweise aus der Olivenbaumsammlung Marzaks, der bereits Anfang der 90er Jahre über sein Unternehmen sortenechte Olivenbäume in Deutschland verkaufte. 2006 und 2007 fanden auf dem Gelände der Baumschule "Olivenblütenfeste" statt und Anfang 2008 konnte schon die erste Ernte von 25 Kilogramm vermarktet werden. Der Bestand umfasste 2007/08 ca. 110 Bäume auf 1000 qm - wobei 45 Bäume neu gepflanzt waren, also noch nicht nennenswert fruchten konnten. Im Frühjahr 2008 trennten sich die Partner und die Brüder Becker betrieben dann mit einem Teil des Bestandes und Neupflanzungen den Hain alleine weiter.

Diesem Olivenhain verdanke ich meine erste Begegnung mit jungen, ausgepflanzten Olivenbäumen in Deutschland - zunächst im Internet, dann draußen im Leben. Am 9. Mai 2008 besuchte ich den Hain und Michael Becker erklärte mir die Pflegeprinzipien. Im Kofferraum nahm ich 8 Leccino und 8 Olivastra Seggianese als "Heister" (Pflanzbäume) zurück mit nach Obergrombach. Beides in der Toskana heimische Sorten, die sich in Pulheim schon bewährt hatten - und dann auch bei mir bewährten, mit der Einschränkung, dass auch diese Sorten mit den Wintern 2008/09 bis 2011/12 Baumschule Beckernicht ohne massive Schutzmaßnahmen klar kamen und im Frostfebruar 2012 bis auf je zwei Exemplare verloren gingen.

Der Winter 2008/2009 hat dem Pulheimer Hain sehr zugesetzt. Obgleich etwa dreißig Bäume der Sorten Leccino und Olivastra Seggianese nach Auskunft der Beckers noch Vitalität zeigten, haben sie beschlossen, am 8. Mai 2009 einen radikalen Neuanfang zu starten - ausschließlich mit Jungbäumen dieser Sorten. Dafür gibt es gute Gründe. Nach dem Katastrophenwinter 1984/85 hat sich in der Toskana gezeigt, dass Neupflanzungen innerhalb weniger Jahre frostgeschädigte Altanlagen im Ertrag überholen konnten. Das Bild Beckerscher
              Olivenhain 2019links zeigt die Neuanlage mit Beachball-Feld Anfang Mai 2009 - bei meinem zweiten Besuch aufgenommen, als ich mich davon überzeugen musste, dass vom einst wundervollen Altbestand nichts mehr stand!

Nach dem wiederum sehr strengen Winter 2009/10 wurde mit Leccino neu angepflanzt, dazu kamen als Befruchter einige Cipressinos. 2016 gab es, so berichtete mir Michael Becker bei meinem dritten Besuch 2017, eine Ernte von 70 Kilogramm. Bei einem weiteren Besuch im August 2019 konnte ich mich davon überzeugen, dass dieser Hain keinen Vergleich mit jungen Hainen in Italien scheuen muss, auch nicht in seinem respektablen Fruchtbehang - siehe Bild rechts! Lediglich die Cipressinos waren vom Winter 2016/17 in Mitleidenschaft gezogen worden. Was bei dieser Sorte nicht erstaunt. Mit beispiellosem Einsatz haben die Beckers es also geschafft, einen fruchtenden Olivenhain in Deutschland zu etablieren - falls meine Klima-Zyklusprognosen stimmen, dürfte sich dieser Hain halten zumindest bis ca. 2040.
Aus dem ersten spaltete sich Anfang 2008 der in gewissem Sinne für einige Jahre älteste Olivenhain Deutschlands ab, nachdem es zwischen den Brüdern Becker und Stephan Marzak zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war. Stephan Marzak von "Olive e Più" übersiedelte einen Teil des von ihm eingebrachten Bestandes auf das Gelände der Baumschule "Marzak OlivenbäumeLa Cava" in Köln-Widdersdorf - darunter die ältesten in Deutschland aus italienischem Pflanzgut groß gewordenen Olivenbäume. Der Hain stand auf einem Gelände von etwa 2000 qm und zählte 2008 etwa 180 Bäume.

Nach meiner Visite bei den Beckers besuchte ich im Mai 2008 "La Cava" und fand dort mit Christian Schmitt einen engagierten Betreuer des gerade angelegten neuen Hains. Allerdings verließ er das Projekt im Jahr darauf. Bei meinem zweiten Besuch 2009 fand ich den Bestand in einem bedauernswerten Zustand wieder. Denn auch in Köln-Widdersdorf hatte der Winter 2008/09 grausame Spuren hinterlassen.

Die erfrorenen Jungbäume wurden ersetzt durch Leccino und Canino (eine als robust geltende Sorte aus Mittelitalien), ältere Bäume waren zurückgeschnitten in der Hoffnung, dass sie auch im Kronenbereich neu austreiben. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Im Vordergrund der Aufnahme vom 8. Mai 2009 sind die zurückgeschnittenen Bäume zu sehen, im Hintergrund die Neupflanzungen. Laut Pressemitteilung von "Olive e Più" vom November 2009 haben "fast alle" Überlebenden aus dem Wurzelstock wieder neu ausgetrieben. Bei den Neupflanzungen wurde Ende 2009 eine Olivenernte gefeiert. Nach dem erneut strengen Winter 2009/2010 wurde auf ein Olivenfest mit Hinweis auf die wiederholten Frostschäden verzichtet. Eine Entscheidung, die Respekt verdient!

