STARTSEITE

tagebuch  technik/tipps/tricks 
informationsquellen  impressum 
datenschutzerklärung



1 Allgemeine Fragen:


1.1 Echt ein Olivenhain in Deutschland?
1.2 Ab wann sind Olivenbäume ein Olivenhain?
1.3 Was bedeutet "main" Olivenhain?

1.4 Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Projekt?
1.5 Was macht den Olivenbaum so besonders?
1.6 Weshalb konzentriert sich die Olivenzucht im Mittelmeerraum?
1.7 Seit wann werden Olivenbäume kultiviert?
1.8 Wo stehen die ältesten Olivenbäume?

2 Fragen zur Anlage und zum Erwerb:

2.1 Würden Sie jemandem raten, einen Olivenhain in Deutschland anzulegen?
2.2 Worauf ist bei der Sortenwahl für unser Klima zu achten?
2.3 Lohnt sich die Investition in einen solitären Olivenbaum?

2.4 Kann man Olivenbaumverpflanzungen verantworten?
2.5 Macht ein Hain aus verpflanzten Bäumen Sinn?

2.6 Kann Olivenanbau in Deutschland ökonomisch erfolgreich sein?
2.7 Wo kaufe ich Olivenbäume, die passen?

2.8 Mit welchen Problemen habe ich in Deutschland zu rechnen?
2.9 Was ist von Erfolgsmeldungen beim Exotenanbau zu halten?
2.10 Kann ich meine Streuobstwiese mit Olivenbäumen aufpeppen?
2.11 Welche geeigneten Anbaugebiete gibt es nördlich der Alpen?

3 Klimafragen:

3.1 Ist es nicht grausam, den Oliven den deutschen Winter zuzumuten?
3.2 Rechnen Sie mit dem Klimawandel?
3.3 Wie sehen Sie die qualitative Entwicklungen des Klimas?
3.4 Kommt eine neue Eiszeit?
3.5 Wie haben Ihre Olivenbäume den Winter 2008/09 überstanden?
3.6 Ihre Erfahrungen mit dem Winter 2009/10?
3.7 Wie geht es weiter nach dem erneut frostigen Winter 2010/11?
3.8 Wie sieht Ihre Winterbilanz 2011/12 aus?
3.9 Erfahrungen der Winter 2012/13 ff?
3.10 Wo finde ich taugliche Wetterprognosen?
3.11 In Griechenland und am Gardasee gibt es doch auch mal Schnee?


4 Pflege- und Schutzmaßnahmen:

4.1 Welche Maßnahmen haben Sie für den Winter getroffen?
4.2 Wie sieht die optimale Wintervorbereitung aus?

4.3 Was halten Sie von Wurzelheizungen?
4.4 Welche Heizmaßnahmen empfehlen sie sonst?
4.5 Womit düngen Sie?
4.6 Was ist bei Zimmeroliven zu beachten?
4.7 Mähen oder Mulchen?
4.8 Was tun gegen Neophyten?


5 Krankheiten, Schädlinge

5.1 Was kann ich gegen Occhio di Pavone tun?
5.2 Was hilft gegen die Olivenfliege?
5.3 Was kann ich gegen Schermäuse tun?
5.4 Haben Sie Probleme mit Wildverbiss?
5.5 Was mache ich bei Baumkrebs/Rogna?


6 Spezielles zu Pflanzen, Schnitt und Anlage

6.1 Kann ich Klonen trauen?
6.2 Wurzelechte oder veredelte Pflanzen?
6.3 Wie soll ich meine Anlage planen?
6.4 Welcher Schnitt empfiehlt sich in unserm Klima?

6.5 Wann soll ich schneiden?

6.6 Warum fallen die Blätter meiner Olive ab?
6.7 Meine Olive blüht nicht, woran könnte es liegen?
6.8 Was bedeutet "Frostresistenz" bei Oliven?
6.9 Bis zu welchen Temperaturen sind Oliven froststabil
6.10 Gibt es eine Züchtung für unsere Bedingungen?
6.11 Welche Sorten können Sie empfehlen?

7 Konsum, Kulinarik und Küche:

7.1 Haben Sie grüne oder schwarze Oliven?
7.2 Welche Geschmacksnoten gibt es bei Oliven?
7.3 Wie schmecken Oliven aus Deutschland?
7.4 Welche Olivensorten empfehlen Sie für die Küche?
7.5 Warum steigt der Preis für Olivenöl aktuell (2014)?
7.6 Was versteht man unter der "deutschen Olive"?
7.7 Wie werden Oliven konserviert?
7.8 Wie werden die süßen chinesischen Oliven hergestellt?












1 Allgemeine Fragen

1.1 Echt ein Olivenhain in Deutschland?

Ja. Der experimentell angelegte kleine Hain befindet sich zusammen mit anderen Exoten (Asimina Triloba, Ziziphus jujuba, Toona sinensis u.a.) und traditionellen Obstbäumen (Weinbergpfirsich, Zibarthe u.a.) auf einer Fläche von 1600 Quadratmetern/16 Ar mit derzeit (Mai 2021) 48 Pflanzungen von 13 Oliven-Sorten aus 4 Ländern (Italien, Frankreich, Spanien, Kroatien). Der Hain liegt am Kraichgaurand zwischen Karlsruhe und Heidelberg auf einem Südhang im Weinbaugebiet, PH-Wert des Bodens 7,4. Das Gelände ist bedauerlicherweise stark windexponiert.

April/Mai 2008 (zur Erinnerung: die Klimaerwärmungsdebatte befand sich auf einem Höhepunkt, vorausgegangen war eine Folge milder Winter und heißer Sommer bei uns) habe ich zunächst 26 in Deutschland erworbene Heister der Sorten "Leccino", "Maurino" und "Olivastra Seggianese" gepflanzt. April/Mai 2009 kamen eigene Propfungen toskanischer Herkunft zu entlegeneren  Sorten dazu ("Leccio del Corno", "Grappolo" und "Bjankera/Bianchera/Belica") sowie 2x "Aglandaou" von einer Baumschule in Ungarn, 1x "Pendolino" und 2x "Ascolana". Anfang Juli fand 1x "Koroneiki" (ein griechische Olivensorte in einem sehr schönen, älteren Exemplar, leider frostempfindlich!) dank Conrad Bölicke seinen Weg nach Obergrombach. April 2010 pflanzte ich 2x "Leccio del Corno" und 2x "Bianchera" aus einer Baumschule in Pescia. Im März 2012 erfolgte eine Nachpflanzung mit 3x "Ascolana", 3x "Leccino" von einer deutschen Exotengärtnerei, 7x "Aglandaou" und 3x "Bouteillan" aus der Provence. Im August 2013 pflanzte ich drei Moufla (Sorte aus dem Hérault/Südfrankreich), die ich von einem anderen Olivenenthusiasten bekam. Im April 2014 kamen 2x "Bianchera", 2x "Ascolana", 2x "Verzola" und 1x "Maurino" von SPO Pescia dazu - leider ganz erheblich mit Occhio di Pavone belastet. Ende März 2021 habe ich 4x Ghiacciola, 4x Olivastra Seggianese, 3x Arbequina, 3x Tanche, 2x Aglandaou und 1x Rosciola gepflanzt.

Nach vier sehr strengen Wintern, beginnend mit dem Winter 2008/09 und kulminierend im Frostfebruar 2012 (12 aufeinanderfolgende Nächte zweistellige Minustemperaturen), waren 2013 nur noch vier Pflanzungen aus dem Jahre 2008 erhalten als Zuchtform (zweimal Leccino, zweimal Olivasta Seggianese), zwei weitere als Unterlagenaustrieb (Wildform, Olivastro, Olea europaea var. sylvestris). Neben Frost haben auch fegende Rehböcke, knabbernde Rehe, wühlende Wildschweine und wurzelknabbernde Schermäuse den Bestand immer wieder geschwächt und reduziert. Trotz der milden Winter ab 2012/13 blieb der Holzzuwachs gering bis sehr gering bis 2016. Erst danach kam es zu nennenswerten Weiterentwicklungen. 2021 habe ich mit Gießen in nennenswertem Umfang begonnen.

Es gab/gibt noch weitere Olivenhaine mit Jungpflanzungen in Deutschland, einen bereits seit 2005, in der Nähe von Köln - siehe "Vorbilder". Allerdings sind alle weitgehend erfroren in den Wintern 2008/09 bis 2011/12. Stand 2021 existieren neben dem meinen von den frühen Anlagen nur noch der etwa 130 Bäume der Sorte Leccino umfassende erste Kölner Olivenhain sowie ein inzwischen sich selbst überlassener kleiner Hain mit zehn beachtlichen Bäumen am Kaiserstuhl. Dazu kam 2016 noch ein vielversprechender Hain bei Ahrweiler mit 40 Bäumen.

1.2 Ab wann sind Olivenbäume ein Olivenhain?

Die harten Winter, beginnend mit dem von 2008/09 und gipfelnd in der Starkfrostphase Februar 2012, die in Olivenanbauländern an die dramatischen Winter von 1955/56 und 1984/85 denken ließ, haben den PR-Kampf um den "ersten", "ältesten" oder "nördlichsten" Olivenhain in Deutschland "auf Eis" gelegt, das mediale Interesse ist zurückgegangen. Inzwischen (Stand 2021) wird an verschiedenen Ecken in Deutschland mit Oliven experimentiert und auch in Österreich wurden einige größere Projekte gestartet.

Für einen unbefangenen Beobachter stellt sich die Frage, ab wann eigentlich jemand reklamieren könne, einen Olivenhain sein eigen zu nennen. Da Haine - wie die Kulturgeschichte lehrt - gerne von Elfen, gehörnten Halbgöttern etc. bewohnt werden, gelten Oliven, die in einem Glashaus stehen, gewiss nicht als Olivenhain. Denn diese mythischen Wesen wollen den offenen Himmel über sich, kein Treibhaus. Oder, etwas pragmatischer gesehen: Bei "Hain" denken wir an freie Landschaft, an ein idyllisches Fleckchen Natur. Weshalb große Plantagen in Olivenanbauländern im übrigen auch niemand gerne "Hain" nennen möchte, das sind eben "Plantagen" oder "Anlagen".

Auch Kübeloliven, und seien sie noch so schön auf einer Wiese drapiert, scheiden als Hainkandidaten aus, da sie im Winter nach drinnen müssen, was Elfen sicherlich nicht gut bekommt. Und, wiederum pragmatisch gesehen: An einem Hain mag der Mensch zwar gestaltend mitbeteiligt sein, doch die Vorstellung der harmonisch tätigen Natur sollte nicht zu sehr getrübt werden durch Kübel - und seien sie auch aus Ton oder Holz, nicht aus grünem Plastik. Drei Olivenbäume, und stünden sie auf einer perfekten Streuobstwiese, bilden nach allgemeinem Urteil auch noch keinen Olivenhain. Bei sieben beginnt wohl die kritische Masse. Allerdings wird sich die Frage nach der Baumzahl für die Projekte in Deutschland nicht ernsthaft stellen, dafür sorgt schon der hiesige Sinn für Gründlichkeit. "Wenn schon, denn schon" heißt die Devise. Entsprechend hoch waren die Verluste für die mutigen Pioniere aus Köln, die 2005 zum ersten Mal im großen Stil angelegt haben und dann 2009 ff wiederholt nachpflanzten. Allerdings: Mit großem Erfolg (Stand 2021)!

1.3 Was bedeutet "main" Olivenhain?

Nicht, dass mein Olivenhain am Main liege. Er liegt am Rhein, genauer: Im Kraichgau. Ich wollte die Domain „olivenhain.de“ benutzen - aber die hielt schon ein Domainhändler besetzt, der wohl auf den Klimawandel hofft. Da habe ich mich für „mainolivenhain.de“ entschieden. Ein Wortgefüge, das mir auf Anhieb gut gefiel - ganz ohne Tiefsinn, eher lautmalerisch gemeint. Ein bisschen reimend mit "Domain" und "Hain". Und nicht ganz so besitzergreifend-demonstrativ wie "mein". Obgleich der Bezug der Hainidee zu mir und meiner Lebensgeschichte zugestanden ein sehr enger ist.

Ich habe lange in Italien gelebt und wandere gerne auf griechischen Inseln - da lernt man Olivenbäume schätzen. Neuerdings bin ich auch in der Provence auf Olivenbaumspuren unterwegs, angeregt durch Petrarca und van Gogh. Und während des Philosophie-Studiums habe ich mich gelegentlich gefragt, ob Sokrates auch den Olivenbaum meinte, als er sagte, von Bäumen könne er nichts lernen (Phaidros 230d). Nun gut, er dachte an das Gespräch, an Diskussion und Gedankenaustausch, das können selbst die ältesten Olivenbäume nicht leisten. Doch sind Olivenbäume kulturgeschichtlich-mythologisch eng mit höheren Zivilisationsäußerungen wie Religion, Sport, Literatur und Philosophie verbunden. Auch wenn sie nicht lehren, lernen lässt sich von ihnen doch einiges.

2008 hatte ich ein kleines Grundstück am Waldrand in einem Weinbergsgelände erworben, dessen Rebrecht erloschen war - so suchte ich eine alternative Nutzung. Zunächst dachte ich eher an Tafeltrauben, die kein Rebrecht benötigen, an Feige, Indianerbanane, Kaki oder Pekannuss. Aber dann hat sich die Olivenidee durchgesetzt. Auch als eine Herausforderung, mich intensiver mit dem Themenbereich "Klima" zu beschäftigen. Zwei Feigen, zwei Indianerbananen, eine Kaki, zwei Ziziphus jujuba und drei Maulbeerbäume (von denen zwei, Stand 2019, abgestorben sind) haben sich als weitere Exoten dazugesellt. Und mehrere Weinbergpfirsichbäume sorgen für die konventionelle Brücke zum Weinberggelände.

1.4 Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Projekt?

Eine ganze Menge. Gerne möchte ich im Sommer unter Olivenbäumen mit schöner Aussicht in der Sonne liegen - ohne dafür zwei Stunden fliegen zu müssen oder sieben Stunden im Zug sitzen. Die Bewegung an der frischen Luft, mit Sense und Hacke und Baumschere, soll auch sehr gesundheitsfördernd sein. Als Angehöriger einer Generation, die nicht mehr mit verlässlichen Rentenzahlungen rechnen kann, habe ich langfristig durchaus auch ökonomische Ziele mit im Blick, etwa mit Olivenöl aus Deutschland (als Nischenprodukt). Darüber hinaus verfolge ich mit dem Projekt ökologische, kulinarische, pflanzensoziologische, agrarmeteorologische,  landschaftsästhetische und philosophische Zwecke.

Olivenhaine sind komplexe Systeme mit extrem interessanten System-Umwelt-Beziehungen ("Umwelt" im Sinne von Niklas Luhmann verstanden). Die "Umwelt" Klima und ihre Verarbeitung innerhalb eines Systems lässt sich an meinen Olivenbäumen höchst anschaulich studieren. Auch die zum System gehörige Wiese verarbeitet "Umwelt" auf lehrreiche Weise, etwa im Umgang mit Saatguteintrag oder in der Verarbeitung des Bodens, seiner Konstruktion als "Repräsentation" für den Botaniker.

Ich habe bereits viel gelernt in diesem Projekt, über Landwirtschaft und ihre extreme Abhängigkeit von Naturgegebenheiten, über die Klimageschichte, über langfristiges Handeln im Naturkontext. Zudem finde ich Fitness-Studios langweilig und zu sonstiger Sportausübung fehlen mir oft Zeit und/oder geeignete Rahmenbedingung. Da tut eine Stunde Bewegung auf der Baumwiese zwischendurch ganz gut. Ich habe früher von einem eigenen Bauernhof geträumt, der Olivenhain ist ein etwas dünner, aber noch akzeptabler Kompromiss zwischen Traum und Wirklichkeit. Und sollte es mit den Oliven doch nicht klappen, wird es zumindest ein hochwertiges Magerwiesen-Biotop.

1.5 Was macht Olivenbäume so besonders?

Aus wissenschaftlich-botanischer Sicht ist Olea europaea vielfach interessant. Die Gattung Olea gehört zu den ältesten hochentwickelten Pflanzenarten, 20 Millionen Jahre alt sind die ältesten Funde von Holzkohle dieser Gattung. Die ersten Belege menschlicher Interaktion mit Vertretern von Olea sind ca. 750.000 Jahre alt, entsprechend der Holzkohle einer Feuerstelle in Israel. Systematisch steht das Genus Olea isoliert. "From a scientific point of view the olive is an orphan species, that means there is no model plant surrounding the genus Olea. Although several thousand DNA sequences are deposed in databases, little is known from the Olea genome, which remains to be sequenced." (Catherine Marie Breton u.a. 2012, S. 7).

Trotz einer frühen Domestikation (bald nach Apfel und Feige) hat Olea europaea keine wirklich stabile Sortenvarianz entwickelt. Genetisch eng verwandte Sorten weisen an unterschiedlichen Standorten weit größere phänotypische Differenzen auf als Individuen unterschiedlicher Sorten am gleichen Standort. Damit verbunden ist die ausgeprägte Eigenschaft des Olivenbaums, über Mutationen neue Varianten in Abhängigkeit von Standort und Klima zu produzieren - unterstützt durch die (bei vielen Zuchtsorten verloren gegangene) Eigenschaft der Selbstbefruchtung ("self progeny").

Es kommt regelmäßig zu Kreuzungen zwischen Wildformen und Zuchtformen sowie zwischen verschiedenen Zuchtformen. Auffassungen zur frühen Einkreuzung von Subspezies wie Olea europaea subsp. cuspidata/africana in den Bestand von Olea europaea subsp. europaea sind umstritten. Weitere Komplikationen in der Sortenbestimmung, ja selbst der Differenzierung in var. sylvestris (Wildform) und var. europaea (Zuchtform) ergeben sich durch das Auswildern von Zuchtformen und deren spätere Einkreuzung in andere Zuchtformen. Entsprechend schwierig ist es, den Ursprung der Olivenzucht genetisch zu bestimmen. Inzwischen wird in manchen populationsbiologischen Erhebungen davon ausgegangen, dass es mehrere unterschiedliche Domestikationszentren gegeben habe (10 bei Breton u.a. 2012, S. 16, "Conclusion").

Innerhalb ihres klimatisch relativ engen Verbreitungskorridors vermag die Olive unterschiedliche Nischen zu besetzen und auch immer wieder ihre Sorteneigenschaften erheblich zu modifizieren. Dies gibt der gerne beschworenen "Langlebigkeit" des Olivenbaums (mehrere tausend Jahre) einen besonderen Gehalt. Langlebigkeit bedeutet bei der Olive offensichtlich auch: Andauernde Plastizität. Kein anderer Baum kann in derart hohem Alter verpflanzt werden wie der Olivenbaum, der beständig in der Lage ist, neues Wurzelwerk zu entwickeln.

1.6 Weshalb konzentriert sich die Olivenzucht historisch im Mittelmeerraum?

Wildolivenbestände gibt es nicht nur im Mittelmeerraum, als Olea europaea subsp. europaea, sondern auch in Afrika, im Kaukasus, am Himalayasüdrand und in China als Olea europaea subsp. cuspidata - die anderen Subspezies können wir vernachlässigen. Beide genannten Spezies bringen ölhaltige Früchte hervor und können sich auch wechselseitig befruchten, doch nach bisherigem Kenntnisstand wurde nur Olea europaea subsp. europaea kultiviert, spätestens in der Bronzezeit, vermutlich aber schon in der Kupferzeit.

Nach der ersten Domestikation, den bisherigen Befunden zufolge geschah diese vermutlich im syrischen Raum, vollzog sich die primäre Ausbreitung nicht auf den Wegen der Seidenstraße bzw. ihrer Vorgänger in Richtung Osten, sondern auf den Handelsrouten der Phönizier im Mittelmeerraum. Begründungen hierfür könnten die größeren Lagerräume von Schiffen sein oder die enge Verbindung von Handel und Kolonisation bei den Phöniziern. Dabei kam die Subspezies europaea auch in den afrikanischen Raum.

Ein anderer Erklärungsansatz für die Ausbreitung im Mittelmeerraum geht vom Bedarf aus. Die Kulturen östlich des fruchtbaren Halbmondes hatten eine Tradition der Nutzung von tierischen Fetten für die Beleuchtung entwickelt (Butterlampen in Indien etwa), basierend auf Großviehbeständen. Die Nutzung von Olivenöl in Lampen war offensichtlich ein wesentlicher Antrieb für die Entwicklung der Olivenkultur. Wobei sicherlich auch eine Rolle spielte, dass Olivenöl weitgehend rußfrei verbrennt - im Unterschied zu tierischen Fetten. Und nicht zu vergessen: Bei der Anwendung in der Körperpflege hat Olivenöl den Vorteil, nicht so rasch ranzig zu werden wie tierische Fette. Dazu kam der Fettbedarf in der Ernährung auf Schiffsreisen, der durch tierische Fette nicht angemessen befriedigt werden konnte.

Später trug das Römische Reich wesentlich dazu bei, den Olivanbau in der Mittelmeerregion, einschließlich der nordafrikanischen Provinzen, zu konzentrieren und weiter zu entwickeln.

1.7 Seit wann werden Olivenbäume kultiviert?

In den vergangenen Jahren entwickelte sich ein lebhafter Überbietungswettbewerb um den Ursprung der Olivenkultur. Der lange unangefochtene Anspruch Kretas hatte schon um die Jahrtausendwende Konkurrenz bekommen durch Ausgrabungen im Wadi Rayyan (el-Khawarij, Ajlun), heutiges Jordanien. Dort wurden Ansammlungen von Zuchtolivenkernen gefunden. Eine 2010 publizierte 14C-Bestimmung erbrachte deren Datierung auf das Ende des 5. vorchristlichen Jahrtausends.

In Spanien ist der älteste Fund von Zuchtolivenkernen bislang auf ca. 2300 v. Chr. datiert, aus einer Ausgrabungsstätte in Andalusien. Weitere Funde stammen aus Italien und Südfrankreich. Eine französische Forschungsgruppe um Jean-Frédéric Terral kommt daher zum Schluss, es habe eine autochthone Olivenkultur im nordwestlichen Mittelmeerraum bereits vor der Einfuhr ursprünglich levantinischer Zuchtoliven gegeben (Breton/Bervillé, Histoire de l'olivier,  2012, S. 73ff).