Danach wurde das Projekt Olivenhain in Köln-Widdersdorf eingestellt. Gärtnerisch werden allerdings von La Cava weiterhin Olivenbäume unterschiedlichen Alters angeboten, darunter auch ältere Solitäre aus Spanien. Seit Oktober 2012 geschieht dies am neuen Standort in Köln-Vogelsang.
Den knorrigsten Olivenhain Deutschlands nahm Ende 2008 ein Tourismus- und Altenheimunternehmen, die Heinrichs Gruppe mit Sitz in Gangelt-Kreutzrath bei Aachen, in Arbeit. Dabei handelte es sich um eine Anlage mit 140 alten bis uralten Olivenbäumen aus Portugal, die in ihrer Heimat Baumaßnahmen im Wege gewesen waren. Gangelt ist einer der wärmsten Orte Deutschlands, mit zahlreichen Hitzerekorden.

2009 gepflanzt ist der Hain nach zwei strengen Wintern komplett erfroren und so wurde er 2011 auf Initiative des Unternehmerehepaares Karin und Johannes Heinrichs im Rahmen eines auf Fortsetzung angelegten Symposions ("1. Gangelter Skulpturenwoche") teilweise in Holzskulpturen verwandelt. Der Pflanztermin war hier extrem ungünstig, drei Jahre später gepflanzt hätte der Hain eine reele Chance gehabt!

Zehn europäische Künstler und Künstlerinnen aus sieben Ländern waren vom 01. bis 11. September 2011 auf dem Gelände der Alten Ziegelei Gangelt damit beschäftigt, aus den toten Olivenbäumen Skulpturen zu gestalten. Die Holzbildhauerin Brele Scholz aus Aachen koordinierte das Projekt künstlerisch. Sie selbst arbeitet vorwiegend mit Stammholz und hat aus einem abgestorbenen Olivenbaum ein Tango-Paar gestaltet.

Die Verkaufserlöse der Skulpturen gingen zum Teil an den Verein "Partnerschaft für Afrika", zum Bau eines Waisenhauses. Der Verein war Anfang 2011 gegründet worden, mit Johannes Heinrichs als Gründungsmitglied und Vorstandsvorsitzendem. Das Projekt "Gangelter Skulpturenwoche" wurde nicht fortgesetzt, Heinrichs widmete sich fortan der "Partnerschaft für Afrika", für die er auch mehrmals nach Tansania reiste, zum Aufbau und zur Betreuung des Waisenhauses, für Bildungsprojekte und zur Nothilfe bei Dürre. Leitlinie der Vereinsarbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe, die Geschäftsführerin Friederike Heidenhof (eine namhafte Dressurreiterin) ist seit 2005, zunächst für die Erzdiözese von Arusha, in Tansania engagiert.

Das Holz der Oliven war schon in der Antike ein begehrtes Material für Schnitzarbeiten und Skulpturen. Auch für Schüsseln, Schalen und Besteck ist es ausgezeichnet geeignet. Holz ist ein besonders vergänglicher Werkstoff, weshalb nur wenige materielle Belege zu dieser Weise der Olivennutzung in der Antike existieren. Die Verwendung als Brennholz wurde in einigen spektakulären Funden der jüngeren Zeit nachgewiesen, so (für Wildoliven) an menschlichen Feuerplätzen mit einem Alter von ca. 790.000 Jahren in Israel, durch Forscher der Bar-Ilan Universität.
Und noch einer. An der Mosel hat ein Ehepaar aus Köln im Frühjahr 2009 unter lebhafter Medienbeteiligung einen Olivenhain mit 200 Bäumen türkischer Herkunft, Sorte "Memecik", auf 3.900 Quadratmetern angelegt, bei Pünderich (Foto). Der Hain lag in einem Weinberggelände direkt am Fluss, mit einem Boden, der "reich ist an Schiefergebröckel", wie ein römischer Autor im 6. Jahrhundert schrieb. Die Betreiber der Anlage sind nebenberuflich im Olivenölhandel tätig und besitzen bereits seit einigen Jahren einen Olivenhain mit 400 Bäumen in der Türkei/Sirinçe.

Die Prognosen für dMoselhainen Mosel-Olivenhain waren wegen der temperaturausgleichenden Wirkung des Flusses und dank des wärmespeichernden "Schiefergebröckels" grundsätzlich günstig. Als Winterschutz wurden im ersten Winter 2009/10 Stroheinhüllungen eingesetzt. Die Wurzeln von 75% der Heister hatten, wie berichtet wurde, diesen Winter überlebt. 2010 legte die Familie mit dem befreundeten Biowinzer-Paar Erika Helmut Krauss (die in dem kleinen türkischen Dorf Sirince den Weinbau umgekrempelt haben) einen weiteren Olivenhain mit 100 Pflanzen bei Zell in der Pfalz auf Lössboden an, um, wie der Website zu entnehmen ist, Erfahrungen auf unterschiedlichen Böden zu sammeln. Im Winter 2010/11 wurden die Pflanzen der beiden Haine mit Kunststoffmanschetten geschützt. 2011 hat die Familie das Moselprojekt der wiederholten Frostschäden wegen beendet. Vom Zeller Hain ist nach Oktober 2011 nichts mehr zu hören/lesen. Der Frostfebruar 2012 dürfte auch hier fatal gewirkt haben.

Die ehemaligen Betreiber sind laut ihrer Website der Auffassung, dass es in 50 Jahren normal sein dürfte, an der Mosel Olivenbäume zu haben. Ich halte dies auch für möglich, wage inzwischen aber keine Prognosen mehr zur langfristigen regionalen Klimaentwicklung, unter anderem nach den Wintererfahrungen 2008/09 bis 2011/12. Ich vermute auch, dass bereits während der Römerzeit und im mittelalterlichen Klimaoptimum Olivenbäume an der Mosel standen. Sicherlich nur in geringer Zahl, da sich sonst Zeugnisse erhalten hätten. Und es gab auch wenig Anlass, größere Haine anzulegen. Die Klimabedingungen dürften trotz höherer Temperaturen nicht optimal gewesen sein und die Handelsbeziehungen zu Olivenöl produzierenden Regionen waren vollkommen ausreichend, die Nachfrage zu befriedigen - die ohnedies nur zur Römerzeit in nennenswertem Umfang bestanden haben dürfte.
Und noch ein weiterer. Im Juli 2009 erreichte mich eine Mail von Bernd Fischer, der in Freiburg-Hochdorf ein Gasthaus/Hotel mit dem verheißungsvollen Namen "Zur Sonne" betreibt.

Fischer hat 2008 nördlich von Hochdorf 90 Heister der Sorten Leccino und Frantoio in ein Ackergelände gepflanzt und im Winter ganz ohne Schutz belassen. Wie er schreibt, haben nur fünf Exemplare den Extremfrost 2008/09 nicht überlebt, was ganz erstaunlich ist - insbesondere vor dem Hintergrund, dass erst im September gepflanzt wurde. Der Betreiber hat mir Fotos vom Juli 2009 geschickt, auf denen gut Neuaustriebe zu erkennen sind. 2010 bis 2015 gab es auch eine ansprechende eigene Homepage zum "Hochdorfer Olivenhain".

Die Region Kaiserstuhl hat nach meiner Einschätzung besonders gute Chancen, einen stabilen Olivenhain in Deutschland zu etablieren. Denn die aktuelle Klimaentwicklung produzierte in den vergangenen Wintern eisige Troglagen von Norden her, deren Zungen bis in den Raum Heidelberg/Karlsruhe vordrangen - und mich (gewiss auch die Kölner Hainbetreiber) viel Nerven gekostet haben. Südbaden bliOlivenhain Fischer Freiburgeb weitgehend verschont und die Fotos vom Hochdorfer Hain aus dem Frühjahr 2011 sind wirklich beeindruckend. Teilweise sind dann die Blätter abgefallen, doch das Holz hatte keine größeren Schäden abbekommen. Fischer hatte die Pflanzen im Winter 2010/11 durch Vlies geschützt.

Der Frostfebruar 2012 erreichte allerdings auch die privilegierte Kaiserstuhlregion und schädigte die Bäume der Hochdorfer Anlage erheblich (wie es scheint, stärker als die Beckersche Anlage). Das Projekt wurde jedoch weitergeführt und 2016 kann Fischer mir neue Bilder schicken, die vitale Bäume zeigen!

Bei einem Besuch im Mai 2017 konnte ich den Zustand der Anlage persönlich bewundern: Zehn Bäume, die in Stamm und Kronenentwicklung etwa den Beckerschen entsprechen (s. Foto). Allerdings war vom vergangenen Jahr nur minimal Laub erhalten, mit starkem Occhio di Pavone-Befall. Der Neuaustrieb war überwiegend beachtlich. Aufgefallen ist mir der massive Besatz mit Gelbflechten, der Hain liegt inmitten landwirtschaftlicher Flächen, stark windexponiert.

In der Folge hat Fischer bedauerlicherweise die Pflege des Bestandes aufgegeben.
Der heiße Sommer von 2018 brachte auch einige besonders kühne Olivenphantasien zur Blüte. So erklärte ein Klimaexperte der Münchener Rück, Ernst Rauch, im Juli 2018, "(d)ie Brandenburger Bauern werden mittelfristig nicht mehr Getreide anbauen können, sondern müssen dann eher Olivenbäume pflanzen". Eine genauere Erklärung zu "mittelfristig" gab er dabei nicht, die Frage der Interviewerin lautete "Wie sieht die Region in 100 Jahren aus?".

Die Journalistin Anke Petermann hat für den Deutschlandfunk im Oktober 2018 eine kurze Sendung geschnitten mit dem Titel "Oliven-Anbau in Deutschland - ein Generationen-Vorhaben". In der Anmoderation wird forsch von Deutschland als Olivenanbauland und von deutschen "Olivenbauern" gesprochen. Im Mittelpunkt des Beitrages steht eine ökologisch interessante Olivenanlage mit 25 Pflanzen oberhalb von Ahrweiler, am Domberg, betrieben von einem Olivenölhändler und einem Prädikatswinzer seit 2016, anerkannt als ökologische Ausgleichsmaßnahme. Gepflanzt wurden dort die Sorten Frantoio, Leccino, Moraiolo und Pendolino aus Italien, Hojiblanca und Picual aus Spanien. Leider gab es im Sommer 2018 durch Vandalismus Ärger, was die Initiatoren, Michael Kriechel und Oliver Heimermann, jedoch nicht entmutigt.