Die Olivenkultur trägt wesentlich zur nationalen Identitätsbildung bei. Daher gilt entsprechenden archäologischen Befunden häufig besondere Aufmerksamkeit, wo nationale Identitäen gefährdet sind oder neu konstruiert werden. Dies fördert auch archäologische und genetische Forschungsarbeiten sowie die Pflege regionaler Olivenbestände/Genbestände. Teilweise führt es allerdings auch zu ganz erstaunlichen Positionen. So gehen die albanischen Forscher Ervin Fetahu (2012) und Hairi Ismaili (2013) davon aus, die Molosser, ein illyrischer Stamm im Bereich des heutigen Albanien/Nordgriechenland, hätten bereits 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Oliven kultiviert und über die Häfen von Apollonia, Aulona und Scutari im Mittelmeerraum verbreitet.

Inzwischen sind umfangreiche Datenbestände in verschiedenen Ländern und Institutionen angelegt und es ist an der Zeit, konkurrierende Interessen zurückzustellen und sich zu konzentrieren auf die Erarbeitung einer auf archäologischen Befunden und Genanalysen gleichermaßen basierenden genealogisch angelegten übergreifenden Kartierung der Olivenbestände in der Alten Welt. Dies dürfte auch wertvolle Aufschlüsse über die Kulturentwicklung in der Frühgeschichte und unmittelbar davor geben.

1.8 Wo stehen die ältesten Olivenbäume?

Der Wettbewerb um den Ursprung der Olivenkultur wird primär von Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen ausgetragen. Es gibt einen benachbarten, bescheideneren Wettbewerb um den ältesten Olivenbaum. Den befeuern eher lokale Akteure, Tourismusagenturen, Kommunen. Allerdings kommen hier gleichfalls nationale Identitätsthemen mit ins Spiel.

Auch hier stand traditionell Kreta an der Spitze. Auf 5.000 Jahre wird der Baum von Ano Vouves/Kolymvari/Chania geschätzt, Stammumfang 8,35 Meter - bestätigt sind durch Carbonanalyse ca. 2500 Jahre. Was von ihm noch Früchte trägt, gehört zur Varietät Tsounati, heute eher bekannt unter dem Namen Mastoidis, die ursprünglich wohl vom Peloponnes stammt und heute in ganz Griechenland anzutreffen ist. Im Osten der Insel steht der Baum von Azoria bei Kavousi, eine Veredelung auf Wildolive, gleichfalls auf 5.000 Jahre geschätzt. Aus den Zweigen dieser beiden Patriarchen wurden die Siegerkränze für den Marathonlauf der Olympiade von Athen 2004 gewunden.

Konkurrenz bekamen die beiden Kreter durch Al Badawi, einen Olivenbaum in der Nähe von Bethlehem, im palästinensischen Dorf Al Walaja, das durch israelischen Siedlungs- und Mauerbau bedrängt ist. Von japanischen Forschern wird ihm ein Alter zwischen 4.000 und 5.000 Jahren bescheinigt. Auf 5.000 bis 6.000 Jahre werden die "Bäume Noahs" vor Ort im Libanon geschätzt.

Namhaft ist auch "S'ozzastru", der Olivenbaum von Santu Baltolu/Luras auf Sardinien. Er wird auf etwa 3.000 bis 4.000 Jahre geschätzt und hat noch einen gleichfalls ehrwürdigen Gefährten in der Nachbarschaft. Sein Stammumfang beträgt auf 1,3 Metern Höhe 12 Meter. Es handelt sich hier den mir zugänglichen Informationen zufolge um eine Wildolive, womit vermutlich gemeint ist: eine wurzelechte Pflanze. Die älteste Olive der Toskana steht in der Provinz Grosseto, "La Strega di Magliano", bei der Kirche Santissima Annunziata. Ihr Alter wird auf über 3.500 Jahre geschätzt.

In jüngerer Zeit hat sich Montenegro zu Wort gemeldet. 2012 wurden von der Forstwissenschaftlichen Abteilung der Istanbuler Universität 50 montenegrinische Olivenbäume auf ihr Alter hin untersucht - wobei sich für einige Exemplare ein Alter von mehr als 2000 Jahren ergab. Der beeindruckendste hat einen Stammumfang von 11,35 Meter und steht in Mirovica/Bar. Auch der Nachbar Albanien kann auf zahlreiche Olivenpatriarchen stolz sein, deren Alter von der albanischen Forschung auf bis zu 3800 Jahre geschätzt wird. Die meisten davon stehen in der Umgebung von Tirana.



2 Fragen zur Anlage und zum Erwerb von Olivenbäumen in Deutschland

2.1 Würden Sie jemandem raten, einen Olivenhain in Deutschland anzulegen?


Nach den Erfahrungen mit den Wintern 2008/09 bis 2011/12: Nein. Jedenfalls nicht ohne große Experimentierfreude und eine hohe Frustrationstoleranz. Im Winter ständig nach den Frostwarnungen des Deutschen Wetterdienstes zu schauen und die Thermometer im Hain zu konsultieren, ist nicht unbedingt erholsam. Noch weniger, mit frostklammen Händen Thermofolie an den Baumstützen festzuzurren, unter Schneelast begrabene Vliestunnels freizuschaufeln oder Notheizungen einzustellen. Aber es gibt andere Momente, die große Freude bereiten. Olivenbäume sind außergewöhnliche Pflanzenpersönlichkeiten, wie zu Recht oft behauptet wird. Daher meine Empfehlung, falls Sie es unbedingt probieren wollen: Erst einmal die lokalen Bedingungen untersuchen (Boden, Temperaturverläufe, Wind, Feuchtigkeit), mit wenigen Bäumen beginnen, die jeweils sinnvollen und geeigneten Sorten herausfinden. Zu beachten sind folgende Punkte:
  1. Eine Weinbergslage wählen, Süd-/Südwesthang. Klimazonen 7b-8b.
  2. Keine schweren Lehmböden. Keine sauren Böden. Keine Staunässe. PH-Wert 6,5-8.
  3. Windgeschützte Lage. Wegen des Winterschutzes (damit der nicht davongeblasen wird) und da einige frostharte Sorten (z.B. Leccio del Corno, Tanche) windsensibel sind.
  4. Mehrere einschlägig bekannte frostharte Sorten wählen, um die jeweils geeigneten herauszufinden. Genau informieren, nicht nur auf einen "Geheimtipp" verlassen.
  5. Von Baumschulen, die in möglichst ähnlichen Klimazonen liegen, beziehen. Also z.B. nördliche Provence, nördliche Toskana. Das hilft allerdings nichts, wenn die "nördliche" Baumschule/Gärtnerei ihre Pflanzen von einem Massenproduzenten in Spanien oder Süditalien bezieht.
  6. Wurzelidentische/wurzelechte/unveredelte Exemplare bevorzugen. Bei oberirdischem Erfrieren kommt aus der Wurzel dann wieder die Zuchtolive, nicht Wildolive (die allerdings als vitale Pfropfgrundlage variabel verwendet werden kann).
  7. Keine Hochstammerziehung. Die ist im Winter schwierig zu schützen und führt in strengen Wintern eher zu Totalverlusten. Buschform oder niedrige Buschvase anzielen.
  8. In den ersten Jahren nicht oder sehr zurückhaltend schneiden, wachsen lassen um stabiles Wurzelwerk und optimale Stärke-/Zuckereinlagerungen (Frostschutz) zu ermöglichen. Ab August grundsätzlich nicht mehr düngen und schneiden.
  9. Im Winter junge Pflanzen vor Frost und Feuchtigkeit schützen.
2.2 Worauf ist bei der Sortenwahl für unser Klima zu achten?

Mit Aufmerksamkeit und bedarfsweise Schutz sind eine gute Wahl für unser Klima unter den italienischen Sorten Olivastra Seggianese und Leccino, mit Vorbehalten Ascolana und Verzola. Seggianese ist froststabil aber feuchtigkeitssensibel, sympathisch sowie austriebsstark und fruchtet rasch (das Aroma ist eher bescheiden), benötigt dazu aber einen Befruchtungspartner, z.B. Leccino. Leccino ist eine vitale Varietät mit aromatischen Früchten, die starke, resistente Stämme entwickelt. Ascolana ist eine Speise- und Ölolive, die schlanker wächst als die ersten beiden, bei Extremfrost instabiler als die anderen. Seit 2014 habe ich auch zwei Verzola-Exemplare im Hain, die insgesamt positiv beeindrucken durch ihre Vitalität.

Schlank wächst Bianchera/Belica, eine frostharte Varietät aus Dalmatien, die bei mir als einzige Sorte mit vitalen Vorjahreszweigen den Frostfebruar 2012 überstanden hat. Allerdings wuchs sie in den Folgejahren eher kümmerlich. Als frosthart gepriesen werden ferner weitere italienische (Canino, Nostrale di Rigali - pilzanfällig, Leccio del Corno - starke Propflinge, wuchsfreudig zu Beginn, dann verhaltener, Ghiacciola, Rosciola), kroatische (Oblica), französische (Tanche; Moufla - wuchsschwach; Bouteillan - anfällig für Occhio di Pavone, gute Fruchtung; Aglandaou - sehr gutes Wurzelwachstum bei mir, oberirdisch eher bescheiden, sehr anfällig für Occhio di Pavone, sehr gute Fruchtentwicklung; Olivière) und spanische (Cornicabra, Picual, Arbequina - kleine Frucht, großer Geschmack) Sorten. Empfehlen kann ich nach eigenen Erfahrungen von diesen Sorten bislang (Stand 2020) nur, mit Einschränkung, Aglandaou und Bouteillan.

Unter  "Technik" und "Krankheiten" finden Sie detaillierte Sortencharakterisierungen, unter "Informationsquellen" Frosthärte-Untersuchungen, Sortenbeschreibungen sowie Baumschulen für den Kauf. Zu beachten sind neben der Froststabilität auch die Pilzresistenz und das Verhalten bei anhaltend kühler Feuchtigkeit sowie in windigen Lagen!

Grundsätzlich gilt, dass nicht nur die theoretische Frosthärte über eine Wahl entscheiden soll, sondern wie die Sorte mit dem jeweiligen Standort (Boden, Windlage etc.) zurechtkommt. Ferner kann die gleiche Sorte aus unterschiedlichen Baumschulen ganz unterschiedliche Frosttoleranzen haben. Frosthärte darf auch nicht alleine an Minusgraden festgemacht werden. Manche Varietäten kommen gut mit extrem niedrigen Temperaturen im Februar zurecht, werden aber u.U. im Dezember schon vom ersten Frost durch platzende Rinde zerstört; andere kommen mit wechselnden Temperaturen um den Gefrierpunkt sehr gut zurecht, sterben aber schon bei kurzzeitigem Tieffrost ab.

2.3 Lohnt sich die Investition in einen solitären Olivenbaum?


Die Gefahr, einen teuren, über hundert Jahre alten Baum in einem strengen Winter komplett zu verlieren, ist in Weinbaugebieten bei Vlieseinhüllung und Bodenabdeckung nicht sehr groß. Allerdings müssen Sie in Wintern wie denen zwischen 2008/09 und 2011/12 damit rechnen, dass ihr Baum alle Äste, auch die stärkeren, verliert und nur noch Wurzeln und Stamm Vitalität bewahren. Auch kann es sein, dass Sie im Extremfall mit einem Neuaustrieb am Stamm mehrere Jahre warten müssen. Da Solitäre in der Regel auch wegen ihres ästhetischen Wertes gekauft werden, sollten sie an einen komplexeren Winterschutz für Stamm und Krone denken, falls der Baum nicht in einem geschützten Kleinklima (gut besonnt innerstädtisch oder in einer Hofanlage z.B.) steht, das von einem Experten begutachtet wurde.

Vorsicht allerdings mit Heizung und mit Luftpolster- oder sonstigen Plastikeinhüllungen! Es könnte den Pflanzen darunter zu warm oder zu trocken (Boden, Wurzeln - wg. Abdeckung) werden oder Pilzkrankheiten können sich ausbreiten! Auch Mäuse fühlen sich dort wohl.

Da die Preise für jüngere Solitäre (bis ca. 50 Jahre) in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken sind, ist auch die Schwelle für eine Kaufentscheidung gesunken. Bei einem hiesigen Baumarkt sah ich im Juni 2011 etwa fünfzig Jahre alte Bäume zum Preis von rund 300 Euro, die einige Jahre zuvor noch ein Mehrfaches gekostet hätten. Bei diesen Bäumen ist allerdings durchaus noch mit einem Absterben auch des Stammes in strengen Wintern zu rechnen. Der Olivenbaum-Markt dürfte sich weiter ausdehnen, die Preise weiter sinken, denn moderne EU-Olivenanlagen werden nach spätestens 40-50 Jahren komplett erneuert, womit ein schier unerschöpflicher Nachschub an entsprechenden Bäumen für den Handel in Gartencentern und Baumärkten entsteht.

Olivenbäume lassen sich im Winterhalbjahr durchaus verpflanzen, auch ältere Bäume. Dabei geht allerdings immer ein Teil des Wurzelwerkes verloren und der Baum muss das erst wieder aufbauen. Einbeziehen sollten Sie in Ihre Überlegungen auch, dass ältere Bäume kaum eine Chance haben, sich an unser Klima anzupassen. Gut beraten sind Sie mit Bäumen zwischen fünf und zehn Jahren, die schon eine charakteristische Form haben, einigermaßen winterhart sind und sich noch an unseren Breitengrad und unser Klima anpassen können. Allerdings finden Sie diese Alterskategorie in der Regel nur im Italienurlaub oder beim Urlaub in der Provence in Baumschulen. Und Sie sollten unbedingt auf die Sorte achten, eine froststabile wählen.

Kübeloliven sind ein anderes Thema, mit vielen Risiken. Ohne gärtnerische Begleitung kann ich sie nicht empfehlen. Stehen sie auch im Winter draußen, benötigt der Kübel eine isolierende Ummantelung gegen Frost, der die Wurzeln schädigen könnte. Stehen sie mal draußen, mal drinnen, bedeutet das für die Pflanzen enormen Stress. Stehen sie im Winter drinnen, benötigen sie auch Gießen, da ab etwa 5 Grad sortenabhängig der Stoffwechsel anläuft, Wasser verbraucht wird. Und sie benötigen gute Belüftung, um die Ausbreitung von Occhio di Pavone zu verhindern.

2.4 Kann man Olivenbaumverpflanzungen verantworten?

Olivenbäume ertragen Verpflanzungen auch in hohem Alter besser als die meisten anderen Bäume, sofern ein genügend großer Ballen mit Erde entnommen wird.

Ökologisch und kulturell fehlt der Baum allerdings dort, wo er entnommen wird. Und dort, wo ein verpflanzter Olivenbaum hinkommt, kann er ökologisch und kulturell sinnvollere Pflanzungen verhindern oder verdrängen. So etwa in Verkehrskreiseln, die von ambitionierten Kommunalpolitikern "mediterran" gestaltet werden mit einem Olivenbaum, der im nächsten strengen Winter erfriert.

Italien und Frankreich haben 2001 Gesetze erlassen, die den Handel mit alten Olivenbäumen untersagen. Denn dieser Handel hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass Landschaftsbilder verarmen, dass uralte Olivenbäume, die eine Örtlichkeit prägten und bereicherten, ausgerodet und verscherbelt wurden. In Spanien gibt es ein solches Gesetz (noch) nicht, weshalb Olivenbaum-Patriarchen aus Spanien auch in italienische Villenviertel verfrachtet werden oder über Italien verkauft.

Der italienische Medienkünstler Enrico Minato erlebte im Veneto die Einfuhr spanischer Olivenbaumpatriarchen, die am Straßenrand auf Käufer warteten. Dies inspirierte ihn zu seinem Dokumentarvideo TRaPIANTI ("UMgePFLANZTE") von 2003, das Aufnahmen dieser Bäume, unterlegt mit klassischer Musik und jeweils einem biblischen Namen, zeigt.

Von diesem Thema zehrt auch der Film "El olivo/Der Olivenbaum" von Icíar Bolaín und Paul Laverty, 2016. Die berührende, mit Emotionen und eher schlichten Moralurteilen überladene Geschichte erzählt von einem 2000-jährigen Olivenbaum, der für 30.000 Euro von Spanien in die Eingangshalle eines deutschen Energiekonzerns "umgezogen" ist. Die Erbin der 30.000 Euro möchte den Patriarchen gerne ohne Rückzahlung der Kaufsumme wieder repatriieren, was zu unterhaltsamen Verwicklungen führt.

Geschichte und Kultur, auch die Olivenbaumkultur, kann man nicht kaufen, die muss man sich selbst erarbeiten. Allerdings kann ich nichts grundsätzlich Schlechtes daran finden, wenn Olivenbäume umgepflanzt statt zersägt und geschreddert werden. Und für das Zersägen sind vor allem die EU-Landwirtschaftspolitik, der Immobilienmarkt und die jeweilige Baupolitik verantwortlich, nicht die Käufer.

2.5 Macht ein Hain aus verpflanzten Bäumen Sinn?

Wie bereits gesagt, ertragen Olivenbäume wegen ihres geringen Wasserbedarfs, ihrer hohen Speicherfähigkeit und ihrer Regenerationskraft Verpflanzungen recht gut.

Allerdings kann ich nur davor warnen, einen ganzen Hain anzulegen mit verpflanzten Bäumen. Der finanzielle Aufwand ist enorm und das Verlustrisiko ist hoch, das zeigt das Beispiel des Olivenhains in Gangelt-Kreutzrath bei Aachen, der nach zwei Jahren bereits aufgegeben wurde wegen massiver Frostschäden. Nachhaltig ist eine solche Maßnahme aus verschiedenen Gründen nicht, einmal wegen des hohen Transport- und Pflanzaufwandes, dann wegen des Pflegeaufwandes (Gießen, eventuell Wurzelheizung, sonstiger Winterschutz) und schließlich und vor allem weil sich daraus keine standortangepasste Olivenkultur für unsere Breiten entwickeln kann. In der Regel sind nicht einmal die Sorten bekannt, denen die Pflanzen zugehören.

Problematisch ist vor allem die Hainanlage mit Bäumen, die älter als 100 Jahre sind und zwar aus verschiedensten Gründen, wobei ich hier nur auf die biologischen und ökologischen eingehe. Biologisch wird die Vitalität älterer Bäume durch die Verpflanzung erheblich gestört. Dies wird sich allerdings (dank der Reserven im Stamm) nur mit bisweilen erheblicher Verzögerung bemerkbar machen. Ökologisch hat der alte Baum wenig Chancen, sich auf seine neue Umgebung einzustellen. Ebenso wird sein Umfeld sich schwer daran tun, ihn zu integrieren.

Leichter ist es da mit Bäumen, die um die 50 Jahre alt sind. Ein Alter, in welchem in modernen Produktionsanlagen Olivenbäume bereits wieder ausgesondert werden, ersetzt durch jüngere Pflanzen. Daher sind solche Bäume recht günstig im Gartencenter, Baumarkt o.ä. zu erstehen. Allerdings halte ich auch Haine aus Pflanzen dieses Alters für wenig sinnvoll. Eine substantielle Anpassung an unser Klima und an die lokalen Bodenbesonderheiten können nur jüngere Bäume leisten. Und in der Regel fehlen auch bei diesen Bäumen genaue Sortenangaben.

2.6 Kann Olivenanbau in Deutschland langfristig ökonomisch erfolgreich sein?

Durch die enormen Züchtungserfolge beim Raps - auch ohne Agrogentechnik - hat Deutschland eine hochwertige, agronomisch und ökonomisch sinnvolle eigene Ölfrucht, deren negative Geschmackseigenschaften weggezüchtet wurden. Dazu kommt die Produktion von Sonnenblumenöl. Für die Ölproduktion alleine wird es daher vermutlich auch bei stark gewandelten Klimaverhältnissen keine Anstrengungen geben, Ölbäume züchterisch auf unsere Bedingungen einzustellen. Allerdings wird in Olivenanbauländern inzwischen auch ein Nebennutzen des Anbaus, der Holzertrag, auf ökonomisch und ökologisch sinnvolle Verwertung hin untersucht.

In dieser Kombination, agronomisch-forstwirtschaftlich, also mit Fruchtnutzung und Holznutzung, könnte der Olivenbaum auch für unsere Klimazonen in einem Zeithorizont von 50 Jahren ökonomisch relevant werden. Und sollte es für den Rapsanbau mit dem Klimawandel zu trocken werden, könnten Oliven durchaus auch davor schon an Interesse gewinnen. Allerdings sprechen wir hier nicht von kurz- und mittelfristigen Perspektiven. Zu unklar sind die künftigen Entwicklungen nicht nur im Bereich des Klimas, sondern auch im Bereich der Energie- und Landwirtschaftspolitik sowie der Gesamtwirtschaft und der europäischen Marktgliederung.

Als Nischenprodukte haben Oliven und Olivenöl aus Deutschland sicherlich schon mittelfristig in regionalem Kontext eine Marktchance. Ob diese Chance allerdings in einem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zum Aufwand steht, müssen die nächsten Jahrzehnte zeigen. Sollte sich die 2012/13 begonnene Serie milder Winter fortsetzen, steigen die Perspektiven. Doch nach meiner Einschätzung kommen auch mit wieder milderen Wintern vorläufig nur die Kaiserstuhl-Gegend und die Kölner Bucht als Sitz eines ökonomisch interessanten deutschen Olivenanbaus in Frage. Die Entwicklung hin zu extrem schwankenden Frühjahrstemperaturen könnte aber auch dort die Entwicklung erheblich einschränken. Insbesondere April und Mai 2021 lassen mit ihren kühlen Temperaturen wenig Raum für optimistische Prognosen.

2.7 Wo kaufe ich Olivenbäume, die passen?

Zunächst müssen Sie natürlich die Frage beantworten, was Sie mit den Bäumen vorhaben, ob Sie die Ästhetik in den Vordergrund stellen oder den Ertrag, ein Experiment wollen oder gärtnerischen Nutzen, wo die Bäume gepflanzt werden sollen, drinnen, draußen, im Wintergarten, an der Hauswand - oder auf einem Grundstück außerhalb der Siedlung.

Wenn Sie einen hübschen Solitär für den Wintergarten oder eine Kübelolive für die Terrasse wollen, werden Sie inzwischen bei jedem besseren Gartencenter fündig. Wenn Sie daran denken, den Baum ins Freie zu pflanzen, sollten Sie schon auf die Sorte achten und eine jüngere Pflanze bevorzugen, die sich dem Standort anpassen kann. Leccino und andere froststabilere Sorten als 2-jährige Heister bekommen Sie in Deutschland bei Flora Toscana in Neuulm (auch Versand), oder beim Gartenhof Becker in Stommeln bei Köln (Abholung).