Auch dieser Hain steht (wie der ehemalige Hain von Pünderich) auf gut geeignetem "Schiefergebröckel" an einem Südhang. Frostschutzmaßnahmen werden nicht eingesetzt. Ziel ist, wie bei den Beckers in Pulheim-Stommeln, die Produktion eines eigenen Olivenöls. Das breite Sortenspektrum könnte wertvolle Erfahrungen für weitere Experimente in Deutschland bringen.

Stand 2022 umfasst die Anlage etwa 40 Bäume - der trockene Sommer 2019 hat eine Neuanpflanzung erheblich beeinträchtigt. Der Fokus liegt nun auf spanischen Sorten, Picual, Hojiblanca und Arbequina. Mit diesen gebe es, so Heimermann, bislang sehr positive Erfahrungen, auch im Fruchtansatz. Mit sommerlichen Trockenheiten dürften die spanischen Sorten besonders gut zurechtkommen. 2022 wurden von den Betreibern an einem anderen Standort im Ahrtal weitere 80 Bäume dieser Sorten plus Frantoio gepflanzt.
Der nördlichste mir bekannte Olivenhain Europas befindet sich in Kent, in der "Isle of Oxney", einer Landschaft im Südosten Englands, wo auch einige bekannte englische Weinberge liegen. Die Gegend zählt zu den wärmsten und trockensten Standorten in Großbritannien. Und so haben es zwei Enthusiasten, Louise und Neil Davy, unternommen, auf ihrem Wohn-Hof, "Huggits Farm" bei Stone-in-Oxney/Ashford, 2012 mit Unterstützung benachbarter Landwirte einen Olivenhain anzulegen, mit 200 dreijährigen Bäumen, hauptsächlich Frantoio, Leccino und Maurino.

Die Idee zum Olivenanbau wurde auf der Hochzeitsreise des Paares an der Amalfiküste 2002 geboren. 2011 starteten sie ein erstes Experiment mit zwölf Bäumen sechs verschiedener Varietäten, von denen sich die drei genannten als besonders erfolgversprechend zeigten. Im April 2012 erreichte ein Container mit 200 Oliven dieser Sorten aus Norditalien ihr neues Zuhause, Huggits Farm. Zur Vorbereitung des Geländes, einer brachliegenden Wiese beim Haus, wurde erstmal Glyphosat gespritzt. An die Anlage einer artenreichen Streuobstwiese dachte Neil Davy, von Beruf Management Consultant, nicht. Sein Ehrgeiz zielte von Anbeginn auf die Produktion eines eigenen englischen Olivenöls und auf eine auch ökonomisch erfolgreiche Anlage. Und bislang läßt das Projekt sich vielversprechend an. Der Frostfebruar 2012 blieb dem Hain ja erspart und nach einigen Schäden durch den Märzwinter 2013 konnten Ende 2013  etwa 20 Kilogramm Oliven geerntet werden, die eingelegt wurden. In der Folge entwickelte der Hain sich gut. Auch das Schneechaos Ende Februar/Anfang März 2018 hat er stabil überstanden. Zu verfolgen ist das Projekt leider nur auf Facebook, mit überwiegend älteren Fotos - und die zugänglichen substantiellen Medienberichte stammen aus den Jahren 2012 bis 2014.

Im zugehörigen Shop ("Wolf & Winslow") sind Stand 2020 noch keine eigenen Olivenprodukte zu erstehen, lediglich Lavendelprodukte der Huggits Farm und Olivenöl vom Gardasee.
Aus Österreich ist ein landwirtschaftliches Forschungsprojekt zum Olivenanbau in Grenzlagen unter Klimawandelbedingungen zu vermelden. 2017 haben Sabine Haider und Franz Günther in Mörbisch am Neusiedler See, nahe der Grenze zu Ungarn, mit 59 Bäumen aus Italien den Olivenanabau gestartet  - wissenschaftlich begleitet durch die Karl-Franzens-Universität Graz. Der Winter 2017/18 hat den Pflanzen, die ohne Winterschutz im Gelände standen, teilweise mit Frostrissen zugesetzt. In den folgenden Wintern wurde Winterschutz eingeplant. Inzwischen (Stand September 2020) stehen dort 540 Bäume/Jungpflanzen von 18 Sorten auf zwei jeweils etwa einen halben Hektar großen Flächen. Die Prognosen sind günstig, die Klimadaten am Neusiedler See vorteilhaft - auch wenn winterliche Feuchtigkeit vom See her Probleme bringen könnte.

Ein anderes österreichisches Paar war schneller, aber weniger wissenschaftlich, vielmehr an Kulinarikangeboten interessiert. In Kapelln bei St. Pölten (Niederösterreich) und sukzessive dann noch in der Wachau (Weinberg in Steillage) und in Untergrafendorf haben Rosemarie Zechmeister und Franz Bräuer seit 2016 etwa 320 Olivenbäume gepflanzt (Stand 2020) auf ca. 2,2 Hektar. Über Kontakte nach Spanien haben sie sich für die Sorte Arbequina entschieden, als Befruchter kamen noch Leccino (eine italienische Sorte) und Picual (gleichfalls eine spanische Sorte) dazu. Gepflanzt wurden teilweise auch ältere Bäume. Das Projekt hat mehrere Dimensionen, dazu gehört ein historischer Vierkanthof, der "Olivenhof".

Im März 2019 hat sich noch ein Winzer in den österreichischen Olivenanbau eingeklinkt, Peter Skoff. Auf seinem Bio-Weingut in Gamlitz (Steiermark) pflanzte er zusammen mit seinen beiden Söhnen Peter und Markus 320 zweijährige Olivenbäume aus der Toskana, die im gleichen Jahr körbeweise Früchte trugen, nach einem Bericht in "meine Woche". Aus den Folgejahren gibt es (Stand April 2023) keine genauen Angaben.

2020 wurde im österreichischen Burgenland, mit drei Hainen gleichfalls in Mörbisch, das Startup "AgroRebels" (Daniel Rössler - Soziologe, Markus Fink - Physiker, Lukas Hecke - Projektmanager) lanciert, das dem Klimawandel in Österreich mit Olivenbäumen begegnen möchte.


MEINE EXPLORATIONS-REISEN


Ende 2008 habe ich auf Naxos einige Neuanlagen und vor allem Altbestände von Olivenhainen  studiert. Besonders beeindruckend waren die Oliven von diesem Baum auf Olivenanbau auf
                Naxosdem Foto links. Wenn man nur leicht an ihnen rieb, lief schon üppig sehr aromatisches Öl über die Finger. Der Hain wurde nur noch zur Beweidung durch Ziegen genutzt, der Ertrag der vorangegangenen Jahre lag auf dem Boden verstreut. Ziegen fressen auch leidenschaftlich gerne Olivenzweige, sofern sie rankommen können. In manchen Bäumen steckten noch alte, rostige, halbeingewachsene Eisengitter. Sie sollten die talentierten Kletterer einst davon abhalten, in die Kronen hineinzusteigen und dort zu äsen.

Bei einer eher hobbymäßig betriebenen Neuanlagen auf dem Gelände eines größeren Ferienhauses fielen mir junge Olivenbäume auf, die in Mulden gesetzt waren. Der Besitzer erklärte mir, dass er dies zur besseren Wasserversorgung gemacht habe. Allerdings gab es nur sehr wenige Neuanlagen und viele vernachlässigte Altanlagen. Der Olivenanbau auf Naxos wird offensichtlich von anderen Formen der Landwirtschaft allmählich verdrängt und  überwiegend in der Südhälfte der Insel noch aktiv betrieben, mit teilweise imposanten Altanlagen, die endlich durch eine geänderte EU-Subventionspolitik gefördert werden müssen. Zumal die Qualität der Naxos-Oliven bemerkenswert ist.

Naxos ist die größte und fruchtbarste Insel der Kykladen, es gibt auch einige große Ackerflächen mit Höfen, deren Fuhrparks der - verfehlte - EU-Subventionseinfluss deutlich anzusehen ist. Überraschend für griechische Inseln ist auch der hohe Bestand an Milchkühen. Auch Ziegenherden, teilweise eng gepfercht, mit erbärmlichen Gitterzäunen und schmutzigen Barackenunterkünften, waren allenthalben zu finden und füllten entlegene Täler eines Gebietes, das einst als idyllisches Wanderparadies von Naxos gepriesen wurde.
Azienda Sperimentale di
                Santa PaolinaBei einer Reise in die Toskana vom 17. bis 31. März 2009 besuchte ich die Azienda Sperimentale di Santa Paolina in Follonica, Versuchsgut des toskanischen Olivenanbaus und weltweit anerkanntes Zentrum der Olivenforschung, mit dem Genbestand von 140 regionalen Olivensorten! Der ausgesprochen hilfsbereite Institutsleiter Claudio Cantini und seine Kollegen gaben mir Tipps zur Steigerung der Frostresistenz (ausreichende Versorgung mit Kalium), zum Baumschnitt (s. Riccardo Gucci/Claudio Cantini: Pruning and Training Systems for Modern Olive Growing) und zur Propfung von Oliven. Von drei für meine Zwecke interessanten Olivensorten (Grappolo, Bianchera, Leccio del Corno) bekam ich Zweige mit, um daraus zuhause Pflanzen zu ziehen bzw. zu propfen. Die Propfungen gelangen, mit Stecklingen hatte ich keinen Erfolg.

Am 21. März 2009 lernte Virgilio
                Ciceroni im schneebedeckten Olivenhain März 2009ich einen Olivenhain in der Nähe von Arezzo kennen, in welchem zwei Sorten wachsen, Morcone und Gentile Nero d'Anghiari, die sowohl den Frostwinter 1955/56 als auch den von 1984/85 überstanden haben. Während 1956 nur der Februar mit Frösten zugeschlagen hatte, wurden 1985 in der Toskana fast alle Olivenbestände durch eine Januar und Februar übergreifende langanhaltende Frostperiode ruiniert.