Falls Sie eine etwas größere Anlage planen und mit weiteren Sorten experimentieren wollen, können Sie französische Oliven z.B. im Versand von Frédéric Cochet in Aubenas bekommen. Der Versand aus Italien ist wegen der Schweiz dazwischen sehr teuer und für kleinere Lieferungen kaum sinnvoll. Für italienische und kroatische Sorten empfiehlt sich auch eine Reise, etwa zu den Baumschulen in Pescia (nördliche Toskana), wobei ich die Societa Pesciatina di Orticoltura (Großhandel) ihrer großen Auswahl und sehr günstigen Preise wegen empfehle (in den ersten Jahren auf Occhio di Pavone achten!). Ein breites Sortenangebot zu relativ günstigem Preis und mit professionellem Versand gibt es von Gabbianelli und Spallacci aus den Marken.

Aus Frankreich sind vor allem Aglandaou und Bouteillan interessant, aus Kroatien Belika (it. Bianchera) und aus Italien Olivastra Seggianese, Leccino und Verzola. Wobei jede Sorte etwas andere Charakteristika hat und es auch auf Ihre Boden- und Kleinklimaverhältnisse am geplanten Standort ankommt. In den Herkunftsländern kosten die Pflanzen etwa ein Drittel oder nur ein Viertel des Preises, der beim Kauf in Deutschland oder beim Versandeinkauf anfällt. Vor einem Großeinkauf würde ich allerdings die weitere Klimaentwicklung und das Ergebnis erster Pflanzversuche abwarten!

2.8 Mit welchen Problemen habe ich in Deutschland zu rechnen?

Das erste Problem ist sicherlich die Beschaffung der geeigneten Pflanzen (siehe oben). Inzwischen gibt es allerdings zahlreiche Bauschulen, die ihr Sortiment auch online anbieten, mit sehr unterschiedlichen Versandkosten. Links hierzu finden sie auf meiner Unterseite "Informationsquellen".

Das wichtigste Problem, so scheint es zumindest, ist der Winter. Doch was genau am Winter ist das Problem? Winter mit zweistelligen Frostereignissen sind bei uns fast so selten wie in vielen europäischen Olivenanbauregionen. Vor allem problematisch scheint einmal die Länge des Winters zu sein, zum anderen aber auch der Wechsel von warmen und kalten Perioden, das Auftreten mehrerer eigentlich winterlicher Perioden innerhalb des Winterhalbjahres. Mit einer klaren Frostperiode scheinen viele Olivensorten recht gut klarzukommen. Probleme bereiten aufeinander folgende mit zwischengeschalteter Aufwärmungsphase, zumal Oliven ihren pflanzeneigenen Frostschutz zwar nur langsam auf- aber sehr rasch wieder abbauen. Problematisch sind auch feuchte Perioden mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Hier kommt es vor allem bei jüngeren Pflanzen und jungen Zweigen zu Schädigungen der Rinde, Aufplatzen und Absterben. In diesem Kontext stimmt auch nachdenklich, dass nach meiner nun schon jahrelangen Beobachtung hierzulande die Unterschiede zwischen Tag- und Nachttemperaturen zunehmen, das Klima kontinentaler wird. Oliven mit ihrer Vorliebe für gemäßigte Klimata in Meeresnähe könnten damit große Probleme bekommen.

Inzwischen zeichnet sich auch ab, dass die Vegetationsphase bei uns für Oliven häufig zu kurz ist. Ein verzögerter Frühlingsbeginn und erste Schneefälle im Oktober oder frühe Frostereignisse limitieren das Fenster vor allem für die Fruchtentwicklung stark, beeinträchtigen aber auch die Entwicklung der Pflanzen insgesamt. Spätfröste und Kühle im Frühjahr führen zu Entwicklungsverzögerungen bei Holz und Blattmasse.

Wie schon länger prognostiziert, werden die Sommerhalbjahre in Baden-Württemberg trockener. Zumindest galt dies bis zum Sommer 2012. Danach kamen zwei zumindest zeitweise extrem feuchte Sommer, mit kühlen Nächten, in denen es kaum Olivenwachstum bei mir gab. Dann folgten ab 2018 wieder sehr trockene Sommer. Zugleich damit kamen erstaunlich kühle bis frostige Phasen im Frühling. Rechnen Sie also mit allen Problemen ...

2.9 Was ist von Erfolgsmeldungen im Exotenanbau zu halten?

Manchmal bekomme ich Mails mit dem Tenor: Warum sind Sie so skeptisch? Es gibt doch immer wieder Berichte von alten Olivenbäumen im Freien in Deutschland und von erstaunlichen Erfolgen mit Pflanzungen!

Das ist richtig, es gibt diese Berichte. Sogar zu Granatäpfeln, die ich für weit empfindlicher halte als Olivenbäume, werden die verwunderlichsten Geschichten erzählt. Schaut man genauer hin, dann sind es Bäume, die noch nie gefruchtet haben, Bäumchen, die im Kübel stehen und im Winter nach innen kommen, Bäumchen, um die im Winter eine Schutzhütte gebaut wird, Bäume in einem geschützten Siedlungsbereich et. pp. - und in der Regel stammen solche Meldungen aus der Zeit vor dem Winter 2008/09.

Was Olivenbäume betrifft, so sind alle Bäume im Freien, von denen ich gehört habe, nach kurzer Zeit verschwunden. In Heidelberg gab es am Neckarufer zwei städtische Oliven - weg. Bei Mainz stand ein älterer Olivenbaum - unauffindbar. Hiesige Olivenhaine, die angeblich "erstaunlich gut" durch einen strengeren Winter gekommen waren, sah ich beim Schredder liegen.

Bei älteren Exemplaren handelt es sich in der Regel um bereits älter ausgepflanzte Exemplare, die glückliche Winter hinter sich hatten. Wer z.B. 2012 einen älteren, stabilen Olivenbaum ausgepflanzt hat, der konnte April 2018 auf einen alten Olivenbaum im Freien in Deutschland verweisen. Doch was ist damit gesagt? Er hatte milde Winter und konnte noch von seiner mitgebrachten Vitalität zehren. 2008/09 ff wäre er gewiss erfroren.

Meine Schlussfolgerung: Gärtner, insbesondere Exotengärtner, haben einiges mit Landwirten, Förstern, Jägern und Anglern gemeinsam, eine bestimmte Form des "Lateinischen", bekannt auch als Jäger- oder Anglerlatein. Ich glaube nur noch, was ich selbst gesehen habe - vorzugsweise über mehrere Jahre. Und das sind vor allem meine eigenen Anlagen und die Versuchsanlagen der Forschungsanstalt Augustenberg bei Karlsruhe. Und da bleibt wenig Raum für Granatapfel- und Oliventräume. Mit Enttäuschungen ist weiterhin zu rechnen.

Andere Exoten jedoch können schon fast als etabliert (meist jedoch nur mit entsprechendem Winterschutz) gelten, Bananenstauden und Palmen etwa. Auch die Maulbeere hat ihr Comeback längst gemeistert - ohne Winterschutz. Feigen und Kiwi stehen in vielen Gärten, Paw Paw und Kaki werden folgen.

2.10 Kann ich meine Streuobstwiese mit Olivenbäumen aufpeppen?

Als Mitglied eines Naturschutzverbandes, der auch Streuobstwiesen im Arbeitsfokus hat, werde ich natürlich besonders hellhörig, wenn mir jemand erzählt, er habe eine alte Streuobstwiese und überlege, was er damit anfangen solle, mit den vielen Äpfeln sei er überfordert, die Verwandtschaft mag schon keine mehr geliefert bekommen. Und die Arbeit ...

Natürlich werde ich niemandem raten, seine Streuobstwiese zu roden. Jede Streuobstwiese ist ein Schatz, für die Ökologie, aber auch für die Lebensqualität der Nutzer. Nur weiß ich natürlich, welche Arbeit damit verbunden ist. Also rate ich zur Arbeitsdisziplin, Abläufe klar strukturieren, Verbündete suchen, eine Streuobstinitiative in der Umgebung kontaktieren, nach Verwertungsmöglichkeiten (Apfelsaft) für das Obst schauen, Möglichkeiten für staatliche oder kommunale Zuschüsse sondieren.

Angesichts der klimatischen Veränderungen liegt es natürlich nahe, auch nach Alternativen zum tradierten Bestand von Streuobstwiesen zu schauen - zumal Neupflanzungen in den vergangenen Jahren schon mal im Sommer massiv an Wassermangel gelitten haben. Und seit 2018 auch Altpflanzungen!

Da Olivenhaine auch gerne als "Streuobstwiesen des Mittelmeerraumes" gepriesen werden - wobei die EU-Agrarpolitik, Baumaßnahmen und andere Faktoren diesen Bestand dramatisch reduzieren -, liegt es nahe, dabei auch mal an Olivenbäume zu denken. Die ja mit trockenen Sommern besser zurechtkommen als Apfelbäume.

Aber vorläufig sehe ich darin noch keine realistische Option. Ich verstehe meine eigene Anlage zwar auch als Experiment mit "hitzefesten" Streuobstwiesen. Aber dieses Experiment habe ich als Alternative zu einem vom Nachbarn geplanten Maisacker gestartet, nicht als Ersatz für eine bestehende Streuobstwiese.

Wer es dennoch versuchen möchte, sollte behutsam mit Einzelbäumen anfangen, die Sorten bewusst wählen, bei entsprechender finanzieller Risikobereitschaft ältere Pflanzen nehmen (4-5-jährig), auf eine windgeschützte Standposition achten und den Winterschutz gleich mit einplanen, zumindest für Starkfrostereignisse.

2.11 Welche geeigneten Anbaugebiete gibt es nördlich der Alpen?


Grundsätzlich muss ich immer wieder betonen, dass wir nicht nur mit dem Problem tiefer Fröste rechnen müssen, sondern die Länge der Winter, intermittierende Winterverläufe, Niederschlagsstrukturen, die Länge der Vegetationsperiode, Bodenbeschaffenheit und Windverhältnisse einzukalkulieren haben. Möglicherweise spielen auch der Salzgehalt der Luft und noch unerforschte biochronologische Phänomene eine wichtige Rolle. Von "Anbaugebieten" möchte ich daher nicht sprechen, eher von Gebieten für Experimente und Anbauversuche.

Mit diesen Einschränkungen kommen grundsätzlich Lagen innerhalb der Winterhärtezonen 7b bis 8b in Frage. Also auch die Nordseeküste mit ihrem stolzen Wert 8b. Allerdings limitieren dort die Kürze der Vegetationsperiode sowie fehlende Sommerhitze, häufige Niederschläge und starke Windereignisse die Chancen erheblich. Die positiven Erfahrungen mit dem Anbau in der Kölner Bucht (8a) markieren diese Region als das wohl nördlichste mit Einschränkungen sinnvolle Gebiet für Versuchsanlagen in Deutschland. 

Am Rheingraben entlang Richtung Süden kommen noch die Moselhänge, die Region um Mainz, Südwesthänge in der Heidelberger Region und am Kraichgaurand mit dem Michaelsberg, Rheinland-Pfälzer Weinlagen sowie der Kaiserstuhl in Frage. Wobei kleinräumige Verschiebungen bereits erhebliche Differenzen bedingen, ein paar hundert Meter Lageunterschied können entscheiden über Gelingen oder Mißlingen. Windexponierte Lagen sollten vermieden werden, um zumindest diesen Stressfaktor konsequent auszuschließen.

Das Magazin "Der Spiegel" titelte 1991 angesichts der Klimaerwärmung "Oliven am Matterhorn". Heute werden solche Prognosen weit in die Zukunft projiziert. Dass es ganz so linear und kalkulierbar doch nicht geht mit der Klimaerwärmung, hat sich inzwischen herumgesprochen. Sollte es aber einmal so weit sein, dürfte der Sprung des Olivenanbaus über die Alpen zumindest aus Liebhaberei und für Nischenprodukte absehbar werden.


3 Klimafragen

3.1 Ist es nicht grausam, den Oliven den deutschen Winter zuzumuten?


Die Frage habe ich mir auch öfter gestellt. Vor allem gleich im ersten Winter 2008/09. Aber ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass die Pflanzen (v.a. Leccino) sich am gewählten Standort wohl fühlen. Zudem: Auch Weinstöcke und andere in Deutschland wichtige Kulturpflanzen kommen ursprünglich aus wärmeren Klimazonen. Und hat da nicht jemand erzählt, es gäbe in Deutschland bald keine "richtigen" Winter mehr? Gut, das war der Klimaforscher Mojib Latif in einem SPIEGEL-Interview am 01.04.2000 und der hat 2012 (nachdem die Klimaerwärmung ins Stocken geraten war) in einem Interview mit der ZEIT präzisiert, dass er damals die Zeitspanne zwischen 2050 und 2100 im prognostischen Blick gehabt habe. Also eine Zeitspanne, in der man ihn nicht mehr wird auf mögliche Irrtümer hin ansprechen können.

Der einzige Winter in den vergangenen fünfzig Jahren, in welchem selbst geeignet mit Schutz versorgte Olivenbäume hier im badischen Weinbaugebiet im Freiland komplett erfroren wären, war der Winter 1984/85 - und da wurden auch in der Toskana 80% der Olivenbäume dahingerafft. Dazu kam der Winter 2011/12 mit einem extremen Februarfrost, den mein Hain nur mit massiven Verlusten überstand.

Schützen sollte man bei starkem Frost immer. Und auch dann ist mit Erfrierungsschäden zu rechnen. Das Hauptproblem scheint mir, dass die Bäume bei uns im Winter zu häufig und bisweilen ganz erheblich geschwächt werden und wir nur selten mit befriedigenden Ernten oder überhaupt einem Fruchtertrag rechnen können, da die Bäume zunächst einmal ihr Kambium reparieren, neue Zweige und Blätter ansetzen müssen.

Ein zusätzliches Problem könnten die zunehmenden Niederschläge im Winter z.B. bei uns in Baden-Württemberg schaffen. Damit erhöht sich die Gefahr von Frostrissen für junge Stämme und Äste, das Risiko von Erkrankungen und allgemeiner Stressschwäche. Der Februar 2012 hat zudem gezeigt, dass auch Nord- und Mittelitalien trotz der Lehren aus den Extremwintern von 1955/56 und 1984/85, die teilweise zu Sortenwechseln und vor allem zu neuen Schnittformen geführt haben, und trotz Klimaerwärmung weiterhin mit erheblichen Frostkalamitäten im Olivenanbau rechnen müssen.

3.2 Rechnen Sie mit dem Klimawandel?

Klima wandelt sich ständig, da es zwischen allen Einflüssen auf unserem/unseren Planeten vermittelt - damit zu "rechnen" ist  höchst schwierig, auch für Hochleistungsrechner. Erwärmung in einer Klimazone/Klimaregion kann bestehen neben Abkühlung in einer anderen oder Erwärmung in einer Jahreszeit neben Abkühlung in einer anderen. Nachdenklich sollten potentielle Olivenanbauer in unserer Region die Daten der privaten Wetterstation Kernen im Schwarzwald machen. Gab es 1990 bis 1998 durchschnittlich 58 Frosttage pro Jahr so stieg die Zahl für den Zeitraum 2000-2008 auf 71 Tage. Analoges gilt für Karlsruhe. Bezogen auf Tage mit Frost im zweistelligen Bereich ist die Bilanz für Karlsruhe (amtliche Daten) im Vergleich zwar ausgeglichen - aber eben nicht mehr. Nach verschiedenen Prognosen ist für unsere Region zudem künftig vermehrt mit niederschlagsreichen und stürmischen Winterhalbjahre zu rechnen. Das hat sich in den Wintern seit 2008/09 auch bestätigt.

Nach dem strengen Winter 2008/09 habe ich mich intensiver mit dem Wettergeschehen in unserer Region beschäftigt. Ich bin überzeugt, dass dieser Winter kein "Ausrutscher" war, sondern Teil eines langwelligen Rhythmus, worin wir uns gerade in einem Kaltwintertal befanden. Daher habe ich 2009 in weiteren Frostschutz (s. Technik)  investiert. Der Winter 2009/10 hat meine Vermutung gestützt und 2010/11 dürfte kaum milder werden (hat sich leider auch bestätigt! - April 2011), ich erwarte noch weitere kalte Winter bis 2014 (geschrieben 2009 - Nachtrag 2014: nach weiteren Frostwintern und dem Extremfrost vom Februar 2012 kam dann ein vergleichsweise milder, aber extrem lange anhaltender Winter 2012/13 und ein milder Winter 2013/14). Problematisch werden insbesondere die "Troglagen" mit arktischer Kaltluft, deren Zungen in den vergangenen Wintern bis in den Bereich Karlsruhe ragten. Eine Erklärung des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (Vladimir Petoukhov) bringt dies in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung.

Gleichgültig, wie das Klima sich entwickelt und welche Größen dabei den Haupteinfluss haben: Olivenbäume sind ein starkes Symbol in diesem Kontext für Ausdauer und Anpassungsfähigkeit. Auch wenn sie nicht in jedem Klima gedeihen. Ob in unserem künftigen, ist eine Frage, die mich aus persönlichen Gründen sehr interessiert. Gegen anthropogene Ursachen aktueller Klimaveränderungen anzugehen ist eine Sache, eine andere, mit Klimaveränderungen produktiv umzugehen. Nach meiner Auffassung muss beides geschehen. Dass Olivenbäume dabei in unserer Region eine taugliche Antwort sind, ist mir nach den Erfahrungen der vergangenen Winter und den neuesten Klimastudien allerdings fraglich geworden. Ein heißer August kann einen eisigen Februar statistisch aufwiegen - real für meine Oliven schafft er den Ausgleich jedoch nicht. Und sollte der Golfstrom infolge des Klimawandels tatsächlich versiegen, wie einige Studien befürchten lassen, werden wir uns warm anziehen müssen.

3.3 Wie sehen Sie die qualitative Entwicklungen des Klimas?

Studien zur Klimaerwärmung basieren weitgehend auf Durchschnittstemperaturen. Nur damit sind die gigantischen Datenmengen für globale Berechnungen noch handhabbar. Für einen überschaubaren Bereich wie Karlsruhe kann ich mir differenziertere Untersuchungen erlauben und nach Höchst- und Niedrigsttemperaturen in bestimmten Monaten und in ihrer Entwicklung über Jahrzehnte schauen. Auch dabei handelt es sich letztlich um die Betrachtung von Quantitäten. Durch relative Bestimmungen wie "Höchst-" oder "Tiefst-" kommt jedoch eine qualitative Dimension in diese Betrachtungsweise, weshalb ich sie - bei mitgedachten Anführungszeichen - als qualitativ bezeichne.

Schauen wir nach Höchst- und Tiefsttemperaturen und deren Auftreten, ergibt sich ein erheblich differenzierteres Bild der Klimaentwicklung, mit teilweise konträren Schlussfolgerungen (verglichen mit der globalen, durchschnittsbezogenen Klimaerwärmung) für Agrarstrukturen. Durchschnittstemperaturen besagen über die Möglichkeiten etwa eines Olivenanbaus schlichtweg gar nichts. Hier sind vor allem Tiefsttemperaturen und deren Verteilung, Schwankungsbreiten der Temperaturen, Dauer von Frostereignissen sowie die Verbindung von Feuchtigkeit und Frost relevant.

Selektiert man etwa Winter mit Tiefsttemperaturen in Karlsruhe/Rheinstetten-Forchheim unter -15 Grad in den vergangenen 30 Jahren, so kommt man zu den sieben Wintern 1984/85 (-20,0), 1986/87 (-19,4), 1996/97 (-15,3), 2001/02 (-15,1), 2008/09 (-16,2), 2010/11 (-18,7) und 2011/12 (-15,9). Unter -16 Grad bleiben nur noch drei Winter, 1984/85, 1986/87 und 2010/11. Im gleichen Zeitraum gab es Frostkalamitäten in Olivenanbauländern im Winter 1984/85 und in den Wintern 2010/11 sowie 2011/12 (davor erst wieder 1955/56). Daten der privaten Wetterstation Kernen im Schwarzwald zeigen 1990 bis 1998 durchschnittlich 58 Frosttage pro Jahr, für den Zeitraum 2000-2008 jedoch 71 Tage. Analoges gilt für Karlsruhe. Betrachten wir die Tage mit Frost im zweistelligen Bereich in Karlsruhe, ist die Bilanz zwar ausgeglichen - jedoch ist an diesen Spitzen keine Erwärmungstendenz ablesbar.

Betrachten wir die tiefsten Dezembertemperaturen unter -10 Grad, so zeigen sich uns die Jahre 1985 (-11,1), 1991 (-10,3), 1992 (-10,8), 1996 (-15,0), 1999 (-11,7), 2001 (-14,1), 2009 (-12,6), 2010 (-18,7), 2014 (-12,6). Für den Januar ergeben sich: 1985 (-20), 1987 (-19,4), 1993 (-10,4), 1995 (-10,3), 1997 (-15,3), 2000 (-10,6), 2003 (-11,6), 2007 (-10,2), 2009 (-11,2), 2010 (-10,6). Für den Februar finden wir: 1985 (-15,0), 1986 (-13,4), 1991 (-13,2), 2005 (-14,0), 2012 (-15,9). Für den März gibt es einige interessante Sonderjahre, vor allem 2005 mit -14,6 Grad am 01. März, aber auch (nicht ganz -10 erreichend) 1987 mit frostigen -9,7 am 04. März und 2010 mit -9,1 Grad noch am 12. März.

Angesichts dieser Daten wird sicherlich niemand positive Prognosen für das Heimischwerden von Oliven in Deutschland abgeben wollen. Was immer zur Klimaerwärmung grundsätzlich gesagt werden mag. Insbesondere da sich abzeichnet, dass sich in Deutschland das Klima stärker in Richtung "kontinental" ausprägt - mit stärkeren Extremen.

3.4 Kommt eine neue Eiszeit?

Die Hockeyschlägerkurve zur Erderwärmung, mit der Al Gore einige Jahre Klimapolitik machte, hat mich nie sonderlich überzeugt. Sie war in meinen Augen eine PR-Maßnahme, um gegen die Strategien der "anderen Seite", der omnipotenten Ölmagnaten etwa, anzugehen, die angesichts der zunehmenden Bedeutung regenerativer Energieträger und angesichts der wachsenden Kritik am Ölgeschäft - bezogen auf die politischen, sozialen und ökologischen Negativeffekte von Erschließung, Förderung, Verfügung, Verarbeitung und Konsumption - aggressiv ihr Geschäftsmodell propagierten. Insgesamt gehe ich aber gleichfalls von einer Erwärmung aus sowie von allgemein fatalen negativen Einflüssen unserer Energie- und Landwirtschaftspolitik auf das Klima.