Olivenbauer Virgilio Ciceroni, eine beeindruckende Persönlichkeit, manövrierte mich in seinem unverwüstlichen Lada Niva durch die Hügel bei Molin Nuovo und zeigte mir, wie die ertragsorientierte Sorte Frantoio nach 1985 (Extremfrost Winter 1984/85) neu aus den Wurzeln austreiben musste, während die Sorten Morcone und Gentile Nero d'Anghiari mit dem Austrieb von 1956 (Extremfrost Winter 1955/56) oder dem noch älteren Stamm überlebten. Ciceroni hat nun im Alter eine Leidenschaft für jene traditionellen Olivensorten entwickelt, die einst von seiner Generation durch ertragreichere Sorten ersetzt worden waren.

An diesem Tag (Frühlingsanfang!) schneite es im Olivenhain - und die Außentemperaturen sind an Ciceronis Kleidung abzulesen!
Über Ostern 2010 reiste ich wieder in die Nordtoskana und verbrachte auch einige Stunden in der wunderbaren "Biblioteca comunale Forteguerriana" von Pistoia aus dem 16. Jahrhundert - ein herzliches Dankeschön an die engagierten und hilfsbereiten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen!

In Cosimo TrinciOlive
                Winterschutz Vergnano Toskanas "L'agricoltore sperimentato" von 1763 fand ich beeindruckende Beschreibungen von extremen Frostereignissen seit 1216, die den Olivenbestand der Region regelmäßig vernichtet haben. Und Giovanni Presta, ein kluger und noch heute gelesener Mediziner und Agronom des 18. Jahrhunderts, schreibt in "Degli ulivi, delle ulive e della maniera di cavar l'olio" von Olivenanbauländern, in welchen das Thermometer im Winter häufig bis -8 oder gar -10 Grad sinke (anzumerken ist: geschrieben zur Zeit der "kleinen Eiszeit").

Bei Presta entdeckte ich zu Griechenland den bemerkenswerten Satz "ha l'inverno siccome l'ha la Germania" - und zwar "a motivo dei frequenti ed altissimi nevosi monti e delle vaste e profonde valli". Eine Aussage, die in der Tendenz durchaus auch für Teile der nördlichen Toskana gelten kann, wie ich in diesem Winter erneut feststellen musste, als ich am 09. April 2010 auf 1600 Meter Höhe vor einer völlig eingeschneiten Berghütte stand. Die Schneegrenze lag bei etwa 1400 Meter (Südosthang). Am 11. April schneite es bis herab auf etwa 1000 Meter. Und doch stehen auch in der "Pesciatiner Schweiz" bei Pistoia Olivenhaine.

In einem Bergdorf auf 650 Meter Höhe sah ich bei einer Wanderung eine an der Basis interessant eingepackte Olive (s. Foto). Aus Pescia, genauer: von der variantenreichen Baumschule SPO (Societa Pesciatina d'Orticoltura) habe ich mir dann vier Pflanzbäume von lokal frostbewährten Sorten (Bianchera und Leccio del Corno) im Fluggepäck mitgebracht, von denen sich Bianchera auch bei mir gut gehalten hat.
Anfang August 2012 machten wir Urlaub in der Provence, im Dreieck Avignon-Digne-Marseille. Die Region beherbergt gleich drei bemerkenswerte Plätze zum Olivenanbau. Da ist zum einen der Mont Ventoux mit den Sorten Tanche am Nordhang und Aglandaou am Südhang. Im benachbarten Nyons (Drôme) befindet sich das Olivenbaummuseum mit fossilen Olivenblättern aus der Zeit 8000 vor Christus und Dokumenten zu den Frostereignissen von 1709, 1766, 1789, 1890, 1956 und 1985. Und in Saint Rémy de Provence hat van Gogh seine Olivenhainbilder gemalt. Zudem arbeiten in der Gegend Baumschulen mit einem guten Angebot an französischen Olivensorten. Allerdings war ich nicht gekommen, um Bäume zu kaufen - ich hatte ja gerade im Frühjahr Bouteillan und Aglandaou neu gepflanzt.

Zum ersten Mal fiel mir auf, wie wenig sich die Vegetation der Provence unterscheidet von der im Kraichgau, auch wenn die Bäume im Wuchs deutlich an größere Hitze und Trockenheit angepasst sind. Besonders freute ich mich über Karthäusernelken, die uns öfter begegnet sind. Die extreme Hitze in diesem Provence-Sommer (um die 40-Grad-Schwelle pendelnd) hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich hoffe doch, dass uns ein solches Klima erspart bleibt. Untersuchungen zur Klimaerwärmung besagen allerdings auch, dass Südfrankreich von der Erwärmung besonders betroffen ist.

Olivenöl der Provence war selten zu bekommen - und wenn, dann zu äußerst heftigen Preisen. Dafür gab es Oliven aus Nyons (Sorte: Tanche) häufig. An den Geschmack musste ich mich erst gewöhnen, rauchig-harzig, an Thymian und Rosmarin erinnernd, ruppiger als die mir bekannten italienischen oder griechischen Speiseoliven oder die spanische Arbequina, die ich besonders mag.

Analogien zu den auf van Gogh-Bildern zu erkennenden Anhäufungen um Olivenbäume, "monticules", entdeckte ich auch. Diese "monticules" waren, wie ich erfragen konnte, erst unlängst nach den Frösten des Winters 2008/09 angelegt worden! Die mir bekannte These, mit diesen Erdhügeln sollten Bodenaustriebe nach Frostschäden zurückgehalten werden, war bei diesen Beispielen wenig überzeugend. Es schien hier eher um Wurzel- und Basisschutz zu gehen. In den Erdhaufen befanden sich bereits junge Wurzeln, aus der bedeckten Stammbasis getrieben.
Ende September/Anfang Oktober 2017 fahre ich nach Nyons, in das bekannteste Olivenanbaugebiet Frankreichs. Das dortige Olivenmuseum (mit vorgeschaltetem Verkaufsbereich) zeigt auch gleich, woher die Bekanntheit kommt: Die federführende Oliven- und Weinbauernkooperative ist äußerst rührig und geschickt in Marketing und PR - und das schon seit 1923.

Gerühmt wird Nyons von Olivenenthusiasten für die Sorte Tanche, "Olive de Nyons" oder "Olive noir de Nyons", die ein aromenreiches Olivenöl AOP (das erste so zertifizierte in Frankreich) liefert und auch als Speiseolive geschätzt wird. Über 600 Hektar sind mit Tanche bepflanzt. Wobei ich im Gelände eine irritierende phänotypische Vielfalt sah, grob unterscheidbar in Pflanzen mit kleineren, bereits weitgehend geschwärzten Früchten, und Pflanzen mit größeren, noch durchgängig grünen Früchten. Mir wurde versichert, alles sei Tanche.Olivenhain bei
              Villeperdrix

Das Olivenmuseum bietet den Bestand üblicher Heimatmuseen, altes Olivenbauerngerät, Mühlsteine etc. pp. Die Mitarbeiter der Verkaufsräume können einem weiter gehenden Informationsbedürfnis eher nicht aufhelfen, die gut sortierte Buchhandlung bei der Place de la Libération kann dies, mit ausgezeichneten Publikationen zum Olivenanbau in Frankreich.

Lehrreich war die Fahrt vor allem durch die Bekanntschaft mit einem breiten Spektrum an Olivenbäumen unterschiedlichen Alters, von denen zahlreiche offensichtlich den Extremfrost Anfang 1956 überstanden haben, andere zeigen Neuaustriebe von 1956ff und 1985ff. Dazu fand ich reichlich Anschauungsmaterial zur Gestaltung der "plantation en butte", der "monticules" für den Olivenbaum. In einigen Hainen sah ich Steinanschüttungen an der Stammbasis. Olivenhaine gab es bis in eine Höhe von etwa 600 Metern. Auf dem Foto ein Hain bei Villeperdrix, auf einer Höhe von 471 Metern, mitten in den Bergen.

Scharf ins Bewußtsein getreten ist mir auch, was üblicherweise bei Passagen über den Brennerpass oder durch den Gotthardtunnel erfahrbar wird: Wo der Süden für uns wirklich anfängt. Im frühen Herbst ist der Unterschied deutlich spürbar. Etwa auf der Höhe von Valence passierte es. Und beim Ausstieg aus dem Zug in Montelimar wußten wir es: Wir sind im Süden, jetzt erst. Die Vegetation, die Luft, das Licht, die Gerüche. Da hatte ein qualitativer Sprung stattgefunden.

Süddeutsche Weinbaulagen, der Kaiserstuhl, der Michaelsberg und ähnliche Ausnahmelagen können im Sommer mithalten. Im Herbst aber zeigt sich, warum bei uns eben auch in naher Zukunft im Freiland Olivenbäume nicht wirklich gut gedeihen oder gar fruchten können. Zu viel Feuchtigkeit bei zu wenig Wärme. Künftig werde ich die Pflanzung auf Monticules/Buttes erproben, mit Steineinlagerungen (wir haben ja Kalkstein zuhauf).
2018 komme ich Anfang April endlich einmal nach Seggiano in der Toskana, in das Herkunftsgebiet meiner Frostheldin Olivastra Seggianese. Mit öffentlichen Uralter Olivenbaum
              bei Seggiano 2018Verkehrsmitteln ist die Reise sehr beschwerlich. Bis zu sieben mal umsteigen (Bahn und Bus), letztes Wegstück Taxi, damit muss man aus Deutschland kommend rechnen, wenn man Siena oder Orvieto "mitnehmen" möchte. Einfacher ist die Anreise über das touristisch weniger spektakuläre Grosseto.

Am Monte Amiata lag noch Schnee, selbst an den Südhängen bis herab auf etwa 1300 Meter. Phänologisch befanden sich die Olivenhaine in der Entwicklung mindestens eine Woche hinter dem meinen. Für den vergangenen Winter wurde mir von -14 Grad Tiefsttemperatur berichtet. Allerdings verzeichnet die Wetterstation der ARSIA lediglich -10 Grad als Spitzenwert. Aus Umbrien wurden am 28.02.2018 gleichfalls zweistellige Frostgrade in Olivenregionen gemeldet. Bei uns waren es in Rheinstetten dokumentierte -12 Grad Tiefsttemperatur am 28. Februar. Eistage gab es in Seggiano 2, bei uns 3.