Von den strengen Wintern 2008/09ff war ich zunächst allerdings erheblich irritiert, bis sich der Verdacht erhärtete, dass dahinter eine Periodizität stecken könnte. Diese deutete sich mit den Extremfrostwintern 1955/56 und 1984/85 an, die in europäischen Olivenanbauländern katastrophale Auswirkungen hatten. Addiert man die 29 Jahre, die zwischen diesen beiden Ereignissen liegen, zu 1984, so kommt man auf 2013. Nun folgen Naturprozesse bekanntlich keinen exakten, sondern elastischen Rhythme. Weshalb wohl 2011/12 mit seinem Extremfrost im Februar 2012 der Gipfel war. Der Winter 2012/13 hat im Blick auf Frosttiefen keine neuen Kalamitäten gebracht, lediglich bis an den Sommeranfang hin kalte Zähne gezeigt (mit auffallend häufigen Ostwinden)! Ähnlich verliefen die Winter in den Folgejahren, mit betont milden Wintern 2017/18ff (und einem kleinen Ausreißer 27./28. Februar 2018).

2012 tauchten in den Medien gehäuft Hinweise auf eine neue Eiszeit (im engeren Sinne) auf. Diese können sich auf Untersuchungen von William Livingston und Matthew Penn berufen, deren erste bereits 2008 veröffentlicht wurde. Die beiden Forscher am National Solar Observatory in Tucson/Arizona beobachteten einen außergewöhnlichen Rückgang der Sonnenflecken-Aktivitäten, der auf eine unmittelbar bevorstehende "kleine Eiszeit" hindeuten könne, analog zum Maunder-Minimum (1645 bis 1715), der "kleinen Eiszeit" des 17. und 18. Jahrhunderts. Andere Quellen befürchten eine neue partielle Eiszeit als Folge der Klimaerwärmung, etwa durch ein Versiegen des Golfstromes.

Ich enthalte mich einer eigenen Prognose, zumal mit Sonnenflecken die unterschiedlichsten Entwicklungen erklärt werden, und nehme 2014 Neupflanzungen vor. Meinen eigenen - gewiss dilettantischen - Kurvenberechnungen zufolge sollte dann nämlich eine längere Folge wieder milderer Winter beginnen (schon die Winter 2012/13 und 2013/14 hatten sich teilweise sehr mild gezeigt, und die Tendenz blieb bestehen (Stand Oktober 2020). Dies besagt natürlich nichts über langfristige Entwicklungen.

Gerechnet werden muss unabhängig von der Eiszeit-These mit einer zyklischen Abkühlung ab etwa 2035, die Olivenanlagen in Deutschland ernsthafte Probleme bereiten könnte. Dieser Zyklus legt sich nahe mit den extremen Frostereignissen von 1929, 1956, 1985 und 2012.


3.5 Wie haben Ihre Olivenbäume den Winter 2008/09 überstanden?

Besser als befürchtet (schließlich waren meine Bäume gerade erst 2008 gepflanzt) und schlechter als ich nach Sichtung zum Abschluss der letzten Frostperiode erwartet hatte. Das Ausmaß der Schäden zeigte sich erst einige Wochen nach dem Winterende und nur mit Schnitten ins Holz. Die "Nagelprobe" (Kratzen, ob Grün kommt) ist untauglich und irreführend. Selbst vermeintlich gesunde Blätter sagen wenig aus. Gerade "kranke" Blätter können signalisieren, dass der Zweig noch intakt ist, reagiert. Während gesunde Blätter an einem längst vom Saftstrom abgeschnittenen Zweig hängen können. Äußerlich vitale Zweige und ganze Äste können noch lange nach Ende des Frostes abtrocknen. Von meinen 26 Bäumen waren 5 bis weit in den Stamm hinein geschädigt. Aber auch diese haben bis auf einen Ende April/Anfang Mai zumindest in Bodennähe mit Neuaustrieb begonnen. Dazu kam noch ein schwerer Stammschaden, der sich erst im Mai zeigte, in der Stammmitte. Einige der Bäume haben trotz offensichtlich intaktem Stamm (der im Sommer 2009 sogar sichtlich an Umfang zunahm) im ersten Jahr nur in der unteren Stammhälfte nennenswert neu ausgetrieben.

In der Presse und in verschiedenen Internetforen gibt es seltsame Hinweise auf deutsche Olivenhaine, die ohne größere Verluste überstanden haben sollen, ohne jegliche Schutzmaßnahme. Ich war Anfang Mai 2009 bei einem davon und sah die letzten "ohne größeren Schaden" verbliebenen Olivenbäume beim Schredder liegen. Die ganze Anlage war neu bepflanzt worden. In der Tat sieht man Olivenbäumen nach dem letzten Frost nicht immer gleich an, wie stark sie gelitten haben. Die Wahrheit zeigt sich bisweilen erst im Frühsommer oder auch lange danach. Spätfolge kann z.B. eine verringerte Resistenz im folgenden Winter sein. In einem anderen Hain wurde Ende 2009 "Olivenernte" gefeiert - mit im Frühjahr 2009 gepflanzten Bäumen, denn der Altbestand war auch hier erfroren. Also genau hinschauen und kritisch prüfen, das erspart unnötige Ausgaben und Enttäuschungen bei eigenen Anbauversuchen!

Entmutigt bin ich nicht, ich habe aus der Toskana einige Zweige interessanter Sorten für Propfungen mitgebracht und nochmals einige Bäume der Sorten Ascolana, Pendolino und Aglandaou gepflanzt.

3.6 Ihre Erfahrungen mit dem Winter 2009/10?


Ein neues Winter-Schadenssymptom trat auf, nämlich einzelne Rindenrisse im Stammbereich vor allem unterhalb von 30 cm Höhe, teilweise aber auch bis etwa 50 cm bei eher mäßigem Frost Ende Januar. Vorläufig führe ich das auf die anhaltend feuchte Kälte (wenig Sonne) um den Gefrierpunkt herum zurück. Ein Großteil der Bäume hat den zweiten harten Winter in Folge nicht gut überstanden, es gab 25% Totalverluste (8 Bäume). Gut überstanden (mit heilem Stamm und heilen Blättern) haben von 33 Pflanzen nur eine Wildolive unter Mulch, eine Olive unbekannter Sorte (von Ikea), zwei Leccino (davon einer im Zelt), zwei O. Seggianese (davon eine im Zelt), eine Ascolana und zusätzlich die Propfungen von Leccio del Corno und Bianchera (im Zelt). Mitte Mai haben sie alle mit Neuaustrieb begonnen, besonders intensiv O. Seggianese.

Ich habe gemischte Erfahrungen mit dem Aufbau von zwei Steilwandzelten als Schutzräumen gemacht. Einerseits tat es den Oliven eindeutig gut und war auch praktisch als zusätzlicher Lagerraum für Vlieshüllen, Kerzen und ähnlichen "Winterbedarf". Doch der Arbeitsaufwand war enorm, einmal durch Schneefracht auf den Zelten, die heruntergefegt werden musste, zum anderen durch die Verzurrarbeiten vor und nach Stürmen - von denen es zwei größere in diesem Winter gab, darunter "Daisy"!

Die wichtigste Erfahrung der ersten beiden Winter war, trau keinen Wetter- und Klimaprognosen. Ich habe umfangreich Wetterdaten aus meiner Region bis zurück ins 18. Jahrhundert gesammelt und danach passten diese Winter durchaus in einen längerfristigen Rhythmus, waren keineswegs "Ausnahmewinter" im Sinne von seltenen Zufallsereignissen. Darüber hinaus habe ich mich auch mit allgemeiner Klimageschichte beschäftigt und bin inzwischen der Meinung, dass in Deutschland sowohl während der Römerzeit als auch im sogenannten mittelalterlichen Klimaoptimum Oliven durchaus in Deutschland hätten gedeihen können.

Von einer Reise in die Toskana habe ich mir zwei Bianchera und zwei Leccio del Corno mitgebracht. Auf ein Neues!

3.7 Wie geht es weiter nach dem Winter 2010/11?

Da auch dieser Winter, der dritte in Folge, überdurchschnittlich hart war, heißt es für mich erst einmal: Abwarten. Neue Bäume habe ich 2011 mit Bedacht nicht gepflanzt. Denn Sisyphos möchte ich keine Konkurrenz machen. Jetzt gilt es zunächst, neue Stämme aus den Basisaustrieben zu ziehen, mit Buschformen zu experimentieren, stabile Propfgrundlagen zu erzielen, den Winterschutz zu optimieren und geduldig weiter Informationen zu sammeln.

Eine der einschneidendsten Erfahrungen dieses Winters war der Zusammenbruch eines der Schutzzelte unter der Schneelast. Auch in diesem Winter musste ich enorm viel Zeit darauf verwenden, Tunnels und Zelte von Schnee freizuschaufeln und wieder neu auszurichten. Und der Erfolg war gemessen am Aufwand nicht wirklich überzeugend. Allerdings gibt es immer noch vier Pflanzen, die mit Stamm, Krone und Blattwerk überlebt haben, wenngleich nicht sehr vital. Die Vitalitätsstörungen zeigten sich erst am Ende des Jahres deutlich, als diese vier mit sehr wenigen neuen Zweigen und Blättern ins Winterhalbjahr gingen. Ganz offensichtlich hatte ich auch viel zu viel geschnitten, um sie in eine Gestalt zu bringen, die sie dann gar nicht erreichen konnen, da sie zu sehr geschwächt waren.

Für den Winter 2011/12 plane ich den Verzicht auf Heizung, Zelte und Tunnels - Ziel ist eine Minimalisierung des Arbeitsaufwandes, da dieser auch unter Bedingungen des Klimawandels ganz offensichtlich nicht nur ein temporärer für schwierige Anfangsjahre und/oder einzelne "Ausnahmewinter" ist, sondern als längerfristige Investition bei der Anpflanzung von Oliven in Deutschland einkalkuliert werden muss. Zudem hat sich gezeigt, dass die mehrschichtige Volleinhüllung den besten Effekt bringt, solange eine minimale Lichtversorgung garantiert ist und Feuchtigkeit ebenso wie große Trockenheit vermieden werden können.

3.8 Ihre Winterbilanz 2011/12?

Der Dauerfrost Ende Januar/erste Februarhälfte hat in Italien 100 Millionen Olivenbäume geschädigt und bei mir im Hain die verbliebenen vier Bäume bzw. Bäumchen auf den Zustand der restlichen Anlage reduziert: Es sind nur noch Neuaustriebe an der Basis zu erwarten. Die beiden Bianchera und ein wurzelechter Leccino hatten im April noch einige intakte Zweige und Blätter vom Vorjahr. Bei einer der Biancheras sind diese Blätter und Zweige dann im Mai noch abgestorben, die andere entwickelte sich prächtig. Wildolive ist an zahlreichen Exemplaren mit kurzen vitalen Zweigchen und Blättern in Bodennähe erhalten. Fatal war offensichtlich die Länge des Dauerfrostes. Nach acht Tagen war die Bodentemperatur auch unter den Einhüllungen und der zusätzlichen Bodenabdeckung mit Laub identisch mit der Bodentemperatur außerhalb, war das Erdreich durchgängig gefroren.

In diesem Winter habe ich die Bedeutung der Bodenabdeckung bei langandauerndem Frost verstanden. Ich war zu leichtfertig, der Winter war zunächst so mild gewesen, dass ich den Frost ab Ende Januar nicht wirklich ernst genommen und keine zusätzliche Bodenabdeckung angebracht habe - bis es zu spät war. Immerhin, nun kenne ich die Sorten, die langfristig Erfolg versprechen (v.a. Bianchera, Ascolana, Leccino), weiß, worauf ich besser achten muss (genügend Assimilation vor dem Winter durch zurückhaltenden Schnitt, ausreichend großflächige Bodenabdeckung), womit ich am besten in Bodennähe isoliere (Laub, Erde - nicht mit Grasschnitt - Verdunstungskälte!), wie ich optimal einpacke (mehrlagig Vlies ist besser als Thermofolie und ausreichend regendicht).

Mit den Lehren aus den vergangenen Wintern im Hintergrund habe ich im Frühjahr 2012 einen partiellen Neuaufbau des Hains initiiert, mit drei Ascolana, drei Leccino, sieben Aglandaou und drei Bouteillan. Also einmal mit bewährten italienischen Sorten und dazu noch mit zwei als frostfest gerühmten Provence-Sorten, von denen ich Aglandaou schon zuvor mit durchaus ermutigenden Ergebnissen erprobt hatte. Dass von meinen beiden Aglandaou von 2010 keiner mehr lebt (bzw. einer nur als Wildolive), möchte ich noch nicht der Sorte anlasten, denn die beiden Heister waren sehr schwach und hatten eine zehntägige Reise in einem etwas größeren Schuhkarton aus Ungarn hinter sich sowie eine frühe Umpflanzung nach Protesten eines Nachbarn, der neben seinem Maisacker schon riesige Olivenbäume aufwachsen sah (oder mich einfach nur loswerden möchte, um noch mehr Mais anzubauen).

3.9 Ihre Erfahrungen mit den Wintern 2012/13 ff

Der Winter 2012/13 wird mit seiner nicht enden wollenden Dauer kühler Witterung in Erinnerung bleiben. Doch bezogen auf Frostereignisse und Eistage war er ein eher milder Winter und die Oliven hatten weitgehend ihr Laub vom Vorjahr behalten! Allerdings kam es kaum zu Wachstum im folgenden Sommer und nur sehr bescheiden zur Blütenentwicklung. Geblüht haben vor allem die neu gepflanzten Moufla, Ascolana und Aglandaou, rudimentär auch Bouteillan. Vorwiegend also 2012 gepflanzte Bäumchen. Doch zur Reife kam nur Bouteillan, Ascolana "reiften" als kleine Stecknadelköpfe, verfärbten sich also tatsächlich recht dekorativ, aber in Zwergenform. Als Problem zeigte sich nun, dass nicht nur Frost im Winter, sondern auch eine ungünstige, zu kurze Wachstumsperiode im Sommerhalbjahr das Potential für Olivenpflanzen bei uns erheblich einschränkt. Erneut problematisch war auch, dass der winterliche Kälteschutz im Frühjahr auch hervorragend nächtliche Kühle bewahrte und Aufwärmung tagsüber einschränkte oder gar umkehrte (Verdunstungskälte). Verloren habe ich 2013 drei Bäume an die Schermäuse, keinen an den Frost!

2013/14 brachte einen noch erheblich milderen Winter als der voraufgegangene war - allerdings mit einer üppigen Anzahl an Frosttagen (besser: -nächten) im November und im Dezember, die sich jedoch im mittleren einstelligen Bereich hielten. Der Verlauf insgesamt war deutlich mild und Ende Februar zeichnete sich schon ab, dass er als drittmildester Winter seit 1900 in die Klimageschichte eingehen dürfte, markiert zudem durch eine Serie voraufgegangener auffallend frostiger bis zumindest lange kühler Winter 2008/09 bis 2012/13. So habe ich eine Ascolana bereits am 16. Februar wieder ausgepackt, die sich in sehr gutem Zustand zeigt, ohne Frostrisse und mit erhaltenem Blattwerk. Lediglich am Kronenscheitel gab es einige erfrorene violett verfärbte Blätter.

Die letzten Olivenpflanzen habe ich am 14. März 2014 ausgepackt. Wohl etwas zu spät, einige hatten viel Laub verloren, da es ihnen in den Sonnentagen wohl zu heiß geworden war unter der Einhüllung. Alle Pflanzen waren jedoch sehr gut erhalten, wie auch zu erwarten war nach einem Winter mit -6 Grad als vereinzelt stehender tiefster Temperatur (am 27. November 2013). Erheblich geschädigt wurden kurz nach dem Auspacken einige Pflanzen durch weidende Rehe! Meine These, dass wir uns mit den Wintern ab 2008/09 am Tiefpunkt eines rhythmischen Kältetales befanden, scheint sich zu bestätigen. Es wird wieder wärmer im Winter - jedoch sicherlich nicht kontinuierlich, so funktioniert Klima nicht.

3.10 Wo finde ich taugliche Wetterprognosen?

Wer Exoten im Freien überwintern möchte, sollte die Wetterbedingungen in seiner Region schon vor Pflanzunternehmungen genau studieren. Relevant sind Wind-, Temperatur- und Feuchtigkeitsparameter. Hilfreich sind dabei auch die Klimazonenkarte und die zugehörigen Erläuterungen von "Garten pur". Entsprechend sollte der Standort gewählt und die Pflanzpositionen festgelegt werden. Eventuell können auch Bauwerke errichtet werden, die Windschutz und Wärmeabstrahlung bieten. Sepp Holzer gestaltet für seine Permakulturprojekte massive Geländeveränderungen. Davon halte ich persönlich nicht viel, aber das ist eher aus Werten als rational begründet.

Mit den bisherigen Wetterdaten ihrer Region sind zugleich erste grobe Prognosen für die weitere Entwicklung möglich. Modelle für die regionale Klimaentwicklung unter den Bedingungen der Klimaerwärmung können hinzugenommen werden - sollten allerdings nicht allzu ernst genommen werden. Sie arbeiten mit langen Zeiträumen und lassen für die kommenden 20 Jahre kaum verlässliche Schlussfolgerungen zu.

Die besten kostenfreien längerfristigen Wind- und Temperaturprognosen (10 Tage) bietet ECMWF. Eine Registrierung ist notwendig. Auf der Startseite dann auf Forecasts/Charts. Dort auf die Abbildung "Medium Range" klicken. Es werden Windgeschwindigkeiten, Geopotential und Temperaturen angeboten. Gegen Gebühr können bis zu 30 Tage Vorhersagen abgefragt werden. Was lokale Niederschläge betrifft, dürfte der Wetterbericht ihrer Tageszeitung am brauchbarsten sein. Mit kostenfreien Internetangeboten habe ich sehr unbefriedigende Erfahrungen gemacht. Nicht nur die Werbeeinblendungen nerven. Die Prognosen sind häufig auch sehr unzuverlässig - bisweilen wird nicht einmal das aktuelle Wetter treffend beschrieben.

Frosteindringtiefen können Sie unter dem Menüpunkt "Agarwetter" beim Deutschen Wetterdienst erfahren. Dort gibt es auch Angaben zur Bodenfeuchte, zur phänologischen Jahreszeitentwicklung und einen recht groben aktuellen Wetterdienst mit Temperaturtrends auf 15 Tage hinaus.

3.11 In Griechenland und am Gardasee gibt es doch auch mal Schnee?

Wenn wir nur auf die Wintermonate schauen, sind in der Tat die Unterschiede zwischen Olivenanbaugebieten und unseren Weinbaugebieten nicht so groß, dass ein Olivenanbau bei uns ganz verwegen scheint. So schrieb Giovanni Presta, ein führender Agronom des ausgehenden 18. Jahrhunderts, der Aufklärung, zum Klima in Griechenland lakonisch "ha l'inverno siccome l'ha la Germania" - und dies "a motivo dei frequenti ed altissimi nevosi monti e delle vaste e profonde valli". Will man verstehen, was einem Olivenbaum bei uns zu schaffen macht, muss man im Herbst oder im Frühjahr über die Alpen fahren. Dann werden die Unterschiede deutlich fühlbar. Und im Winter können ein paar Nächte mit einigen Grad weniger oder ein paar Eistage mehr die Entscheidung bringen.

Immer wieder hat es auch in Olivenanbauländern fatale Frostereignisse gegeben. Bleiben wir bei Griechenland, so hat der Frost im Februar 1956 den Olivenanbau hier in Bergregionen, auch auf den Inseln, teilweise zum Erliegen gebracht. Besonders betroffen war unter anderem Lesbos - mit der Folge teilweiser Umstellung auf Esskastanien. Ein weiteres griechisches Olivensterben ereignete sich im Winter 2000/2001.

Am Lago Maggiore sind im Winter 1749/1750 die uralten Olivenbestände der Isola Madre erfroren. Aus dem gleichen Winter werden auch erhebliche Schäden in den Hainen der Cinque Terre berichtet. Giovanni Presta listet für die Toskana Frostfatalitäten 1216, 1510, 1600, 1709, 1749, 1782 und 1789 auf. Aus dem 19. Jahrhundert, nach dem Ende der kleinen Eiszeit, gibt es nur für 1840 Zeugnisse zu Olivensterben in der Toskana. Aus dem 20. Jahrhundert sind dann aber gleich drei überliefert. Im Februar 1929 gab es einen Extremfrost, dem große Teile der Olivenbestände zum Opfer fielen. Im Februar 1956 erlebte die Toskana einen drei Wochen andauernden strengen Frost bei Ostwind. Fast zum Schlusspunkt für den Olivenanbau in der Toskana wurde dann der Januar 1985, in welchem mehr als 80% des Bestandes erfroren.

Der Extremfrost im Februar 1956 suchte auch die Olivenhaine in Südfrankreich heim. In Frankreich erfroren 2,5 Millionen Olivenbäume. Dies bedeutete das Ende des kommerziell relevanten Olivenanbaus in Frankreich, die meisten Haine wurden aufgegeben beziehungsweise - später angetrieben durch die Agrarförderung der EU - auf Obstbau (Kirschen) umgestellt, der größte Teil der französischen Ölmühlen wurde stillgelegt.

Für Nordspanien sind Kältewellen aus den Jahren 1921 und 1932 überliefert, Gesamtspanien litt (wie Frankreich, Italien und Griechenland) 1956, Südspanien erlebte (wie Griechenland) im Winter 2000/2001 für seine Olivenanlagen fatale Fröste.


4 Pflege- und Schutzmaßnahmen

4.1 Welche Maßnahmen haben Sie für den Winter getroffen?


Zunächst einmal sorge ich dafür, dass die Pflanzen stabil in den Winter gehen. Dazu benötigen sie Kalium und den weitgehenden Verzicht auf Stickstoffdüngung. Mit dem Schnitt bin ich nach schlechten Erfahrungen in den Anfangsjahren sehr zurückhaltend. Selbst "Sucker", Triebe aus der Unterlage, lasse ich zunächst stehen. Schwach entwickelte Pflanzen können bisweilen gerade dank der Unterstützung durch Wildoliventriebe an der Basis gut durch den nächsten Winter kommen. Denn schwache Pflanzen benötigen jedes Blatt, um Zuckereinlagerungen als Frostschutz zu produzieren.