Im Herkunftsgebiet fällt Olivastra, wie die Varietät hier kurz heißt, durch ihre Größe und das intensiv dunkelgrüne Laub auf. Das Foto zeigt ein besonders altes Exemplar in der Nähe einer etruskischen Tempelanlage (42.56.15-N 11.33.52-E). Ein weiteres beeindruckendes Exemplar sah ich auf 856 Meter Höhe an den nordwestlichen Ausläufern des Monte Amiata, beim ersten Hof oberhalb von Pescina (42.55.06-N 11.35.37-E). Die Varietät gilt als "weiblich", womit gemeint ist, dass sie wenige Pollen produziert und eine "männliche" Sorte zur Befruchtung benötigt. Dafür werden die "maschii" Leccino, Moraiolo und Pendolino gepflanzt - erkennbar an geringerem Wuchs, hellerem Laub und teilweise erheblichen Frostschäden des vergangenen Winters. Die Olivastra-Bestände bei Seggiano dagegen haben überwiegend sogar den für die Toskana verheerenden Frost vom Februar 1985 überlebt!

Auch am Monte Amiata stieß ich, wie schon in Frankreich, auf die erhöhte Pflanzung (frz. "en butte") alter Olivenbäume. Allerdings fand ich niemanden, der mir dies als absichtsvolle Maßnahme bestätigen konnte. Ein alter Kleinbauer gab mir im Gespräch den Hinweis auf eine dritte Funktion der erhöhten Pflanzung mit Steineinlagerung (neben Nässeschutz für die Wurzeln und Frostschutz), nämlich größere Trockenheitsresistenz zu erzielen durch tiefer reichende Wurzeln.

Die Vegetation in den Olivenhainen war mir ganz vertraut aus dem Kraichgau. Aufgefallen sind mir vor allem die zahlreichen Wiesenknöpfe (auf kalkreichen, lehmigen, warmen, mageren Böden) und die Weinbergsträubl/Traubenhyazinthen (auf kalkreichen, warmen, lehmigen Böden) in traditionell gepflegten Anlagen. Allerdings gibt es bereits zahlreich auch die durch Überdüngung und/oder zu häufigen Schnitt grob verarmten Graswiesen.
Im gleichen Jahr reise ich über Pfingsten nach Albanien, in die Heimat jahrtausendealter Olivenhaine in teilweise spektakulärer Landschaft, häufig im Umfeld illyrischer und/oder mittelalterlicher Burganlagen. Hairi Ismaili, Olivenexperte der Landwirtschaftsuniversität Tirana, zeigte mir den Weg zu den besonders bemerkenswerten Beständen in der Nähe Tiranas (Brret, Brar, Tujan, Tufine, Linze, Lanabregas, Lunder, Petrela, Durisht, Varosh, Ndrog, Preze). Auf dem Foto ist das Exemplar "TU-5" der Kartierung Ismailis zu sehen (2800 +/- 250 Jahre alt nach Ismaili 01/2018). Ismaili 3000jährige Olive Tujanund andere albanische Forscher vertreten die Auffassung, dass Olivenbestände einen essentiellen Teil der illyrischen Kultur ausmachten und dass möglicherweise die Illyrer die ersten waren, die Oliven aus Wildbeständen kultivierten (Ismaili/Gixhari/Sulovari, The Origin of the Olive in Albania, rep. 03/2018). Der Nationalheld Albaniens, der im 15. Jahrhundert die osmanische Herrschaft aus Albanien vertrieb, Gjergj Kastrioti, genannt Skanderbeg, erließ um das Jahr 1450 ein Gesetz, wonach nur heiraten durfte, wer zuvor 10 Olivenbäume gepflanzt hatte. Und auch in der Gegenwart spielen Oliven eine bedeutsame Rolle, insbesondere als Speiseoliven, die auf allen Märkten zu finden sind.

Dass die ältesten Olivenbestände Albaniens sich meist in der Nähe von Burganlagen finden lassen, die in der albanischen Geschichtsschreibung den Illyrern zugeschrieben werden, ist auffallend, aber auch topographisch und historisch wenig erstaunlich. Häufig (wie etwa in Kanina belegt) befand sich dort schon eine Siedlung, ehe die Burg (in Kanina zur Abwehr römischer Expansion im 3. Jahrhundert v. Chr.) errichtet wurde. Allerdings ist nicht belegt, ob die ältesten albanischen Olivenbestände schon von Illyrern oder erst später von griechischen Kolonisten angelegt wurden. Die in Albanien häufigste Olivensorte Kalinjot dürfte ihren Ursprung im Gebiet Kanina haben, sie wird auch "Kanine" oder "Kaninjot" genannt.

Ältere Oliven stehen in Albanien - wie auch in Frankreich und andernorts im Mittelmeerraum - bisweilen auf eigenen kleinen Terrassierungen, gelegentlich auch darauf nochmals erhöht. Oberhalb von Vlora, einer Hafenstadt im Süden Albaniens, entdeckte ich bei Kanina an einem Südhang eine Olivenanlage mit neu angelegten Mulden zum Hang hin hinter den Olivenbäumen. Offensichtlich sollten diese Mulden das talwärtige Abfließen von Regenwasser verhindern bzw. als Regenwassersammler fungieren.


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