Winter 2008/09: UV-stabile Gärtner-Thermofolie mit Luftpolstern (keine Einpack-Luftpolsterfolie!) um die Bäume. Ab -10 Grad "Heizung" innerhalb der Thermofolien-Hülle mit Dauerkerzen - bewährt haben sich die gedeckelten Dauerkerzen des DM-Marktes. Winter 2009/10: Federstahltunnels mit Thermovlies M85 (das ist auch zur Feuchtigkeitsregulation sehr gut geeignet und lässt genug an Licht durch). Heizung ab -10 Grad mit Öllichtern und Dauerkerzen. Problematisch bei starkem Wind, der unter die Tunnels greift, und bei Schneelast. Winter 2010/11: Thermofolie, Vlies und Vliestunnels. Winter 2011/12: Einzeleinhüllungen mit Thermofolie und Vlies. Bei niedrigen Neuaustrieben verwende ich übergestülpte Kartoffelkörbe mit Laub gefüllt, darüber Luftpolsterfolie.

Ab Winter 2012/13: Zur Vorbereitung (Zuckereinlagerung) lasse ich 2012 alles wachsen, was kommt, schneide nicht mehr, auch keine Wildtriebe. Nach den Erfahrungen mit dem Frostfebruar 2012 achte ich auch verstärkt auf großflächige, regenfeste Bodenabdeckung, um Bodendauerfrost und Verdunstungskälte zu reduzieren. Verzicht auf Luftpolster-Thermofolie, unter der bei Sonne hohe Temperaturen enstehen und die schlechte Feuchtigkeitsregulation leistet. Einpacken nur noch mit Vlies, wobei ich die Kronen zuvor zusammenbinde und Zweige auch nach unten binde um Höhe zu reduzieren. Auch darauf achten, dass noch Sonnenlicht an die Pflanzen kommt, nicht dauerhaft zu dicht einpacken, das sollte nur kurzfristig bei zweistelligen Frostwerten geschehen. Ich mulche bei Bodenfrostgefahr hoch, decke den Mulch ab. Noppenfolie verwende ich nur noch zur Bodenabdeckung bisweilen gegen Dauerfrost.

4.2 Was muss ich zur Wintervorbereitung beachten?

Kernzeit für das Einpacken ist 15. Dezember bis 15. März. Mit den recht zuverlässigen 10-Tages-Prognosen von ECMWF lässt sich der Zeitraum noch einschränken - am Beginn prinzipiell unbefristet, am Ende maximal um 10 Tage, um einen Märzwinter noch abfangen zu können. Eingepackt werden MUSS bei prognostizierten zweistelligen Minustemperaturen. Es empfiehlt sich jedoch, schon darunter zu beginnen, ab etwa -5, insbesondere, wenn die Witterung günstig (=trocken) ist.

1. Bei der Pflanzung bereits darauf achten, dass der Stützpfahl gut angebracht ist für die Wintereinhüllung. In der Regel dürfte dies eine Position in südwestlicher Richtung sein.
2. Stickstoff schon im Frühjahr bereit stellen (Hornspäne, Kompost, Boden lockern), damit das Pflanzenwachstum gut verlaufen kann und genügend Zucker eingelagert wird als Frostschutz für den Winter. Ab Anfang September aber keine Stickstoffgaben mehr, um schwammiges Holz zu vermeiden!
3. Im Sommer bereits während der Wachstumsperiode mit Kalium/Pottasche (Kaliumkarbonat) versorgen, da dies zur Feuchtigkeitsregulation notwendig ist. Auch Magnesium sollte im Boden bereit stehen.
4. In Italien wird empfohlen: Im Oktober eine Kupferspritzung (nach Bioanbauregeln genügt vollkommen), die sowohl Occhio di Pavone regulieren hilft, als auch allgemein Hefepilze reduziert, die im Winter Kristallisationskerne für die Eisbildung bereitstellen.
5. Vor dem Einpacken Krone binden, nach oben ragende Zweige nach unten binden, wenn die Elastizität dies zulässt (nicht bei Frost einpacken!). Insgesamt auf kompakte Krone achten (nicht eigens für den Winter schneiden - je mehr Pflanzenmasse in den Winter geht, umso besser).
6. Einpacken mit Vlies, nicht zu früh, erst wenn Temperaturen unter -4 Grad zu erwarten sind. Allerdings so terminieren, dass möglichst nicht bei oder unmittelbar nach Regen nasse Pflanzen eingepackt werden müssen. Auch daran denken, dass sich bei Sturm schlecht mit Vliesen hantieren lässt.
7. Im Bodenbereich zusätzlich mit trockenem Mulchmaterial abdecken. Darüber Kunststofffolie, die bei längeren Trockenphasen abgenommen werden kann. Das Mulchmaterial sollte einigermaßen trocken bleiben, um Verdunstungskälte zu vermeiden.

Folgende Prinzipien haben sich bewährt:

A. Mehrmaliges Ein- und Auspacken (mit Ausnahme von Zusatzhüllen in Starkfrostphasen) vermeiden. Denn dies bedeutet zusätzlichen Anpassungsstress für die Pflanzen.
B. Hohe Temperaturdifferenzen vermeiden - daher nicht mit dunklem Material oder Luftpolsterfolie einhüllen im Winter.
C. Darauf achten, dass die Pflanzen noch Sonnenlicht bekommen, also nicht zu dick einpacken.
D. Auch auf Feuchtigkeitsschutz achten, vor allem am Holz, vor allem im unteren Stammbereich.
E. Verdunstungskälte am Boden vermeiden durch Regenschutz unten bzw. Freilegen des Bodens (Entfernen von feuchtem Mulch) im Wurzelbereich.

4.3 Was halten Sie von Wurzelheizungen?

Grundsätzlich gilt: Wer sich einen teuren Solitär leistet, der lässt den in der Regel von einem Landschaftsgärtner betreuen und/oder lässt sich vom Verkäufer eine Garantie geben. Dazu gehört natürlich, sich an deren Anweisungen und Bedingungen zu halten. Und diese Bedingungen umfassen häufig die Installation einer Wurzelheizung - die natürlich auch ein entsprechendes Honorar für den Gärtner bedeutet. Bei erfahrenen Partnern dürfte diese Heizung auch korrekt angelegt sein und tauglich. Von eigenkonstruierten Wurzelheizungen kann ich bei wertvollen älteren Bäumen nur abraten.

Die Frosteindringtiefe in Deutschland wird meist überschätzt. Entsprechende Informationen gibt es während der Wintermonate auf den Internetseiten des Deutschen Wetterdienstes (dwd), unter "Agarwetter" (den Link dazu finden Sie auf meiner Seite zu "Informationsquellen"). Ich persönlich empfehle zum Schutz von Wurzeln und unterem Stammbereich eine Vlieseinhüllung des Stammes, anschließend Mulchauflage von mind. 25 Zentimetern Höhe, die am Stamm nicht über die Vliesgrenze hinausragen darf, sowie eine Folienbedeckung des Mulches gegen Regen/Schneefeuchtigkeit, um Verdunstungskälte und Frostbildung an der Rinde junger Stämme zu vermeiden. Um Mäuselager zu vermeiden, kann der Mulch auch durch Steinmaterial (Ziegel etwa) ersetzt werden.

Wurzelheizungen machen vor allem dann Sinn, wenn eine Umhüllung des Baumes die vom Wurzelbereich/Erdboden aufsteigende Wärme für die oberirdischen Teile der Pflanze nutzt und dafür sorgt, dass es nicht zu starken winterlichen Temperaturdifferenzen zwischen Wurzelbereich und Krone kommt (Füße warm, Kopf frostig oder bei Heizspiralen im Kronenbereich auch umgekehrt). Man sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass mit gewächshausähnlichen Überbauungen auch ein vorzügliches Überwinterungshabitat für Mäuse geschaffen wird. Gelegentliche Störmaßnahmen und Kontrollen der Baumscheibe auf Mauselöcher oder Erdhügel von Schermäusen hin sind dann sinnvoll. Überbauungen sind natürlich auch windanfällig und schneelastgefährdet.

4.4 Welche Heizmaßnahmen empfehlen sich sonst?

Es geht hier wohlgemerkt um Heizung im Freiland oder in Kühlhäusern. Notwendig ist sie nur, wenn Temperaturen signifikant (abhängig auch vom Pflanzenalter, bei älteren kann es näher an Zweistellig gehen) unter -5 Grad an den Pflanzen erwartet werden. Lichterketten für die Kronen werden empfohlen, Gasheizstrahler und Elektroheizgeräte auf Distanz werden eingesetzt, ich selbst habe einige Winter mit Dauerkerzen und Öllichtern in Vliesiglus oder Zeltbauten gearbeitet. Der Aufwand ist in allen Fällen hoch bis enorm und sollte wohl erwogen werden - zumal er nicht immer sinnvoll ist, bisweilen sogar kontraproduktiv (Austrocknen, zu viel Wärme, Stress durch ungleichmäßige Temperierung, Temperaturdifferenzen, Pilzbildung).

Insbesondere durch starke Wärmequellen können Schäden verursacht werden, indem die Pflanze das Signal "Frühling" bekommt und ihren eigenen Winterschutz abbaut. Da Oliven sehr träge im Aufbau des Winterschutzes sind, hat das fatale Konsequenzen wenn die Wärmequelle dann ausfällt, unwirksam wird durch Starkwind oder nicht mehr gegen den Frost bestehen kann. Direkt geschädigt kann das Gewebe auch durch Austrocknung werden, wenn die Pflanze den Stoffwechsel heruntergefahren hat und etwa ein Wärmestrahler - gar mit Gebläse - die Rinde austrocknet.

Schädlich ist auch die einseitige Erwärmung, wenn die Wärmequelle dafür sorgt, dass in der Rinde eine hohe Temperaturdifferenz zwischen der Seite, die der Heizquelle zugewandt ist und der abgewandten Seite besteht. Eine andere negative Wirkung kann entstehen, wenn durch eine Heizmaßnahme zwischen den "Füßen", also Wurzeln der Pflanze, und dem "Kopf", also der Krone, eine erhebliche Differenz besteht.

Hilfreich sind daher nur Maßnahmen, die den kompletten Raum um die Pflanze wärmen, die also innerhalb einer Umhüllung oder Umbauung wirksam sind und zwar möglichst gleichmäßig allseitig. Und dies so, dass sie zu keiner Austrocknung der Pflanze führen. Ab etwa +5 Grad Durchschnittstemperatur geht die Olive in eine vegetative Phase über (auch von zahlreichen sonstigen Faktoren abhängig), mit Saftströmen und damit auch Verdunstung. Daher sind Zimmeroliven auch im Winter unbedingt gelegentlich zu gießen! Heizmaßnahmen sollten daher nur dazu eingesetzt werden, starke Frostereignisse zu kappen.

In Weinanlagen wurde in Deutscdhland besonders in den 60er Jahren Offenheizung eingesetzt. Deren Hauptzweck bestand allerdings darin, mit einer Rußwolke Strahlungskälte zu reduzieren, einen kleinen lokalen "Treibhauseffekt" zu erzeugen.

In jedem Falle benötigt die Olive auch eine relative Winterruhe mit Temperaturen nahe am Gefrierpunkt, ansonsten kommt es zu einer schwachen oder keiner Blütenbildung.

4.5 Womit düngen Sie?

Oliven sind anspruchslose Pflanzen, die auch auf kargen Böden existieren können. Das legendäre langsame Wachstum ist eine Folge entsprechender Standorte, zumal in hitzig-trockenen Lagen. Bekommen Olivenbäume besseren Boden und Wässerung, wachsen sie (ein entsprechendes Klima vorausgesetzt) unlegendär schnell. Die Menge und Qualität des Öls nimmt dabei jedoch nicht immer entsprechend zu. Düngung und Wässerung können im Gegenteil zu einem gravierenden Qualitätsverlust beim Öl und darüber hinaus zu Krankheitsanfälligkeit und Frostanfälligkeit führen.

Da ich sowohl meinen kleinen Weinberg als auch den Olivenhain ökologisch pflege, bringe ich keine unspezifische mineralische Mischdünger aus und keine chemisch erzeugte Stickstoffpräparate. Eine Analyse meines Bodens hat Magnesium- und Kaliummangel ergeben, weshalb ich diese Mineralstoffe in den entsprechenden Düngeraufbereitungen (Kieserit, Kalisulfat) sparsam und gezielt ausbringe. Vor allem ein gutes Angebot an Kalium (z.B. auch als Pottasche) ist für den Wasserstoffwechsel der Olivenbäume sehr wichtig und für den Aufbau des Frostschutzes in den Pflanzen nach Auskunft des Olivenanbauforschungszentrums "Santa Paolina" in der Toskana unabdingbar notwendig.

Zur Stickstoffversorgung mulche ich und gebe gelegentlich Hornspäne oder eigenen Kompost aus dem Wiesenschnittmaterial an die Baumscheiben. Zur Stickstofffreisetzung/Mineralisation hilfreich ist Hacken und Umgraben der Baumscheibe - dabei sollte auf ausreichenden Abstand zum Stamm geachtet werden, abhängig vom Baumalter 20-50 cm. Alle diese Maßnahmen sollten ab September nicht mehr stattfinden, um die Bildung von instabilem, frostanfälligem Gewebe zu verhindern. Wässerung ist bei uns nur bei Neupflanzungen und eventuell nach dem Winter notwendig, wenn Bodenabdeckungen den Boden an den Wurzeln haben austrocknen lassen.

4.6 Was ist bei Zimmeroliven zu beachten?

Oliven sind in den meisten Fällen keine tauglichen Zimmerpflanzen. Ihr Charakter sprengt kleinere Räume hoffnungslos. Große Empfangshallen, weite und lichte Treppenhäuser bieten eher Entfaltungsmöglichkeiten und ein angemessenes Ambiente. Auch wenn die meisten Olivensorten windige Lagen nicht besonders schätzen, besonders nicht in Verbindung mit Kälte und Feuchtigkeit, mögen sie doch gute Durchlüftung, um nicht an Pilzkrankheiten oder Schädlingen zu leiden. Auch gelegentlicher Taufall und Brisen vom Meer tun der Olive gut. Letzteres kann etwa durch leichtes Einsprühen mit Salzlösung (bis max. 12 Gramm/Liter) simuliert werden, die gegen Läusebefall helfen sollen.

In geschlossenen Räumen leiden Kübeloliven, vor allem im Winterhalbjahr, häufig an Pilzerkrankungen oder Läusebefall, wenn Ventilation fehlt. Und auch wenn Oliven Wärme allgemein schätzen: Sie benötigen im Winterhalbjahr Kühle, um sich insgesamt wohl zu fühlen und Widerstandskräfte gegen Schädlinge zu entwickeln. Häufig wird auch vergessen, Oliven in Töpfen oder Kübeln zu gießen. Da Oliven in Gefäßen weniger Wurzelwerk entwickeln können als im Freien, leiden sie dann rasch unter Trockenstress. Staunässe muss allerdings auch vermieden werden!

In der Regel stehen Kübeloliven im Sommer auf der Terrasse, vor dem Haus oder im Garten und nur im Winter im Haus. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht in warmen oder feuchten Räumen stehen. Geheizte Räume sind für die Überwinterung absolut nicht geeignet, da sind Erkrankungen vorprogrammiert. Wenn Oliven im Winterquartier die Blätter verlieren, liegt das in der Regel an zu großer Wärme. Gelegentlich kann auch Wassermangel die Ursache sein. Oliven haben auch im Winter, bei Temperaturen ab etwa 5 Grad plus, Stoffwechsel und verbrauchen entsprechend Wasser. Allerdings treiben die Oliven danach dann ab März, manchmal auch erst im Juni, wieder neue Blätter, wenn das Gießen nicht vergessen wird.

Kübeloliven sollten über Winter nicht draußen bleiben. Wenn, ist auf eine ausreichend großen Kübel zu achten, damit es weder zu Durchnässung, noch zu anhaltender Trockenheit, noch zum Gefrieren der Erde im Kübel kommt. Der Kübel sollte in jedem Fall auch noch temperaturdämmend eingepackt werden.

4.7 Mähen oder Mulchen?

Manchmal klingt die Auseinandersetzung um die richtige Grünpflege wie ein Glaubenskrieg. Die einen sehen den Untergang ihrer Grünfläche kommen, wenn sie nicht jeden Samstag mähen, die anderen halten einen Schnitt im Jahr für optimal. Die einen Mähen nur mit Sense, die anderen nehmen einen Mulchmäher, der das Pflanzenmaterial "kurz und klein" schlägt/schneidet. Die einen entnehmen das Mähgut, die anderen lassen es liegen. Und alle schwören darauf, dass ihre Methode die beste sei.

Nun gibt es natürlich grundsätzlich Unterschiede zwischen einem Liege- oder Spielrasen beim Haus und der Streuobstwiese. Und alle Varianten dazwischen und daneben, wie etwa der Unterwuchs eines Weinbergs, haben eigene Beurteilungskriterien.

Ich möchte daher grundsätzliche Konsequenzen der verschiedenen Schnittregimes aufzeigen. Und zwar am Beispiel der vier Grundvarianten der Pflege:
  1. Ausroden. Die Spannweite reicht vom Pflügen über das Hacken bis zum Ausrupfen einzelner Pflanzen. Hat den großen Vorteil, nebenbei auch Mäuse zu vertreiben, und schafft mit offenen Stellen unter Umständen Nischen für seltene Pflanzen. Eine grasdominierte Wiese lässt sich so etwa recht zügig in eine kräuterbetonte umstrukturieren. Wobei hilfreich auch das Einbringen von standorttypischem Saatgut ist - etwa durch "Impfen" mit Mähgut von ökologisch wertvollen Wiesen der Nachbarschaft.
  2. Mähen mit Entnahme. Die klassische landwirtschaftliche Pflege, die das Abernten des Mähgutes zum Ziel hat. Inzwischen auch zur Landschaftspflege eingesetzt als Ersatz für die traditionelle bäuerliche Pflege, die spezielle, ökologisch wertvolle Wiesenbiotope geschaffen hat. Funktioniert allerdings nur bei Düngungsverzicht, da Düngung Gräser fördert und dominierende Stickstoffzehrer wie Löwenzahn.
  3. Mähen ohne Entnahme. Dabei bleibt das Mähgut einfach liegen und verrottet unstrukturiert. Führt zu Wiesenverfilzung und begünstigt tendenziell die Gräser und kriechende Pflanzen. Für die ökologische Pflege wenig sinnvoll. Lockt auch Mäuse an, was bei Streuobstwiesen unerwünscht ist (Wurzelfraß, Freilegen der Saugwurzeln durch Gangsysteme).
  4. Mulchen. Genau genommen bedeutet "Mulchen" das Abdecken des Bodens mit organischem Material. Mit der Entwicklung moderner Mähgeräte, die das Grüngut kleinteilig zerhacken oder schneiden, wurde der Begriff jedoch zunehmend auf diese Weise des Grünschnitts bezogen. Für die Wiese ist das eine bequeme und ökologisch einigermaßen verträgliche Pflegeform. Allerdings wird der Insektenbestand damit drastisch reduziert. Zudem findet langfristig eine Stickstoffanreicherung des Bodens statt, was für den Obstanbau sinnvoll ist, für seltene Blühtenpflanzen jedoch nicht, da diese vor allem auf mageren Standorten gedeihen.
Jede Wiese benötigt zur Erhaltung einen Schnitt, da sie sonst in der Sukzession von Stauden, Büschen und schließlich Bäumen verdrängt wird. Wird das Mähgut entnommen, entfaltet sich ein besonders hoher Artenreichtum. Bleibt das Mähgut liegen oder wird um die Bäume einer Obstanlage in Ringen gelegt, kommt es zur Humus- und Stickstoffanreicherung an den Liegestellen. Für Insekten ist der liegenbleibende Schnitt interessant - aber auch für Mäuse, was bedacht werden muss, wenn z.B. Obstbäume oder Obstgehölze gepflanzt werden! Mulchringe sollten daher gelegentlich "gestört" werden und zum Ende des Jahres oder spätestens im nächsten Frühjahr umgegraben.

4.8 Was tun gegen Neophyten?

Wer heute eine artenreiche Streuobstwiese aufbauen möchte oder erhalten, der steht nicht nur vor dem Problem, die Verfilzung der Wiese in den Griff zu bekommen (traditionell wurde die Mahd entnommen und verfüttert oder man hat gleich Schafe über die Wiese geschickt), sondern früher oder später ist er mit invasiven Neophyten konfrontiert, in der Regel sind das die beiden Berufkraut-Arten Feinstrahl und kanadisches Berufkraut (weißblühend), oder die kanadische Goldrute (gelbblühend).

Bei einmahliger Mahd sind die nicht in den Griff zu bekommen, auch bei zweimaliger Mahd kann es zur weiteren Ausbreitung kommen über Samenflug. Man muss also zwischendurch reingehen, zumal beide Arten, wenn sie erst blühend gemäht werden, zur Samennotreife in der Lage sind. Die Maßnahmen zwischendurch sollten selektiv sein, damit nicht wichtige Zielpflanzen des Standortes (Skabiosen, Flockenblumen, Karthäusernelke, Odermennig, Wiesensalbei u.a.) mit reduziert werden.

Mittel erster Wahl, aber sehr mühsam ist das Ausroden mit der Hand. Dabei sind Lederhandschuhe empfehlenswert, ich verwende dünnere Schweißerhandschuhe oder die von Manufactum, mit langer Stulpe, gut auch bei Brennesseln, Disteln, Brombeeren. Einfacher ist die Kontrolle mit der Sense, dabei wird jedoch oft mehr weggenommen als notwendig ist, unter Umständen wertvolle Magerpflanzen in der Blüte. Ich verwende gerne die Elektro-Motorsense. Damit kann ich wirklich selektiv vorgehen, die Erfassungsbreite/Schnittbreite der meinen liegt bei 30 Zentimeter. Und inzwischen gibt es Geräte, die wirklich was taugen, mit meiner Black & Decker kann ich ca. eine Stunde arbeiten, dann ist der Akku leer. Die Vorteile gegenüber einer Benzin-Motorsense: Weniger Lärm, keine Abgase oder Ölabscheidungen, Antriebsleistung stufenlos regelbar, geringes Gewicht.

Ein weiterer Vorteil der Motorsense liegt darin, dass die Pflanzen zerkleinert werden. Bei blühendem Berufkraut oder Kanadischer Goldrute wird damit z.B. die Gefahr reduziert, dass die Samen noch ausreifen. Bei der Kanadischen Goldrute wird durch das Zerkleinern zudem die positive Wirkung der Pflanze auf die Bodenqualität über ihre ätherischen Öle breiter gestreut.


5 Krankheiten, Schädlinge

5.1 Was kann ich gegen "Occhio di Pavone" machen?


Die Pfauenaugen-Krankheit, Spilocaea oleagina oder italienisch "Occhio di Pavone", und die ganz ähnliche "Piombatura" (Mycocentrospora cladosporioides) sind die sicherlich in Olivenanbauländern bekanntesten und häufigsten Olivenkrankheiten, die auch bei in Deutschland gekauften Olivenpflanzen auftreten können. Sie greifen die Blätter an und bringt diese zum Absterben, was die Pflanzen schwächt.

Symptome sind helle, runde Verfärbungen mit einem dunklen Ring, dem sich nach außen wieder ein hellerer Ring anschließt. Im fortgeschrittenen Stadium verfärbt sich bei der Piombatura das ganze Blatt gelblich, mit Ausnahme der dunklen Ringe. Bei uns haben die beiden Pilzerkrankungen vor allem bei Zimmeroliven und in den Übergangsjahreszeiten beim Zusammenwirken von Feuchtigkeit und Wärme (ab 16 Grad) gute Verbreitungsmöglichkeiten. Dabei geschieht die Ansteckung vor allem ausgehend von befallenen lebenden Blättern. Von abgefallenen Blättern am Boden geht eher selten eine Ansteckung aus. Die Unterscheidung zwischen den beiden Erkrankungen wird nicht immer klar durchgeführt. Spilocaea oleagina hat weniger und größere Flecken.

Grund zur Panik besteht nicht, da sich beide Krankheiten bei vitalen, gut gelüfteten und nicht überdüngten Pflanzen schon durch Abzwicken der befallenen Blätter kontrollieren lassen. Erst ab 30% Befall wird in Anbauländern mit einem Fungizid behandelt. In unseren Breiten sollte schon bei etwa 20% Befall an eine Behandlung mit einem Kupferpräparat gedacht werden. Die Firma Neudorff bietet dazu ein passendes Mittel auf Kupferbasis an, das im Gartenbereich eingesetzt werden darf. Allerdings ist die Wirksamkeit von Kupferpräparaten bei M. cladosporioides wohl nicht so groß wie bei S. oleagina.

Grundsätzlich ist an wenig gut durchlüfteten Standorten darauf zu achten, dass die Krone nicht zu dicht wird. Pflanzenstärkend gegen Pilzerkrankungen wirken auch zahlreiche Kräuteransätze, etwa mit Kanadischer Goldrute (bitte nicht eigens deswegen anpflanzen, ist ein biotopzerstörender invasiver Neophyt!) oder Schafgarbe.

5.2 Welche Maßnahmen helfen gegen die Olivenfliege?

In Deutschland stellt sich das Problem Olivenfliege (Bactrocera olea) vorläufig nicht. Aber da ich auch zahlreiche Anfragen aus anderen Regionen erhalte, vor allem aus dem Piemont möchte ich auf das Thema hier eingehen.

Olivenfliegen sind zweifach problematisch, einmal als Überträger des "Olivenkrebses", der von Bakterien verursacht wird - dieser wird an der Pflanze selbst durch Ausschneiden und Verbrennen des Materials bekämpft. Darüber hinaus beeinträchtigt die Olivenfliege durch den Besatz der Olivenfrüchte mit ihren Larven, was die Qualität des Olivenöls beeinträchtigt. Bei starkem Befall wird auch die Vitalität der Bäume herabgesetzt.

Da Olivenfliegen mobil sind, ist das Problem nur großflächig effektiv zu lösen, also unter Einbeziehung möglichst auch der Olivenhaine in der Umgebung. Werden die bewirtschaftet, dürften die Bewirtschafter selbst etwas gegen die Olivenfliege auf ihrem Gelände unternehmen. Liegen sie aber brach, gibt es ein Problem, dass nämlich von dort immer wieder Olivenfliegen in Ihren Hain einfliegen können.

Biologische Bekämpfungsmittel sind zum einen Pheromonfallen (it. "Ecotrap") mit einem Kontaktinsektizid im Innenraum. Damit werden die Fliegen angelockt und abgetötet. Außerdem gibt es als käufliches Produkt Klebefallen (it. "Trappola Cromotropica"), mit oder ohne Pheromone. Weiters können selbst konstruierte Flaschenfallen eingesetzt werden, die eine Lockflüssigkeit enthalten, in der die Fliegen ertrinken. Empfehlenswert mit eingestülpter Öffnung (erschwert das Ausfliegen). Verwendet werden Mischungen aus verschiedenen der Komponenten Wasser, Zucker (Lockstoff), Spülmittel (um die Oberflächenspannung herabzusetzen, damit die Fliegen sich nicht auf der Flüssigkeit halten können), Spiritus (soll Fliegen betäuben und die Brühe haltbarer machen), Rotwein (Lockstoff, Betäubung) oder Essig (Lockstoff, ansonsten ähnliche Funktionen wie Spiritus).

Windige Lagen und trockene Luft gefallen den Olivenfliegen nicht. Daher kann auch mit Schnittmaßnahmen ein vorbeugender und regulierender Effekt erreicht werden.

5.3 Wie kann ich Schermäuse bekämpfen?

Schermäuse sind im Garten- und Obstbau wenig beliebt, da sie Wurzeln fressen und damit junge Obstkulturen stark schädigen können. Sie werden auch als Wühlmäuse bezeichnet, obgleich sie nur eine Gattung von Wühlmäusen sind, zu denen auch die Feldmaus, die Bisamratte und die Lemminge gehören. Ihre Nagespuren sind denen des Bibers ähnlich, können von Laien aber auch mit denen von Maikäferengerlingen verwechselt werden. Ihre Gänge sind hochoval und weitgehend frei von Wurzelwerk (im Unterschied zu den querovalen des Maulwurfs, der Fleischfresser ist). Sie sind extrem lichtscheu, daher halten sie ihre Gänge immer geschlossen und bevorzugen Wiesen mit hohem Bewuchs.

Obgleich Schermäuse feuchte Böden bevorzugen, bereiten sie mir auch große Probleme im eher trockenen Olivenhain. 2012 sind ihnen bei mir drei von sechzehn neu gepflanzten Oliven zum Opfer gefallen. Wobei sie besonders vitale Exemplare bevorzugt haben. Da Menschen die natürlichen Feinde von Schermäusen wie Eulen, Greifvögel oder Mauswiesel erheblich reduziert oder in ihren Jagdrevieren eingeschränkt haben, können sich Schermäuse auf gut beschatteten Streuobstwiesen lebhaft vermehren. Ein Weibchen kann zwei bis vier Male zwei bis fünf Junge im Jahr werfen. Die Vermehrungsquote ist bei günstigen, ungestörten Bedingungen etwa 1:10. Ein Teil der Jungen wird allerdings von Spitzmäusen oder Maulwürfen gefressen oder von Parasiten getötet.

Zur Vorbeugung sollte im Bereich um die Bäume der Bewuchs kurz gehalten werden und der Boden regelmäßig, etwa mit einer Grabgabel, durchstochen werden.

Oktober ist die beste Zeit zur aktiven Bekämpfung, da die Schermäuse dann besonders aktiv sind, um ihre Wintervorräte anzulegen. Sehr gute Erfolge hatte ich auch im März, am späteren Nachmittag. Die Bekämpfung kann mit speziellen Fallen am ökologieverträglichsten erfolgen. Allerdings ist das sehr mühsam und erfordert einige Übung. Groß ist auch die Gefahr, geschützte und nützliche Maulwürfe damit zu töten, wenn die Gangsysteme verwechselt werden. Maulwürfe haben engere, eher querovale, Schermäuse eher hochovale Gangdurchschnitte. Teilweise sind die Gangsysteme von Schermäusen und Wühlmäusen auch miteinander verbunden bzw. werden wechselseitig benutzt.

Zu erkennen sind Schermausvorkommen an den unregelmäßigen, flachen Erdhügeln oder z.B. an plötzlich absterbenden Fenchelpflanzen oder Luzernen. Gewürzfenchel als Schermausindikator gezielt zu pflanzen/auszusäen macht durchaus Sinn, er verträgt sich auch gut mit Oliven und trägt positiv zur Ökologie der Olivenwiese bei.

5.4 Haben Sie Probleme mit Wildverbiss u.ä.?

Mit Wildverbiss selbst hatte ich lediglich nach dem milden Winter 2013/14 größere Probleme. Aus der Rheinebene kenne ich Probleme mit Kaninchen, die die Rinde von Obstbäumen vor allem im Winter abknabbern. Dagegen helfen ein dichter Kalkanstrich oder Manschetten/Stroheinhüllungen.

In mein Gelände kommen regelmäßig Rehe, die wohl auch für lästigen Zeckeneintrag sorgen. Sie knabbern gelegentlich mal an Oliventriebspitzen, an der Felsenbirne und an anderen Büschen. Anfang April 2014 haben sie die bodennahen Oliventriebe fast vollständig abgeweidet - das Laub war intakt aus dem Winter gekommen und war offensichtlich ein verlockendes Angebot. Meine Felsenbirnen muss ich zügig ernten, will ich sie nicht an die Rehe verlieren. Auch in meinem Weinberg gibt es gelegentlich punktuelle Fraßschäden durch Rehe.

Wirklich problematisch sind die Fegeschäden durch Rehböcke. An die habe ich schon drei Sanddorn und einen Tellerpfirsich verloren. Auch junge Maulbeerbäume, Haselnüsse, Faulbaum und Felsenbirne wurden schon angefegt. Unter den Oliven waren bisher drei Pflanzen massiv betroffen, und zwar besonders vitale Exemplare.

Ich habe daher inzwischen die meisten Pflanzen in meinem Gelände mit Holzstäben "umzäunt". Was unschön und beim Mähen und auch sonst in der Pflege lästig ist. Aber ich ziehe das den Plastikmanschetten vor, die ich nur ungern in mein naturnah gepflegtes Gelände einbringen möchte. Zudem habe ich schon erlebt, dass Manschetten weggerissen waren von einem Bock vor dem Fegen. Die ideale Lösung habe ich noch nicht gefunden. Vergrämungsmittel sind völlig sinnlos gegen Rehe.

Wildschweine sind auf meinem Gelände auch gelegentlich unterwegs. Sie suchen dort vor allem im Frühjahr Maikäferengerlinge. Eine frisch gepflanzte Olive ist einmal wühlenden Wildschweinen zum Opfer gefallen. Engerlinge können dort allerdings keine gewesen sein, das hatte ich vor der Pflanzung weiträumig überprüft. Da hat wohl die lockere Erde gelockt.

5.5 Was mache ich bei Baumkrebs?

Vor allem bei "Eigenimporten" oder Gelegenheitsgeschenken, aber auch bei älteren Pflanzen aus dem Gartencenter gibt es Probleme mit der Rogna dell'olivo, dem Olivenkrebs - je nach Geschmack hässlichen bis malerischen Gewebewucherungen an Ästen und Zweigen. Bei klarer Baumschulherkunft ist die Erkrankung höchst selten, da sie eher bei älteren Pflanzen auftritt, die schon häufigere Schnitte hinter sich haben und die in befallenen Anlagen mit fruchtenden Pflanzen (und damit auch Olivenfliegenvorkommen) standen.

Rogna dell'olivo (Pseudomonas sevastanoi) wird verursacht durch einen Bakterium, Pseudomonas syringae. Das Eindringen in die Pflanze geschieht an Holzverletzungen, dabei sind die Olivenfliege und kontaminierte Schnittwerkzeuge die Hauptüberträger. Günstige Übertragungsbedingungen sind auch gegeben bei Feuchtigkeit und Wärme an Holzwunden, dabei kann das Bakterium von infizierten Stellen aus "wandern" und in Verletzungen eindringen. Eine Saftstromausbreitung innerhalb der Pflanze scheint nicht stattzufinden. Befallen werden vor allem junge Zweige, die z.B. auch durch Hagelschlag oder Frostrisse verletzt werden können.

Beim Auftreten von Rogna sollten befallene Zweige abgeschnitten und Wunden an stärkeren Ästen oder am Stamm mutig ausgeschnitten werden. Die Werkzeuge sind mit Eisensulfat, Spiritus oder Chlorbleiche zu desinfizieren. Die Wunden müssen mit Baumwachs verschlossen werden.

Bei Zierpflanzen ist abzuwägen, ob man einen Schnitt vornehmen möchte und in welchem Umfang. Einen an Stamm und starken Ästen verwucherten Solitär "kurieren" zu wollen, macht eher keinen Sinn. Oft wurden die Pflanzen auch wegen der "malerischen" Wucherungen gekauft und der ökonomisch im Anbau sinnvolle Schnitt würde ästhetisch einen Verlust bringen. Die Ausbreitung sollte in jedem Falle verhindert werden, indem alle Schnittwunden am jungen Holz gut versorgt werden.


6 Spezielles zu Pflanzen, Anlage und Kultur

6.1 Kann ich Klonen trauen?

Klone, Clone, Clons sind das, was Sie üblicherweise in der Baumschule kaufen. Denn Klon benennt zunächst nichts weiter als eine Pflanze aus ungeschlechtlicher Vermehrung. Im Griechischen bedeutete "klon" soviel wie "Zweig", "Trieb" oder "Spross". Olivenklone sind also aus abgeschnittenen Zweigen oder Stammbasisstücken durch Wurzelung entstandene Pflanzen. Und dies ist das in Baumschulen - neben der gleichfalls ungeschlechtlichen Veredelung - verbreitete Vermehrungsverfahren, wobei Zweige/Äste bevorzugt werden. Dazu kommt die geschlechtliche Vermehrung aus Samen, wie sie etwa bei der Produktion von Weihnachtsbäumen (Nordmann-Tannen) üblich ist.

Heute hat der Begriff durch das Klonen von Tieren und potentiell auch Menschen sowie die Technik der Genmanipulation einen besonderen Beigeschmack gewonnen, klingt wissenschaftlich exklusiv bis abenteuerlich und anrüchig. Manche Baumschulen machen sich ein Anliegen daraus, möglichst viele "eigene" Züchtungen, sprich "Klone" auf den Markt zu bringen. Zunächst handelt es sich dabei schlicht um die ungeschlechtlich vermehrten Nachkommen von Pflanzen, die auf geschlechtlichem Wege (durch Befruchtung und anschließenden Aufwuchs aus Samen/Kernen/Früchten) entstanden sind. Der Einsatz von Gentechnik ist meines Wissens im Bereich der Olivenzucht noch kein Thema. Das Sortenangebot an Oliven ist derart umfassend, dass es eines genmanipulativen Aufwandes kaum bedarf. Zumal Oliven recht krankheits- und schädlingsstabil sind und wenig Profit durch einschlägige gentechnische Manipulationen zu erwarten ist. Eine unrühmliche Ausnahme macht eine Züchtung mit Stabilität gegen Xyllela fastidiosa, die befremdlicherweise gemeinsam mit dem rätselhaften Erscheinen von Xyllela fastidiosa an süditalienischen Olivenbäumen auftauchte.

In der Natur entstehen junge Olivenpflanzen aus den Früchten der alten, die recht sortenstabil sind, aber doch auch durch Fremdbefruchtung immer wieder - meist geringfügige - Varianten hervorbringen. Im Grunde ist jede aus einer Olive/einem Olivenkern entstandene Pflanze eine mögliche neue Sorte, die auf vegetativem (ungeschlechtlichem) Wege dann vermehrt werden kann. Ob diese "Sorte" dann wirklich relevant eigenständige Merkmale aufweist, ist bei Oliven mit ihrem langen Lebenszyklus und ihrer "Launenhaftigkeit" im Blick auf Ertrag und Geschmackseigenschaften, in Abhängigkeit von Boden, Wetter und eigenständigen biologischen Rhythmen (darin der Weinrebe recht ähnlich), sehr schwierig zu erkennen und bedarf großer Erfahrung des Züchters und eines enormen zeitlichen und analytischen Aufwandes. Nach dem Frost 1929 wurde in Italien Leccio del Corno als frostharte Varietät selektioniert, nach dem Frost 1956 von einem italienischen Züchter die Sorte "Minerva" aus Leccino-Abkömmlingen. Allerdings findet sich diese Sorte in keiner wissenschaftlichen Datenbank oder in Untersuchungen mit genaueren Angaben.

6.2 Wurzelecht oder veredelt?

Wie eben schon angesprochen, gibt es zur Vermehrung von Oliven die vegetative und die generative, die ungeschlechtliche und die geschlechtliche Vermehrung. Die vegetative Vermehrung schafft genetisch identische Nachkommen, also Klone. Im menschlichen Bereich sind eineiige Zwillinge Klone - ganz ohne Fortpflanzungstechnologie.

Im Pflanzenbereich werden Klone in Baumschulen etwa durch Stecklinge oder Wurzelausläufer gezogen. In der Regel werden diese Pflanzen dann als wurzelechte Exemplare einer definierten Sorte (Mutterpflanze) gehandelt. Es ist allerdings auch möglich, diese Exemplare zur Grundlage einer Veredelung zu machen, etwa um die guten Wurzelungseigenschaften einer Sorte mit den guten Geschmackseigenschaften einer anderen zu verbinden. Die Veredlung ist dann eben nicht wurzelecht, aber Ergebnis einer, genau genommen zweier vegetativer Vermehrungsakte.

Pflanzen aus Sämlingen sind generativ entstanden und können eine neue Sorte begründen. In der Regel werden Sämlinge in der Olivenvermehrung nur als Veredelungsgrundlage verwendet, da ihre Eigenschaften nicht exakt zu definieren sind und keine Sortenreinheit garantiert ist. Hier werden also generative und vegetative Vermehrung verbunden. Für Veredelungen werden aber gerne auch Wildformen der Olive verwendet, nicht nur Edelsorten mit definierten Wurzeleigenschaften.

Wurzelechte Exemplare haben den Vorteil, das bei massiven oberirdischen Frost- oder sonstigen Schäden aus den verbliebenen Wurzeln wieder Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften enstehen. Veredelte Exemplare haben den Vorteil, die positiven Eigenschaften zweier Sorten miteinander verbinden zu können - allerdings nur getrennt in Wurzelbereich und oberirdische Pflanzenteile. Heute wird davon ausgegangen, dass es zumindest im nahen Umkreis der Veredelungsstelle dabei durchaus zu Gentausch kommen kann, die Eigenschaften sich möglicherweise weiter als bisher angenommen wechselseitig beeinflussen und modifizieren können. Alllerdings ist dieser Bereich noch sehr wenig erforscht.

In Grenzlagen mit der Gefahr oberirdischer oder doch zumindest bodennaher Zerstörung der Pflanzen etwa durch Frostereignisse empfiehlt sich daher die Verwendung wurzelechter Sorten.

6.3 Wie sollte eine Anlage in kühleren Grenzlagen konkret geplant und aufgebaut werden?

Nochmals: Es gibt wenig Grund zur Annahme, die Klimaerwärmung könne bei uns in absehbarer Zeit den Anbau von Oliven ermöglichen. Dazu tragen nicht nur die ungewissen Temperaturentwicklungen im Winterhalbjahr bei, sondern auch die Feuchtigkeit im Winterhalbjahr und der auffallende Anstieg des Anteils kalter Nächte bei wärmeren bis heißeren Tagen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass die kürzere Vegetationsperiode bei uns das Ausreifen der Früchte mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Anlagen in Deutschland werden weiterhin den Charakter von Experimenten haben, mit entsprechendem Aufwand und eingeschränkten Erfolgserwartungen. Aber das hier Folgende gilt auch für Anlagen in günstiger gestellten Grenzlagen.

Faktoren für die Standortwahl sind: Windschutz (windige Kuppen wenig geeignet), Sonnenexposition (Süd bis Südwest), Bodenbeschaffenheit (nicht zu fest und nicht zu feucht). Faktoren für die Sortenwahl sind: Bodenbeschaffenheit, Niederschlagshäufigkeit und Windexposition. Selbstredend kommen grundsätzlich nur besonders froststabile Sorten in Frage - wobei man sich nicht auf Geheimtipps verlassen sollte, sondern auf belastbare Quellen (s. Informationsquellen).

Der Anbau sollte bei uns grundsätzlich eher auf Buschform, maximal Vasenform abzielen. Diese Erziehungsformen ermöglichen nach Frostkalamitäten einen rascheren Neuaufbau. Abweichend von den Empfehlungen für Olivenanbauländer mit Abständen im Bereich von etwa 6 Metern kann bei uns mit dem halben Abstand gearbeitet werden, da nicht die Entwicklung ausladender Kronen und Wurzelwerke zu erwarten ist. Sollte die Klimaentwicklung diese in Zukunft ermöglichen, kann immer noch ausgedünnt werden. Im übrigen gehen auch Olivenanbauländer zunehmend zu kleineren Abständen über. In Hochertragsanlagen werden bei Arbequina z.B. schon Reihenabstände von 3 Metern und Pflanzenabstände von 1 Meter erfolgreich erprobt.

Der Anlagenaufbau sollte bei Bedarf den Windschutz mit einplanen, zumal bei uns der Wind im Winterhalbjahr einen zusätzlichen Kältestress-Faktor bedeuten kann. Eingeplant werden muss auch der Winterschutz für Junganlagen und auch darüber hinaus möglicher Frostschutz bei Extremereignissen für ältere Anlagen. Auch die zunehmende Winterfeuchtigkeit sollte von den Pflanzen fern gehalten werden.

6.4 Welche Schnittform empfehlen Sie für Deutschland?

Hochstammerziehung macht für unser Klima keinen Sinn, da der Verlust in strengen Wintern gravierend ist und der Baum sich schlecht wieder erholen kann bzw. Sie einen Neuaufbau zum Hochstamm nach Frostschaden nur schwer hinbekommen.

In der Toskana wurde nach dem Katastrophenwinter 1984/85, der fast den gesamten Olivenbestand vernichtete, auf Vasenerziehung mit Halbstämmen und einer offenen drei- bis vierarmigen Krone umgestellt. Diese Form ermöglicht frühere Ernten als Hochstämme und lässt sich relativ leicht wieder aufbauen. Eine Alternative hierzu, die ich für meinen Hain künftig erproben möchte, ist die Buscherziehung, idealerweise mit wurzelechten Exemplaren, die einen Neuaufbau mit gutem Ertrag innerhalb von wenigen Jahren (bei milden Wintern) ermöglicht. Es gibt Empfehlungen, bei Buscherziehung etwa alle zehn Jahre "auf Stock" zu setzen. Damit werden Schnitt- und Ernteaufwand minimiert und der Ertrag maximiert. Nach dem Neuaustriebe wird drei Jahre gewartet, ehe im Zentrum der Pflanze ausgelichtet wird. Danach erfolgt kein weiterer Schnitt! Diese Methode wurde von Balilla Sillari 1980 in der Toskana entwickelt. Beschrieben wird sie in "Pruning and Training Systems for Modern Olive Growing" von Riccardo Gucci und Claudio Cantini. Mir erscheint diese Methode für Grenzlagen vielversprechend, da sie eine Adaption an starke Frostereignisse elegant ermöglicht durch "auf den Stock setzen" nach größeren Frostschäden.

Nach weniger gravierenden Frostschäden sollte grundsätzlich zunächst bis in den Mai hinein abgewartet werden, ehe Schäden beseitigt werden. Dabei sollten auch Äste entnommen werden, die eine starke Rindenschädigung zeigen. In Olivenanbauländern wird empfohlen, auch den Stamm bis auf Bodenniveau abzusägen. Das macht natürlich nur bei wurzelechten Pflanzen Sinn. Ein neuer Aufbauschnitt sollte erst nach drei Jahren erfolgen, um den Baum wieder in eine Wurzel-Krone-Balance zu führen und Vitalität sowie Froststabilität (Zuckeranteil im Gewebe, den Saftbahnen) gewinnen zu lassen.

6.5 Wann soll ich schneiden?


Grundsätzlich gilt, dass es keine pauschalen, fixen Zeitangaben geben kann, da jedes Jahr bei uns mit gravierend anderen Bedingungen aufwartet. Die angegebenen Schnittzeitpunkte sind nur grobe Orientierungswerte. Grundsätzlich gilt auch, dass Schnittregimes klassischer Olivenanbauländer nicht übertragen werden können auf unsere Bedingungen mit häufigen Frostschäden im Winter und oft kühlem Frühlingsverlauf, was die Vegetationsdynamik von Olivenpflanzen erheblich beeinflusst und damit auch die Möglichkeiten für Schnittmaßnahmen.

Vor der Frage nach dem richtigen Schnittzeitpunkt steht die Frage nach dem Ziel des Schnittes. Ist ein kurzfristiger Formschnitt mit Blick auf die Wintereinüllung geplant, ein grundlegender Erziehungsschnitt, ein Durchlüftungsschnitt zur Vorbeugung von Pilzschäden oder ein Schnitt zur Beseitigung von Frostschäden?

Nach Frostschäden sollte nicht vor Juni geschnitten werden, da sich erst bis dahin der Umfang der Schäden deutlich zeigt. Das abgestorbenen Holz ist zu entfernen, dabei lassen sich auch Erfahrungen zur Holzstruktur und zur Reaktion der Pflanze auf den Winter sammeln. Ein massiver Rückschnitt bis kurz über die Veredelungsstelle oder bei wurzelechten Exemplaren bis in Bodennähe, wie in Olivenanbauländern empfohlen, ist bei uns kaum sinnvoll, da wir eher auf den Erhalt dessen achten sollten, was den Winter überlebt. Durchlüftungsschnitte bei Problemen mit Occhio di Pavone sollten vor dem Herbst durchgeführt werden - aber behutsam, dichte Kronen kommen besser durch den Winter. Im Herbst und im Winter sollte bei uns nicht geschnitten werden!

Ein Erziehungsschnitt sollte nicht gleich nach der Neupflanzung, sondern erst nach einigen Jahren ungestörter Vegetation erfolgen (anders als in Olivenanbauländern). Schnittziel kann dabei für uns natürlich kein Hochstamm sein. Selbst der Aufbau einer Vasenerziehung erfordert viel Glück, einen guten Winterschutz (und damit auch eine windgeschützte Lage) und Geduld. Der Schnitt zur Vasenerziehung erfolgt am Besten im April, vor der Hauptwachstumsphase. Keinesfalls sollte nach einem Winter mit Frostschäden am Holz ein Erziehungsschnitt angesetzt werden, da er die Pflanze zusätzlich schwächt.

Die von mir inzwischen präferierte Buscherziehung erfordert bei üblichem Pflanzenmaterial ein Kappen des Stammes zu geeigneter Zeit im Frühjahr. Geeignet nur bei wurzelechten Pflanzen. Bei Veredelungen ist nur eine Buschvase zu erreichen. In Olivenanbauländern wird bei Buscherziehung kaum geschnitten, lediglich die Zahl der Hauptaustriebe ggf. reduziert. Stattdessen erfolgt ein radikales "auf den Stock setzen" nach etwa 10 Jahren, im Frühjahr.

6.6 Warum fallen an meinem Olivenbaum die Blätter ab?


Das häufigste Problem von Olivenbesitzern in Deutschland ist der Blattverlust - zumindest wenn man den einschlägigen Forenbeiträgen und Bogs glauben darf. Die Anfragen bei mir werden allerdings dominiert von Fragen zum Winterschutz, zu Frostschäden, zu geeigneten Sorten und zu Krankheiten.

Zunächst muss ich daran erinnern, dass Oliven, obgleich immergrün, ihre Blätter auch unter "normalen" Bedingungen gelegentlich verlieren bzw. austauschen - allerdings in der Regel in kleineren Portionen und nicht jährlich. Doch was Olivenbesitzer in Deutschland in der Regel beklagen, ist nicht dieser Blattfall, sondern massiver Blattfall im oder nach dem Winter. Dahinter stehen zumeist Frostschäden, Trockenstress, Hitzestress oder Umsiedelungsstress.

Der Blattfall im Winter wird in der Regel ausgelöst durch ein zu warmes Überwinterungsquartier. Die Wintertemperatur für Oliven darf durchaus auch mal bis -5 Grad gehen und sollte zumindest gelegentlich unter +5 Grad gehen. Auch im Winter sollten Oliven in Kübeln bisweilen gegossen werden, sonst kann die Pflanze unter Trockenstress leiden und daher die Blätter abwerfen.

Häufig reagieren die Pflanzen auf Winterstress und Frostschäden erst relativ spät im Frühjahr mit Blattverlust. Man kann davor zwar schon die nicht mehr stabil fixierten Blätter ablösen, aber zur aktiven Abstoßung durch die Pflanze selbst kommt es erst bei Beginn der neuen Vegetationsphase. Davor kann die Pflanze die Blätter allerdings auch durch Schütteln, Wind u.ä. verlieren.

Stressig ist für die Pflanze auch der Übergang vom Winterquartier ins Freigelände nach dem Winter. Der sollte am Abend stattfinden. In den ersten Tagen ist bei Sonnenschein unbedingt auf ausreichende Bodenfeuchtigkeit zu achten. Die Pflanzen sollten im Winter auch nicht zu dunkel stehen. Vollständige Dunkelheit führt gleichfalls im Winter schon zu Blattverlust. Starke Dunkelheit resultiert in Blattverlust bei der Umsiedelung aus dem Winterquartier ins Helle.

6.7 Meine Olive blüht nicht - woran könnte es liegen?

Da hat man nun ein schönes Olivenbäumchen, aber seit Jahren wartet man vergeblich auf Blüten. Oder man hat einen Baum, der schon mal gut geblüht hat, aber dann bleibt die Blüte in einem Jahr plötzlich aus.

Gründe dafür gibt es zahlreich. Bei Kübeloliven kann es schlicht daran liegen, dass es ihnen im Winterquartier zu warm war. Oliven benötigen eine Winterruhe mit Temperaturen unter +5 Grad, die ihnen den Impuls für die Blüte im darauf folgenden Frühjahr gibt. Auch Wassermangel im Kübel kann schuld sein, denn bei Temperaturen über +5 Grad haben Oliven Stoffwechsel, verbrauchen sie Wasser - daran wird oft nicht gedacht beim Überwintern. Auch im Sommerhalbjahr wird in den Kübel oft zu wenig gegossen - weil "die Oliven ja so wenig Wasser brauchen" (was nur im Freien stimmt, wo sie mit ausgedehntem Wurzelwerk das Letzte aus dem Boden rausholen können).

Oliven die im Freien stehen, kommen in der Regel bei uns zu ihrer Winterruhe. Nur in Stadtlagen kann es in einem milden Winter durchaus mal vorkommen, dass sie keinen (ausreichenden) Kälteimpuls bekommen. Wirkliche Trockenschäden erleiden sie bei uns im Freien in der Regel auch nicht im Frühjahr. Und doch kann Trockenheit zur falschen Zeit auch Ursache für ausbleibendes Blühen sein. Ebenso Mangel an Stickstoff und Phosphor - was jedoch eher selten vorkommen dürfte bei unseren Böden.

Und natürlich führen auch Frostschäden zum Ausbleiben der Blüte, da die Pflanzen erstmal damit beschäftigt sind, neue Zweige und Blätter zu produzieren. Allerdings reagieren unterschiedliche Sorten hier sehr unterschiedlich. Ich hatte schon bei einer Bianchera, der kaum Laub über den Winter geblieben war, vor den ersten Blattneuaustrieben einen Blütenaustrieb! Frostnächte im April, kühle Nächte im Mai können die Blütenstandentwicklung gleichfalls behindern.

Olivenbäume sind Einzelgänger. Ihr weit verzweigtes Wurzelwerk mag es nicht, wenn andere Pflanzen zu nahe stehen. Die Baumscheibe sollte daher zumindest in jungen Jahren gut freigehalten werden, damit sie sich wohl fühlen.

Manche Sorten blühen und fruchten intermittierend, also nur etwa jedes zweite Jahr. Wildoliven, erkennbar an den kleinen Blättern, blühen nur sehr verhalten. Und dann gibt es eben auch Individuen, die unabhängig von der Sorte selten bis gar nicht blühen - so wie es andere gibt, die fleißig blühen.

Ob es dann Früchte gibt, hängt wiederum von einer Vielzahl an Bedingungen und Faktoren ab. Hier spielt dann auch die Wasserversorgung eine Rolle.

6.8 Was bedeutet "Frostresistenz" bei Oliven?

Verschiedene Mechanismen der Frosthärte bei Pflanzen sind untersucht, vor allem die Erhöhung des Zuckergehaltes in Pflanzensäften, also die Produktion eines allseits bekannten "Frostschutzmittels". Eisharte Pflanzen können darüber hinaus durch Entwässern ihrer Zellen und durch Mittel zur Modifikation der Kristallbildung ("Rundung") ihr Überleben bis in weit in den zweistelligen Minusbereich sichern.

Oliven sind nicht eishart. Sie sind jedoch grundsätzlich in der Lage, die Zuckerkonzentration in den Säften als Reaktion auf sinkende Temperaturen zu erhöhen. Damit kann ein Schutz bis in den anfänglichen zweistelligen Bereich geleistet werden. Allerdings erfolgt die Anpassung je nach Sorte in unterschiedlicher Intensität. Zudem wird der "Frostschutz" bei Oliven nur allmählich aufgebaut, aber sehr rapide bei Erwärmung wieder abgebaut (mit wiederum sortenspezifischen Differenzen). Dies erklärt, weshalb Oliven unter den bei uns üblichen intermittierenden Wintern besonders leiden. Auffallend ist nach meinen Erfahrungen, dass auch Clorophylle mit der Frosthärte bei Oliven korrelliert sind. Besonders frostharte Sorten oder Individuen zeigen eine intensive Dunkelgrünfärbung, die zu Winterbeginn zunimmt und sich den Winter über erhält. Gerade solche Sorten dürften durch falsches Einhüllen leiden! Die Parallelen zur Fichte sind auffallend (s. etwa auch Verrötung oder Verbräunung der Nadeln/Olivenblätter bei Frost!).

Oliven können auch durch die Steuerung ihrer Vegetationsprozesse Froststabilität erreichen. Eine längere Winterruhe bewahrt eine Pflanze davor, bei frühem Saftfluss von einem Frost erwischt zu werden. Sorten, die erst bei höheren Temperaturen ihren Stoffwechsel hochfahren, sind bei uns also im Vorteil. Allerdings kommen diese Sorten dann bei uns kaum zur Fruchtreife.

Die Agrogentechnik arbeitet an der Übertragung des genetischen Hauptschalters von Arabidopsis thaliana zur synchronen Bildung mehrerer pflanzeneigener Frostschutzmittel. Ich plädiere allerdings für einen gentechnikfreien Olivenanbau in Deutschland ;-). Mit der Sorte Olivastra Seggianese und anderen zeigt sich dafür - nach meinen Erfahrungen - ein Weg.

6.9 Bis zu welchen Temperaturen sind Olivenbäume froststabil?

Wie schon oben ausgeführt, ist die Frosttoleranz bei Oliven sortenabhängig. Auch das Alter der Pflanzen spielt eine große Rolle. Junge Pflanzen sind aufgrund ihres noch bescheidenen Stoffwechsels nur eingeschränkt zum Aufbau eines Frostschutzes in der Lage. Ältere Äste und Stämme sind aufgrund der Borkenentwicklung auch weit stabiler gegenüber Kambiumschäden durch Frost.

Auch die Umstände einer Frostperiode entscheiden über die Stabilität bei Frost. Wind reduziert die Frosttoleranz. Auch Oliven kennen, wie Menschen, eine "gefühlte" Temperatur. Bei starkem Wind können -6 Grad für eine Olive schon tödlich sein, wogegen sie -12 bei Windstille erträgt. Fatal ist oft auch Feuchtigkeit verbunden mit Temperaturen um den Nullgradbereich, wenn es zur Eisbildung in feuchter Rinde kommt. Occhio di Pavone führt zu gestörtem Stoffwechsel der Blätter und reduziert punktuell die Fähigkeit, Frostschutz aufzubauen. Was zu massenhafter Verbräunung von Blätter führt, die mit Occhio di Pavone befallen sind. Allerdings wären diese ohnedies früher oder später abgestorben. Frost verbunden mit starker Sonneneinstrahlung kann zu Rindenrissen führen.

Bei Windstille und Trockenheit können Oliven kurzfristig bis -12 Grad ertragen, ältere Pflanzen gar bis -17. Temperaturangaben zur Froststabilität von Oliven sind in der Regel bezogen auf Windstille und auch sonst optimale Bedingungen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Froststabilität bei intermittierenden Frostereignissen sukzessive abnimmt. Vermutlich nimmt die Froststabilität auch mit fortschreitendem Winter ab durch den Zuckerverbrauch der Pflanze ohne entsprechenden Neuaufbau. Angaben dazu, welche Minustemperaturen die Sorte XY zu ertragen vermag, sind daher weitgehend irrelevant für das reale Verhalten in einem Winter. Allerdings wird man mit Sorten, die wissenschaftlich bestätigt oder nach verbürgten Erfahrungen frosthärter sind als andere, in unserem Klima die besten Erfahrungen machen.

6.10 Gibt es spezielle Züchtungen für unsere Klimabedingungen oder sind solche zu erwarten?

Oliven haben einen diploiden Chromosomensatz mit 46 Chromosomen - wie der Mensch. Aber das ist kein Grund für Mystifizierungen: Auch der Guppy und die Rappenantilope haben 46 Chromosomen. Besondere Züchtungseignungen sind daraus nicht abzuleiten.

Oliven verfügen über eine enorme Fähigkeit zur Standortanpassung. Obgleich ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet eng umgrenzt war, haben Oliven es mit menschlicher Unterstützung über Züchtung und Anpassung geschafft, ein recht breites Spektrum an Standorten zu erobern. Im 19. Jahrhundert wurden auf der Krim gezielte Züchtungsanstrengungen im Blick auf eher kühlere Grenzlagen für den Olivenanbau unternommen. Ein Resultat davon ist die französische Sorte Aglandaou, die als Nikitskaja von der Krim kam.

Es ist zu erwarten, dass unter den bereits vorhandenen zahlreichen froststabilen Sorten eine oder mehrere besonders geeignet sind zur Standortanpassung an unsere Bedingungen in deutschen Weinbaugebieten. Da die Individuen einer Sorte (abhängig u.a. von Baumschulherkünften) genetisch variieren, setze ich persönlich zunächst auf die identische Vermehrung von Exemplaren, die sich bei mir besonders bewährt haben, allen voran eine Olivastra Seggianese, dazu ein Leccino und eine Aglandaou.

2021 habe ich eine kleine Anlage mit sechs Exemplaren von drei Sorten (Olivastra Seggianese, Ghiacciola, Aglandaou) in einer besonders geschützten Lage meines Geländes angelegt, um kontrollierte Kreuzbefruchtungen zu ermöglichen. Es ist allerdings sehr mühsam, aus Früchten Pflanzen zu ziehen, von denen eventuell eine besonders günstige Eigenschaften besitzt (die Froststabilität und Holzvitalität von Olivastra Seggianese und die Fruchtbarkeit von Aglandaou z.B.). Ich hoffe, eine Einrichtung zu finden, die Interesse und die besseren gärtnerischen Möglichkeiten hat, dies zu übernehmen.


6.11 Welche Sorten können Sie als frosthart empfehlen?

Nach 15 Jahren Anbau (Stand Anfang 2023) kann ich die nachfolgend genannten Sorten als frosthart bestätigen. Die Zahlenangaben zeigen, wieviele wissenschaftliche Untersuchungen von welcher jeweiligen Gesamtzahl eine hohe Froststabilität angeben:

Aglandaou 12/13. Arbequina 20/21. Ascolana 42/58. Bianchera 14/15. Bouteillan 9/10. Ghiacciolo 6/7. Leccino 74/94. Moufla (1/1). Olivastra Seggianese 9/9. Tanche 12/15. Besonders gute Erfahrungen auf kalkreichem Kraichgau-Löss in Weinberglage habe ich mit Aglandaou und Olivastra Seggianese gemacht. Gute Ergebnisse habe ich auch - im Blick auf die Froststabilität - mit Ascolana, Ghiacciolo, Leccino, Moufla und Tanche. Weniger gute mit Arbequina, Bianchera und Bouteillan.

Aglandaou kommt aus Frankreich und wächst u.a. am Südhang des Mont Ventoux. Sie ist hitzetolerant und fruchtet auch bei Trockenheit. Erträgt allerdings Feuchtigkeit nicht gut. Der Geschmack ist kräftig herb. Vermutlich handelt es sich um eine Züchtung, die ursprünglich vom botanischen Garten auf der Krim kommt.

Arbequina ist eine spanische Sorte aus Katalonien, in ganz Spanien verbreitet und inzwischen auch in Italien ihres raschen und hohen Ertrages wegen geschätzt. Sie bildet kein starkes Holz, neigt zu buschigem Wuchs. Daher wird sie auch zunehmend im Intensivanbau verwendet, mit Reihenabständen von drei Metern und Pflanzabständen von einem Meter. Mag Kalkböden nicht. Die eher kleinen Früchte sind fruchtig-aromenreich und als Speiseoliven geschätzt. Als Öl eher charakterarm, da es wenig Bitterstoffe und Aromen enthält.

Ascolana (A. tenera, A. del Piceno) ist eine Sorte aus höheren Lagen der südlichen Marken in Italien, die sowohl als Speiseolive, als auch für die Ölgewinnung geschätzt wird. Sie behauptet sich zäh gegen aufeinanderfolgende Frostereignisse.

Bianchera kommt als "Belica" aus Kroatien, ist aber auch in Italien verbreitet. Meine Erfahrungen mit dieser Sorte sind nicht überzeugend, sie hat sich bei mir als - im Vergleich - wenig frosthart und zudem als feuchtigkeitssensibel gezeigt. Der Geschmack ist intensiv, das Öl wird gerne mit dem milden Maurino-Öl verschnitten.

Bouteillan kommt aus dem französischen Anbaugebiet Var, treibt sehr vital immer wieder nach Frost neu aus, mit rund-ovalen, intensiv gefärbten Blättern. Leider anfällig für Krankheiten (bei mir immer wieder massiv mit Occhio di Pavone befallen) und unter den französischen Sorten auch nicht so frosthart wie Aglandaou, Moufla oder Tanche. Sie liefert früh reifende, besonders ölreiche Früchte, aus denen ein geschätztes Öl gepresst wird.

Ghiacciolo (auch "Ghiacciola") ist eine eher seltene italienische Varietät der Romagna, die gut mit Feuchtigkeit zurecht kommt. Sie ist bekannt für ihre Froststabilität und trägt die angeblich auch im Namen - "ghiacciolo" bedeutet "Eiszapfen". Der Name könnte aber auch auf die Form der Früchte verweisen mit einem Zipfel am Ende. Das Öl ist sehr herb.

Leccino ist eine Standardsorte aus Italien, die weltweit angebaut wird und mit unterschiedlichen Böden und Bedingungen zurecht kommt. Kann sich nach Frost gut wieder erholen, vital. Sehr geeignet als Befruchtersorte.

Moufla kommt aus Frankreich, hat eher schlechte agronomische Eigenschaften, entwickelt schwaches Holz und liefert wenig Ertrag. Der Wuchs ist kreuz und quer, mit vielen Wasserschossen. Allerdings gehört sie zu den froststabilsten Varietäten.

Olivastra Seggianese wird fast ausschließlich an den Hängen des Monte Amiata bei Grosseto angebaut. Nach meinen Erfahrungen ist sie die froststabilste, vitalste Varietät. Allerdings ist der Ernteertrag schwankend. Die Früchte haben ein interessantes harziges Aroma, das Öl wird nicht sonderlich geschätzt.

Tanche wächst vor allem in der Gegend von Nyons, bis in Höhen von 600 Metern. Sie heißt auch "Noires de Nyons". Am Mont Ventoux wird sie auf der Nordseite angebaut, da sie starke Hitze nicht gut verträgt, dafür mit Feuchtigkeit besser zurecht kommt als Aglandaou. Anfällig für Occhio di Pavone. Wird als Speise- und als Ölolive geschätzt. Der Geschmack ist herb bis streng, rauchig-harzig.



7 Kulinarik und Küche

7.1 Haben Sie grüne oder schwarze Oliven?

Grün oder schwarz heißt bei Oliven in der Regel nur: Unreif (grün) oder reif (schwarz) - mit sehr vielen Zwischenstufen, die durch rot-braune Töne bestimmt sind. Wobei "unreif" mit Einschränkungen gilt. Denn auch grüne Oliven schmecken ja, entsprechend behandelt, durchaus gut. Und für die Pressung von Olivenöl werden aus Qualitätsgründen häufig gerade "unreife" Oliven verwendet. Der Ölgehalt nimmt zwar mit der Reifung von 15% auf 45% zu. Doch sinkt dabei in der letzten Reifungsphase auch die Qualität, teilweise dramatisch, und das Öl verliert an Haltbarkeit, es oxidiert rascher bzw. die Oxidation hat schon vor der Pressung begonnen.

Über die Reifungsunterscheidung hinaus gibt es eine breite Varianz der Olivenfärbungen, die durch Sortenunterschiede bedingt ist. Das reicht von bei den unreifen Früchten von Silbriggrün bis Dunkelgrün, umfasst unterschiedliche Weißsprenkelungen und rötliche bis bläuliche Einfärbungen. Selbst fast weiße Sorten sind bekannt. Auch in Größe und Form gibt es eine überwältigende Variantenfülle. Bei weltweit etwa 1200 (es kursieren auch weit höhere Zahlen) verschiedenen Olivensorten ist das nicht erstaunlich. In Italien alleine sind etwa 700 Varietäten verbreitet, davon über 400 offiziell registriert.

Nicht immer sind "schwarze" Oliven, die man kauft, wirklich durch Reifung schwarz geworden. Häufig wird an grün geernteten Oliven nachgeholfen mit Farbstoffen, zum Beispiel Eisengluconat (E 579). Entbittert sind solche "Convenience"-Oliven in der Regel durch Natronlauge (Basis NaOH), nicht durch die traditionelle Salzlake (Basis NaCl). Wer mit Oliven den Geschmack von Metall oder Seife verbindet, der sollte mal die Sorte oder den Händler wechseln und nach ungefärbten schwarzen Oliven fragen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, immer wieder verschieden eingelegte Oliven zu probieren, auch im Urlaub in entsprechenden Herkunftsländern auf dem Markt, um den Geschmack zu schulen und allmählich zu entdecken, was der eigentliche oder der einem zusagende Olivengeschmack ist. Es kann durchaus hilfreich sein, auch einmal eine grüne Olive vom Baum oder eine schwarze unter einem Baum aufzulesen und anzuknabbern - nach entsprechender Reinigung natürlich und behutsam (um keinen Schock durch die Bitterstoffe zu erleben).

7.2 Welche Geschmacksrichtungen gibt es bei Oliven?

Angesichts der Zahl von über eintausend Olivensorten weltweit erstaunt es nicht, dass es auch geschmacklich eine enorme Bandbreite gibt. Gemeinsam ist allen Sorten eine charakteristische Oliven-Bitternis. Die geht auf Wirkstoffe zurück, Biophenole, die in den Früchten und auch in den Blättern enthalten sind, mit teilweise positiven Wirkungen auf die Gesundheit. Doch selbst im Blick auf die Bitternis gibt es ein recht breites Spektrum, das schon durch Sortenbezeichnungen angedeutet wird, von "Dolce di Rossano" ("Süße von Rossano", Kalabrien) bis "Amaro" ("der Bittere", gleichfalls Kalabrien).

Nach der Intensität der Bitternis unterscheidet Paul Vossen in seinem verdienstvollen, reich bebilderten PDF mit sechzig gebräuchlichen Olivensorten "mild", "medium" und "strong". Dabei ordnet er Arbequina, Ascolana, Leccino, Pendolino und Maurino unter "mild" ein, Aglandaou und Bouteillan unter "medium", Coratina, Frantoio und Koroneiki unter "strong". Darüber kann trefflich gestritten werden (sicherlich auch in Abhängigkeit von Klima und Bodenbeschaffenheit) - in Frankreich gilt Aglandaou z.B. als "schockierend" bitter (Michel Courboulex), was sich mit meiner Erfahrung deckt. Zur Charakterisierung im Spektrum "bitter-süß" treten häufig noch die Attribute "stechend", "brennend", "scharf" oder "pfeffrig". Besonders die Note "scharf", die an Peperoncini, Rucola und Ingwer erinnert, wird häufig genannt. Sie ist auf Oleocanthal zurückzuführen.

Weitere wichtige Geschmacksunterscheidungen sind die nach "grasig" oder "fruchtig", angereichert durch Differenzierungen wie "nach frischem Heu", "nach frisch geschnittenem Gras", oder genauere Bestimmungen der Fruchtnoten (im weiteren Sinne, der auch Gemüse umfasst). Bei letzteren dominieren verständlicherweise Noten, die in das Feld des Bitteren gehören, wie "Mandel", "Haselnüsse", "Kastanie", "Radicchio" oder "Artischocke". Als eher milde Fruchtnoten werden "Tomate", "Kiwi" und "Apfel" (vorzugsweise "grün") genannt, auch "grüne Banane" ist beliebt. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, in Feinschmeckermagazinen liest man von Geschmackserinnerungen an "frisch zerriebene Basilikumblätter" oder "unreife Tomaten am Strauch".

Wissenschaftlich ausdifferenzierte Informationen bietet die Datenbank "Olive Germplasm" unter den jeweiligen Sorten-Datensätzen im Bereich "Agronomical Characters" (s. Informationsquellen).

7.3 Wie schmecken Oliven aus Deutschland?

Gut. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit eigenen und fremden Erträgen sind sie etwas milder als Oliven aus heißeren und trockeneren Ländern, schmecken frisch weniger bitter und können je nach persönlichem Geschmack auch (in sehr kleinen Dosierungen, sortenabhängig) direkt vom Baum genossen werden. Leider hatte ich im ersten Standjahr nur eine Hand voll ernten können, Leccino und Olivastra Seggianese - und 2009, 2010, 2011 gabs nichts, nach den Frostschäden waren die Pflanzen mit der Bildung neuer Zweige und Blätter beschäftigt. 2012 ff hatte ich Einzelexemplare.

2015 gab es zwei Aglandaou, eine französische Sorte, sonst nix, die anderen Früchte waren in den kühlen Frühsommernächten noch stecknadelkopfgroß abgefallen. Und die beiden ausgereiften Oliven waren entsetzlich bitter - ganz wie ich es von Olivenanbauländern kenne. Das könnte am trockenen Sommer oder an der Sorte liegen. Aglandaou gilt als "kräftig" und "herb" im Geschmack. 2020 hatte ich die erste nennenswerte Ernte, vor allem Aglandaou und Seggianese, wovon ich auch zwei Gläser eingelegt habe in Salzlake.

Der Ölgehalt dürfte bei Oliven, die in Deutschland reifen, geringer ausfallen als in den klassischen Anbauländern. Das Grundproblem wird allerdings darin bestehen, dass Olivenbäume in Deutschland nach strengen Wintern, in denen sie ihre Blätter und oft genug auch ihre Zweige verlieren, gar nicht fruchten. Auf eine Olivenölproduktion aus deutschen Oliven zu setzen, ist daher mehr als verwegen, auch bei größeren Anlagen. Die Alternative könnte eine Cuvée aus Oliven deutscher und sonstiger Herkunft sein. Was sicherlich bedauerlich ist, denn die geschmacklichen Eigenschaften von Olivenöl aus hiesigen Böden und unter hiesigen Klimabedingungen könnten für positive Überraschungen gut sein. Man denke nur an die Entwicklungen im Weinbau.

Ich selbst werde meine "Ernten" auf absehbare Zeit vom Baum/Busch essen und einlegen. Schwarze/reife Oliven sind mit schlichter Salzlake, die über einen Monat hinweg regelmäßig gewechselt wird, gut zu entbittern. Grüne brauchen länger, etwa zwei Monate. Kräuterzugaben machen erst Sinn beim eventuell anschließenden Einlegen in Öl (nach dem Entbittern also).

7.4 Welche Olivensorten bevorzugen Sie in der Küche?

Als Öle bevorzuge ich die von Kreta, etwa das Öl der Familie Fronimakis aus der Psiloelies-Olive (gehört zur Koroneiki-Familie), vertrieben von "artefakt". Von italienischen Ölen schätze ich die der Sorte Coratina. Aus Spanien mag ich das Öl von Cornicabra. Aber nicht nur reinsortige Öle sind zu empfehlen. Aufgrund der teilweise extrem unterschiedlichen Sorteneigenschaften sind Verschnitte oft äußerst interessant und schmackhaft. Aus der Toskana gibt es spannende Cuvées aus Moraiolo, Frantoio, Leccino, Pendolino und Maurino. Kroatien überzeugt mich mit Cuvées, bei denen Belika eine gewichtige Rolle spielt, Maurino dazukommt. Aber letztlich sind auch die Jahrgänge und die Produzenten mit entscheidend. Italienische Öle sollte man nur bei wirklich gesicherten Quellen kaufen, sofern man authentische Ölerfahrungen sucht. Die Wahrscheinlichkeit, kein rein italienisches Öl zu bekommen, ist wegen der hohen Nachfrage bei geringer Produktion besonders hoch.

Als Speiseoliven mag ich besonders die spanische Arbequina (in schwarz=ausgereift), aber auch, wie viele Olivenesser, Manzanilla aus Spanien (in grün=unreif). Die griechische Kalamata (in schwarz) esse ich auch gerne, obgleich sie (wie Manzanilla auch) eine Massensorte ist und man mit ihr reinfallen kann. Aus Italien schätze ich vor allem Taggiasca und aus Frankreich die Tanche-Oliven (gewöhnungsbedürftig mit ihrem stark harzig-rauchigen Aroma). Beide schwarz/reif. Aber da Geschmäcker sehr unterschiedlich sind, möchte ich hier noch eine kleine Übersicht geben zu den Kriterien, wonach sich die Sortenwahl oder die Wahl zwischen "grün" und "schwarz" richten sollte:

Da ist zunächst natürlich die Grundunterscheidung, ob man eine Olive als Frucht oder als Öl verkosten möchte. Etliche Sorten, wie Ascolana oder Arbequina, lassen beides zu bzw. sind zu beidem gebräuchlich. Oliven zum Verzehr sollten ein festeres Fleisch haben, der Ölgehalt ist Nebensache und kann im Übermaß den Geschmack sogar stören (bei Bouteillan etwa). Grüne (noch nicht ganz ausgereifte) Oliven schmecken fruchtig-pikant, schwarze Oliven (sofern sie nicht künstliche geschwärzt, sondern ausgereift sind) herzhafter und stärker nach Harz und Öl.

Olivenöle sind extrem unterschiedlich im Hinblick auf die Temperaturen, die ihnen beim Kochen/Braten zugemutet werden können - allerdings nicht wegen des Rauchpunktes, der liegt fast durchweg bei etwa 230 Grad (bei gefilterten Ölen ohne hohen Schwebstoffanteil, ansonsten darunter), sondern wegen des Geschmacks, der Empfindlichkeit oder Stabilität ihrer Aromen. Coratina aus Italien oder Psiloelies aus Griechenland ertragen beispielsweise nur etwa 130 Grad, Arbequina aus Spanien oder Manika aus Griechenland sind bis 210 Grad gut zu verwenden. Die geschmacklich "leichteren" Öle sind für Salate und Fischgerichte besonders passend, die gewichtigeren eignen sich auch zu Bratkartoffeln.

7.5 Warum steigt der Preis für Olivenöl aktuell (Ende 2014) so massiv?

Die weltweite Nachfrage nach Olivenöl nimmt stetig zu, was unter anderem an gehobenen Konsumansprüchen in westlichen Ländern, an der Öffnung Osteuropas und am steigenden Wohlstand in China liegt. Das hat in den vergangenen fünfzehn Jahren zur Ausweitung des Olivenanbaus und zum weiteren Ersatz von weniger ertragreichen Altanlagen durch Jungpflanzen geführt. Diese Veränderungen waren großteils von Bewässerungen abhängig. Es wurden ertragsstarke und nicht primär trockenheitsstabile Sorten bevorzugt. Das führte bei ungünstigen Wetterbedingungen in einigen wichtigen Erzeugerländern (Spanien und Italien besonders) 2013 und vor allem 2014 zu massiven Einbrüchen wegen Trockenheit.

In Italien hat sich zudem 2014 ein Bakterium fatal ausgewirkt. Ende 2013 gab es die ersten Schreckensmeldungen zum Auftauchen des Bakteriums Xyllela fastidiosa (Feuerbakterium, nicht verwandt mit den Feuerbrand-Bakterien) in Süditalien, in der Region Apulien. Dies ist eine ohnedies trockene Region, in der in der jüngeren Vergangenheit massiv Wasservorräte umgeleitet wurden zur Bewässerung neuer Obst- und Gemüseanlagen. Möglicherweise gibt es da einen Zusammenhang, insofern die von Trockenstress geschwächten Bäume dann dem Bakterium zum Opfer fallen. Das Bakterium hat sich offensichtlich 2014, bei erneut starker Trockenheit, weiter ausgebreitet. Einen wirksamen Schutz gibt es nicht, betroffene Anlagen werden gerodet.

Ein weiterer Faktor für Einbrüche in der Erntemenge 2014 ist die Olivenfliege, die sich durch für sie günstige warm-feuchte Witterungsverhältnisse im Herbst massiv ausbreiten konnte. Das wird sowohl für Italien als auch für Spanien berichtet. Aus Frankreich habe ich persönliche Meldungen über ein gehäuftes Auftreten der Fliege 2014 erhalten. Da Frankreich kein bedeutendes Erzeugerland für Olivenöl ist, gelangte diese Information nicht in die Medien.

7.6 Was versteht man unter der "deutschen Olive"?

Eingelegte Kornelkirschen wurden früher als "deutsche Oliven" angeboten. Gelegentlich begegnet auch die Bezeichnung "schwäbische Olive".

Kornelkirschen sind historisch eine sehr früh (es existieren bronzezeitliche Belege) genutzte und bereits in der Antike hoch geschätzte Frucht. Ovid nennt sie in den "Metamorphoses" 1.105 als Frucht des Goldenen Zeitalters. Gleichfalls bei Ovid werden den Göttern Zeus und Hermes von Philemon und Baucis, neben schwarzen und grünen Oliven, in flüssige Weinhefe ("liquida faex") eingelegte "herbstliche" Kornelkirschen vorgesetzt ("Conditaque in liquida corna autumnalia faece" - Metamorphoses 8.665).

Form, Fruchtfleisch und Kern haben eine große Ähnlichkeit mit Oliven. Ein aus dieser Ähnlichkeit abgeleitetes explizites Rezept für "deutsche Oliven" findet sich im 10. Band von "Fortgesetzte Magie, oder die Zauberkräfte der Natur, so auf den Nutzen und die Belustigung angewandt worden" von Johann Samuel Halle, Berlin 1798, S. 346. Gleich nach Rezepten zum Wäschebleichen und vor Ratschlägen zur bleichefesten Markierung von Wäsche lässt der Autor sich da aus über "Deutsche Oliven, an Farbe und Geschmacke den ausländischen ähnlich": "Man sammle einen Vorrath von Kornellkirschen zu der Zeit ein, wenn sie an den Bäumen anfangen sich roth zu färben. Man wählet die größten und rundesten, und läßt sie einige Tage liegen, bis sie welk werden, ehe man sie einmacht. Nun gieße man in das Faß, worinnen man sie einmachen will, Salzwasser, worinnen so viel Küchensalz aufgelößt worden, als es immer auflösen kann. In dieses schüttet man die Kornellkirschen, umd zwar wenn sie den Oliven ganz ähnlich werden sollen, so roh und ungekocht, wie sie der Baum liefert; wenn man sie aber nicht so hart zu essen beliebt, so kann man sie vor dem Einsalzen ein wenig kochen. Des bessern Geschmacks wegen kann man zwischen die Kornellkirschen etwas grünen Fenchel und einige frische Lorbeerblätter schichtweise legen."

Johann Samuel Halle war ein geschätzter und fleißiger Sachbuchautor seiner Zeit. Er sammelte in seinem Werk - das einen Vorgänger in seiner Publikation "Magie, oder Die Zauberkräfte der Natur" hatte - kuriose sowie mehr oder weniger nützliche Versuche und Erscheinungen aus den Anwendungsbereichen der Naturwissenschaften sowie allerlei Belehrendes etwa zur Schädlichkeit des Walzer-Tanzens. Heute würde man sein Werk der populären Ratgeber-Literatur zuordnen.

Der Geschmack der Kornelfrüchte hat allerdings auch in Salz eingelegt wenig mit Oliven gemeinsam - am ehesten mit grünen Oliven. Durch Zugabe von Rosmarin und Thymian sowie Einlegen in Olivenöl kann dem etwas abgeholfen werden. Der Ölgehalt im Fruchtfleisch ist minimal und Bitterstoffe enthalten Kornellen nur sparsam. Am Rande sei vermerkt, dass die Kerne in hohen Mengen Ölsäure und Palmitinsäure bergen!

Jean Pütz hat in seiner Sendung "Hobbythek" im Oktober 2002 die "Eifel-Oliven" vorgestellt: in Salzlake eingelegte Schlehen. Als "Erfinder" der Eifel-Oliven gilt Jean-Marie Dumaine, der 1979 in  Sinzig an der Ahr mit seiner Frau Colette das Restaurant "Vieux Sinzig" eröffnete. Dumaine war auch einer der ersten, der lange vor dem Trend Wildkräuter in seiner Küche verwendete. Und er hat 2002 an der Ahr deutsche Trüffel entdeckt.

7.7 Wie werden Oliven konserviert?

Zur Technik des Konservierens von Oliven gibt es sehr unterschiedliche Angaben, weshalb es hilfreich ist, zunächst einmal Grundsätzliches zu klären.

Die Verarbeitung von Oliven zu Speiseoliven hat drei Zielsetzungen: Entbittern, Aromen erschließen, konservieren. Die gebräuchlichen Verfahren hierzu sind: Wässern, Einlegen in Natronlauge, Einlegen in Salz, Einlegen in Salzlake, Fermentieren, Einlegen in Olivenöl. Die ersten beiden Verfahren entbittern lediglich, die beiden letzten leisten Aromenerschließung und Konservierung. Die Verarbeitung mit Salz dient dem Entbittern und dem Konservieren.

Roh sind Oliven kaum zu genießen, es sei denn, sie haben schon einige Fröste hinter sich. Schwarze Oliven können mit trockenem Einsalzen entbittert und konserviert werden. So bekommt man die gehaltvollsten Speiseoliven.

Gebräuchlicher ist die Entbitterung in Laugen. Industriell, aber auch bei bäuerlichen Produzenten wird heute häufig Natronlauge eingesetzt, bekannt auch von der Brezelherstellung. Das Verfahren ist schnell, entzieht aber auch Aromastoffe. Schonender - und langwieriger - ist der Einsatz von Salzlauge, gearbeitet wird mit Konzentrationen zwischen 50 und 300 Gramm Salz/Liter. Dabei muss die Lauge regelmäßig gewechselt werden (1-3 Tage werden angegeben als Frist). Die Dauer des Entbitterns ist von vielen Faktoren abhängig, von der Sorte, dem Zielgeschmack, der Salzkonzentration, dem Verhältnis Oliven:Lauge und anderem mehr. Genannt werden Zeiträume zwischen einer und fünf Wochen.

Bei grünen Oliven kann zur Entbitterung auch reines Wasser verwenden werden (dauert länger), bei schwarzen (reifen) ist Salzlake sinnvoll, da es sonst zur Zersetzung und zum Ranzigwerden kommen kann (daher vor allem bei Sorten mit kleinen Früchten eingesetzt).

Zur Beschleunigung des Entbitterns wird empfohlen, einen Längsschnitt in jede Olive zu machen. Möglich ist auch ein Kreuzschnitt am Stilansatz. Wer einen Olivenentkerner hat, kann den einsetzen. Allerdings werden so auch mehr Aromen entzogen. Nach dem Entbittern können die Oliven wieder je nach Geschmack entsalzt werden (Einlegen in klares Wasser) und anschließend in Olivenöl konserviert - oder aber sie werden mit Salzlake in Gläser abgefüllt. Je nach Geschmack werden auch Kräuter oder Orangenscheiben beigefügt.

Grüne wie schwarze Oliven können, ähnlich wie Gemüse, auch über Fermentierung konserviert werden - bekannt bei uns vor allem durch das Sauerkraut. Die dabei verwendete Salzlake enthält 25-50 Gramm Salz auf einen Liter Wasser. Die Oliven müssen vollständig bedeckt sein und die Lake luftdicht abgeschlossen (etwa durch eine beschwerte Folie), da die erwünschten Milchsäurebakterien anaerob arbeiten, einige störende Bakterien dagegen aerob. Die Milchsäurebakterien kommen natürlich vor, gelegentlich wird der Zusatz von Buttermilch empfohlen, in der Erwerbsproduktion werden Milchsäurebakterien gezielt beigefügt. Die Fermentation dauert mehrere Monate (genannt werden 3-12).

Die Milchsäure wirkt hochgradig bakterizid und fungizid und ist somit das entscheidende Konservierungsmittel. Zudem erschließt die Fermentation den Aromenreichtum von Oliven. Bei Convenience-Oliven wird eine Fermentation häufig durch die Beigabe von Milchsäure simuliert. Milchsäure-, Zitronensäure- oder Essigzugaben werden auch gezielt zur Konservierung eingesetzt.

7.8 Wie werden die süßen chinesischen Oliven gemacht?

Bei den süßen "Oliven", die in China z.B. zum Tee gereicht werden, handelt es sich um die Früchte von Canarium album, einer subtropischen Pflanze, die mit Olea europaea nicht verwandt ist. Die Früchte sind einander optisch ähnlich, die von Canarium album sind etwas größer (ca. 6 cm Länge), hellgrün-gelblich-bernsteinfarben, ohne die Bitternis der Öloliven, süß-säuerlich. Der Kern der süßen Fruchtolive ist hell und geriffelt, er kann außerdem verzehrt werden. Auch an den Blättern kann man die Pflanzen deutlich unterscheiden, länglich-schmal, hart, silbrig-olivgrün die einen, länglich-breit, weich, hellgrün die andern.

Hauptanbaugebiet von Canarium album in China ist die Provinz Fujian. Alle "Olivenbäume" dort sind Canarium album. Bei den Bäumen des berühmten "Olivenhain von Menghan (Ganlanba)", in der Nähe eines Thai-Dorfes im Süden der Provinz Yunnan, handelt es sich gleichfalls um Canarium album, nicht um Olea europaea. Ebenso höchstwahrscheinlich bei den "Oliven", die in der frühen chinesischen Literatur genannt werden, etwa in einem Textfragment von 554 n.Chr. oder im opulenten Werk "Die Reise in den Westen" von 1592 (älteste erhaltene Version).

Die beiden Baumarten gedeihen unter verschiedenen Bedingungen. Ihre Anbaugebiete sind in China in der Regel deutlich getrennt. Allerdings gibt es in der Provinz Yunnan beide, im Süden Canarium album, im Norden Olea europaea. Im Chinesischen werden die Pflanzen sprachlich nicht differenziert, die Bäume sind benannt als "Gan Lan Shu", die Früchte als "Gan Lan".

Auch in Thailand und Vietnam ist Canarium album verbreitet. Die Frucht wird in Indochina als "Chinesische Beere" oder "Weiße Beere" bezeichnet. Im Englischen ist die Frucht auch als "white olive" bekannt. Es gibt in Indochina noch eine Verwandte, Canarium nigrum oder pimela, mit dunkelvioletten Früchten. Gelobt werden an beiden Varianten ihre Heilkräfte bei Hals-, Stimmorgan- und Atemwegserkrankungen.


***